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Rechtsmißbrauch durch Konzernabmahnung - LG Bielefeld, Urteil vom 17.08.05, Az.: 21 S 159/05

Leitsätzliches

Eine Abmahnung, die ein Rechtsanwalt für konzernmäßige verbundene Unternehmen ausspricht, kann rechtsmißbräuchlich sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn kein Grund erkennbar ist, daß die Abmahnung für alle Einzelunternehmen ausgesprochen wurde. Die anderen Unternehmen sind auch dann hinreichend gesichert, wenn gegenüber einem der Unternehmen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird, da auch hierdurch die Unterlassungsgefahr gebannt wird.

LANDGERICHT BIELEFELD

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 21 S 159/05

Entscheidung vom 17. August 2005


In dem Rechtsstreit

der Spielbank ...

Klägerin und Berufungsklägerin,

...

Beklagten und Berufungsbeklagten,

hat die 21. Zivilkammer auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2005 durch ... für Recht erkannt:

 

Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. Mai 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lübbecke wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben Betreiberin und Komplementärin der in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten fünf konzessionierten Spielbanken in ...

Sie begehrt die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für eine außergerichtliche, durch sie und die Spielbanken erfolgte gemeinsame Abmahnung wegen eines auf der Internetseite des Beklagten gesetzten Links zu einem nicht konzessionierten Online-Spielcasino.

Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 50.000,00 € macht die Klägerin aus eigenem Recht und im Wege gewillkürter Prozessstandschaft für die Spielbanken Rechtsanwaltskosten. Von insgesamt 1.981,30 € (Geschäftsgebühr (7,5/10): 784,50 €; Erhöhungsgebühr (§6 BRAGO a.F.): 1.176, 80 €; Entgelt gem. § 26 BRAGO a.F.: 20,00 €) geltend.

Das Amtsgericht hat die Klage. durch Urteil von 31.05.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen, Zur Begründung. hat es ausgeführt, die gemeinsame Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG a.F. gewesen, weil eine Abmahnung allein durch die Klägerin ausreichend gewesen wäre und zu einer deutlich geringeren Kostenbelastung des Beklagten geführt hätte. Ferner sei die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin:

Sie macht geltend:

Die gemeinsame Abmahnung durch ein Anwaltsschreiben sei schon deshalb nicht rechtsmissbräuchlich, da hierdurch entstandenen Kosten erheblich geringer seien, als dies im Falle eines getrennten Vorgehens durch Mehrfachabmahnungen für sämtliche Anspruchsinhaber anfallenden Kosten. Ein sachlicher Grund für die erfolgte gemeinsame Abmahnung ergebe sich daraus, dass die Wirkungen einer von einem Gläubiger erwirkten Unterlassungserklärung für sämtliche betroffenen Spielbanken vom Fortbestehen des Unterlassungsgläubigers und der Verlängerung von dessen Spielbank-Konzession abhänge. Im Falle einer danach erfolgenden erneuten Verletzungshandlung sei es für die übrigen Spielbanken unzumutbar, eine erneute Verfügung zu beantragen. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes sei erforderlich gewesen.

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Amtsgerichts Lübbecke vom 31.05.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.981,30 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.06.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Der Ausschluss der Klagebefugnis nach § 13 Abs. 5 UWG a.F. steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, da sich diese Rechtsfolge nur auf Unterlassungsansprüche bezieht. Im Hinblick auf den hier geltend gemachten Zahlungsanspruch kommt § 13 Abs. 5 UWG a.F. lediglich ein zur Unwirksamkeit der Abmahnung und Ausschluss des Anspruchs auf Aufwendungsersatz führender materiell-rechtlicher Gehalt zu (vgl. Köhler/Piper, UWG, 3. Auflage, § 13 Rn. 56; Terplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, 13. Kap., Rn. 53).

2.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

a)

Die Klägerin sowie die von ihr im Weg der gewillkürten Prozessstandschaft vertretenen Spielbanken haben keinen Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 27.03.2004 aus §§ 683 Satz, 670 BGB bzw. § 1 UWG.

Die Abmahnung stellt sich hier als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG a.F. dar.

Missbräuchlich in diesem Sinne ist es u.a., wenn mehrere durch denselben Rechtsanwalt vertretene Konzernunternehmen ein- und denselben Wettbewerbsverstoß in jeweils getrennten Anwaltsschreiben abmahnen, weil eine einzige Abmahnung ausgereicht hätte, um die Interessen der anderen anspruchsberechtigten Abmahner zu wahren (BGH, GRUR 2002, 357).

Hier ist der Beklagte nicht nur durch die Klägerin, die nach eigenem Vortrag Betreibergesellschaft und Komplementärin der Spielbanken in ... ist, sondern auch durch sämtliche Spielbanken selbst abgemahnt worden. Zwar erfolgte die Abmahnung nicht durch getrennte Abmahnungsschreiben. Gleichwohl stellt sich die in Form einer gemeinsamen Abmahnung gekleidete Abmahnung durch sämtliche miteinander verbundene Unternehmen als missbräuchlich dar. Nach den Umständen des Einzelfalles ist davon auszugehen, dass bei der Abmahnung sachfremde Ziele verfolgt wurden und diese Form der Abmahnung vorwiegend dazu gedient hat, einen möglichst hohen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen entstehen zu lassen.

Vorliegend waren die Klägerin sowie die Spielbanken durch denselben Rechtsanwalt vertreten. Die Klägerin hat unstreitig durch diesen in der Vergangenheit in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen unerlaubter Internetwerbung für nicht konzessionierte Online-Casinos in mindestens 30 Fällen Abmahnungen ausgesprochen, die zu Unterwerfungserklärungen der Schuldner bzw. zu entsprechenden Unterlassungsurteilen geführt haben, wobei sie z.T. aufgrund einer Ermächtigung der Spielbanken tätig geworden ist (vgl. u.a. OLG Hamburg, Beschluss vom 10.11.2004 – 3 U 171/04 –; LG Hamburg, Urteil vom 02.03.2004 – 312 0 1037/03; Urteil vom 24.03.2004 – 315 0 28/04; Urteil vom 03.02.3005 – 325 0 839/04; Urteil vom 16.09.2004 – 315 0 755/03 - ).

Weder die Klägerin, noch die einzelnen Spielbanken sind offensichtlich bislang von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Abmahnung ausgegangen. Eine solche ist zur Wahrung der berechtigten Belange der einzelnen Spielbanken auch nicht erforderlich.

Diese sind durch Abgabe einer Unterlassungserklärung entweder gegenüber der Klägerin selbst oder aber einer der Spielbanken hinreichend gesichert. Indem der Schuldner eine Unterwerfungserklärung abgibt, begegnet er auch der Gefahr, von einer Vielzahl von Gläubigem in Anspruch genommen zu werden, weil mit der Abgabe einer solchen Erklärung im Allgemeinen die Wiederholungsgefahr auch im Verhältnis zu anderen Gläubigern entfällt (BGH a.a.O.). Dies gilt hier umso mehr, als die beanstandete Werbung über die Internetseite des Beklagten erfolgt ist und dessen Entfernung ohne weiteres den – unterstellten – Wettbewerbsverstoß gegenüber sämtlichen Unterlassungsgläubigern hätte entfallen lassen. Der Klägerin sowie den mit ihr verbundenen Gesellschaften war es auch zumutbar, ihr Vorgehen – wie in der Vergangenheit bereits erfolgt – weiterhin zu koordinieren und Unterlassungsansprüche entweder durch die Klägerin selbst – ggfs. auch aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung – oder eine der von ihr beherrschten Spielbanken geltend zu machen.

Ein hinreichender Grund für die nunmehr erfolgte gemeinsame Abmahnung ist nicht dargelegt. Es ist danach davon auszugehen, dass der für den Beklagten im Hinblick auf die Höhe der Abmahnkosten nachteiligen Änderung der Abmahnpraxis durch die Klägerin und die mit ihr verbundenen Gesellschaften sachfremde Erwägungen zugrunde lagen.

Die von der Klägerin aufgezeigte, bloße abstrakte Möglichkeit, dass die Konzession des Gläubigers des Unterlassungsanspruchs untergeht, stellt dagegen keinen nachvollziehbaren sachlichen Grund für die geänderte Vorgehensweise dar. Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Im Falle eines wie¬derholten Verstoßes des seinerzeitigen Unterlassungsschuldners wäre es dem durch die erneute Verletzungshandlung verletzten Unternehmen zudem ohne weiteres zumutbar, nunmehr erstmals selbst gegen den Verletzer vorzugehen.

Soweit der Bundesgerichtshof eine gemeinsame Abmahnung durch konzernmäßig miteinander verbundene Unternehmen im Einzelfall im Hinblick auf die dadurch bedingte Erhöhung der Kosten in verhältnismäßig geringem Umfang für gerechtfertigt erachtet hat (GRUR 2002, 357359), stehen die dort entwickelten Grundsätze aufgrund der Besonderheiten der hier zu beurteilenden Fallkonstellation der Annahme der Missbräuchlichkeit einer gemeinsamen Abmahnung nicht entgegen. Hier ist die Abmahnung durch sämtliche konzernmäßig verbundene Unternehmen erfolgt. Durch die Änderung der Abmahnpraxis ist es für die Schuldner nicht lediglich zu einer verhältnismäßig geringfügigen Erhöhung der Kosten gekommen. Vielmehr führt die geänderte Abmahnpraxis der Klägerin und der mit ihr verbundenen Gesellschaften dazu, dass der Unterlassungsschuldner nunmehr wegen der anfallenden Erhöhungsgebühren (§ 6 BRAGO a.F.) mit – gegenüber einer Abmahnung durch einen Gläubiger - mehr als doppelt so hohen Kosten belastet wird. Angesichts des Umstandes, dass ein hinreichender sachlicher Grund für die Änderung der bisherigen Verfahrensweise in Bezug auf die Verfolgung von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen durch die Klägerin nicht ersichtlich ist, hält die Kammer hier die in Form einer gemeinsamen Abmahnung erfolgte Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs für rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG a.F.

Folge des Missbrauchs ist die materiell-rechtliche Unwirksamkeit der Abmahnung (Köhler/Piper, UWG, 3. Auflage, § 13 Rn. 56; Terplitzky, Wettbewerbsrechtliche An¬sprüche, 7. Auflage, 13. Kap., Rb. 53). An die unwirksame und damit unbeachtliche Abmahnung können keine für den Abgemahnten negativen Rechtsfolgen geknüpft werden (Köhler/Piper a.a.O.). Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz für eine miss¬bräuchliche Abmahnung besteht nicht (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, § 13 UWG, Rn. 47; Fezer-Büscher, UWG, § 8 Rn. 242; Köhler/Piper a.a.O.: Terplitzky, a.a.O.) Eine Abmahnung, die vorwiegend dazu dient, einen solchen An¬spruch zu erlangen, entspricht weder dem Interesse, noch dem Willen des Abgemahnten (BGH, GRUR 2002, 357).

Die genannten Umstände führen auch nicht dazu, dass die Klage nur in Höhe der Erhöhungsgebühren gern. § 6 BRAGO von 1.176,80 € unbegründet ist. Ebenso wie bei einer rechtsmissbräuchlichen Mehrfachabmahnung sämtliche Abmahnungen unwirksam sind (vgl. KG, NJWE-WbR 1998, 160), ist auch die gemeinsame Abmahnung insgesamt unwirksam und lässt den Aufwendungsersatzanspruch jedes Abmahnenden entfallen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Unterschriften