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Keine Abmahnkosten für Tochtergesellschaften - AG Lübbecke, Urteil vom 31.05.2005, Az.: 3 C 314/04

Leitsätzliches

Es besteht kein Kostenerstattungsanspruch bei einer Abmahnung, wenn ein Konzernunternehmen für seine Tochtergesellschaften die jeweiligen Kosten einer einheitlich übersandten anwaltlichen Abmahnung geltend macht. Eine solche Abmahnung ist mißbräuchlich im Sinne von § 13 Abs. 5 UWG a.F.

AMTSGERICHT LÜBBECKE

URTEIL


Aktenzeichen: 3 C 314/04

Entscheidung vom 31. Juni 2005

In dem Rechtsstreit des

...

gegen

...

hat das Amtsgericht Lübbecke auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2005 durch ...

für Recht erkannt:

 

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.


Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Abmahnung vom 27.03.2004 (Bl. 11 -14 d. A.) in Anspruch. In der Abmahnung heißt es u. a.: „zeige ich an, dass ich die Spielbank ..., das CASINO ..., das CASINO ..., das CASINO ..., das CASINO ... und das CASINO ... vertrete. Ich versichere auf mich lautende Vollmacht. Meine Mandantin, die Fa. Spielbank ..., ist Betreibergesellschaft sämtlicher vorbezeichneten staatlichen Casinos." Mit Schriftsatz vom 25.01.2005 (Bl. 81 ff. d. A.) legte die Klägerin die Ermächtigung vom 30.08.2004 (Bl. 85 d. A.) vor und erklärte, sie mache den Unterlassungsanspruch im Wege gewillkürter Prozeßstandschaft geltend.

Auf einer näher bezeichneten Internetseite unter der Domain des Beklagten wurde, wie im Rahmen einer Recherche im Internet festgestellt wurde, ein in Deutschland nicht konzessioniertes Online-Casino beworben, und zwar das „1 Lucky Gambler Casino".

Die Klägerin mahnt seit ca. 1 Jahr diverse Webseiten ab, die auf fremde Glücksspielseiten linken. Dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten sind über 30 Fälle (Aufstellung BL 44 d. A.) bekannt. Zunächst mahnte die Klägerin (nur) im eigenen Namen ab; seit kurzem wird sie auch im Namen ihrer 5 Tochtergesellschaften tätig. Aus dem Log-File des Beklagten ergibt sich, daß wie folgt recherchiert wurde: Der jetzige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin gab zunächst bei der bekannten Suchmaschine Google die Begriffe „intertops casino site:de" ein. Durch die Eingabe „site:de" wird erreicht, daß nur deutsche bzw. deutschsprachige Seiten als Ergebnis angezeigt werden. Aufgerufen wurde die Webseite des Beklagten am 26.03.2004 um 18:28 Uhr. Die streitigen Unterseiten wurden nur wenige Sekunden später gezielt angesurft. Nach Aufruf der Impressum-Seite, um Namen und Adresse des Beklagten in Erfahrung zu bringen, fertigte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin schließlich die Abmahnung (Schriftsatz vom 27.03.2004).

Mit Schriftsatz vom 05.04.2004 ließ der Beklagte - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - die geforderte Unterlassungserklärung vorlegen und den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch sowie weitere Ansprüche zurückweisen.

Von einem Streitwert in Höhe von 50.000,00 € ausgehend macht die Klägerin für die Abmahnung neben einer 7,5/10 Geschäftsgebühr (784,50 €) eine weitere 11,3/10 Gebühr (1.176,80 €) mit dem Zusatz „§§ 11, 6, 31 l 1 BRAGO mehrere Auftraggeber" geltend. Summe: 1.981,30 €.

Die Klägerin beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.981,30 € nebst 5 % Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er habe sich zu keiner Zeit im geschäftlichen Verkehr bewegt, bei der von ihm ins Netz gestellten Webseite handele es sich um ein bloßes Linkverzeichnis für jedermann, das allen Surfern kostenlos zur Verfügung gestanden habe. Der Anspruch sei, so meint der Beklagte, aber auch deshalb nicht berechtigt, weil die Klägerin aus dem alleinigen oder überwiegenden Grund der Kostenerstattung abgemahnt habe (rechtswidrige Massenabmahnungen).

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze sowie die zu den Gerichtsakten überreichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unzulässig.

Der Kostenerstattungsanspruch kann gerichtlich nicht geltend gemacht werden, denn der Unterlassungsanspruch (Abmahnung vom 27.03.2004) war Gegenstand einer nach § 13 V UWG a. F. (Rechtsänderung mit Wirkung vom 07.07.2004) mißbräuchlichen Abmahnung.

Im Falle des Rechtsmißbrauchs nach § 13 V UWG a. F. kann der in Rede stehende Unterlassungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden. Es ist dem Gläubiger daher verwehrt für die Durchsetzung seiner Ansprüche gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, und zwar unabhängig davon, ob ein Rechtsmißbrauch nur in der außergerichtlichen Geltendmachung zu sehen ist oder ob auch die Klageerhebung für sich genommen die Voraussetzungen des Rechtsmißbrauchs erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2002 in GRUR 2002, Seite 359 mit weiteren Nachweisen).

Die Abmahnung namens der Klägerin und ihrer 5 Tochtergesellschaften war rechtsmißbräuchlich (§ 13 V UWG a. F.).

Als Regelbeispiel einer mißbräuchlichen Geltendmachung nennt das Gesetz den Fall, daß das Interesse des Gläubigers bzw. der Gläubiger in erster Linie darauf gerichtet ist, gegen den Schuldner einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen entstehen zu lassen. Das ist immer dann der Fall, wenn für die Abmahnung sachfremde Ziele, das Interesse, den Gegner mit möglichst hohen Kosten zu belasten, maßgeblich waren. Nach dem Vorgehen der Klägerin und der von ihr vertretenen Tochtergesellschaften ist davon auszugehen, daß der Beklagte mit möglichst hohen Kosten belastet werden sollte. Geltend gemacht werden 1.981,30 € (Vertretung mehrerer Auftraggeber nach einem Streitwert von 50.000,00 €). Für die Abmahnung nur namens der Klägerin wären - unterstellt, der Geschäftswert wäre, wie die Klägerin meint, mit 50.000,00 € in Ansatz zu bringen - 784,50 € angefallen. Vernünftige Gründe - die Abmahnung durch ein Konzernunternehmen reicht in der Regel aus, denn durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung entfällt im Allgemeinen auch im Verhältnis zu anderen Gläubigern die Wiederholungsgefahr-, die den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs ausschließen, sind nicht ersichtlich. Der Vergleich der Gebühren zeigt, daß die für den Schuldner schonendste Vorgehensweise nicht gewählt wurde (vorausgesetzt, die Einschaltung eines Rechtsanwalts wäre zu tolerieren). Insoweit darf zudem nicht außer Betracht bleiben, daß die Klägerin Betreibergesellschaft der 5 in ... konzessionierten Spielbanken ist und unter Berücksichtigung der Anzahl der bereits erfolgten Abmahnungen über die erforderliche Sach- und Fachkunde, bezogen auf den unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoß, den sie dem Beklagten anlastet, verfügt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 06.05.2004 in GRUR 2004, Seite 789); die Kosten hätten sich in dem Fall (Abmahnung durch die Geschäftsführer der Klägerin) auf weniger als 50,00 € belaufen. Die durch einen Rechtsanwalt koordinierte Abmahnung vom 27.03.2004 in Vertretung mehrerer Gläubiger stellt nach allem einen nicht zu tolerierenden Mißstand dar, der dem Schuldner den Weg einer kostengünstigen außerprozeßualen Erledigung verstellt hat. Die strenge Rechtsfolge - der Anspruch darf insgesamt klageweise nicht geltend gemacht werden - ist im Hinblick auf die mit der mißbräuchlichen Abmahnung namens mehrerer Gläubiger verbundenen Gefahren angemessen (vgl. BGH aaO, Seite 360). Die Voraussetzungen eines (noch) zu tolerierenden Ausnahmefalls sind nicht gegeben. Der Bundesgerichtshof hält lediglich die Abmahnung namens zweier Konzernschwestern für zulässig, und zwar mit dem Argument, die Kosten erhöhten sich nur in verhältnismäßig geringem Umfang. Von einer geringen Erhöhung der Kosten kann hier indes - geltend gemacht werden 250 % der Kosten, die bei einer Abmahnung namens der Klägerin angefallen wären - keine Rede sein.

Der auch der Höhe nach streitige Anspruch kann von der Klägerin mithin weder unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag noch des deliktischen Schadensersatzes geltend gemacht; die Klage ist nicht zulässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Ziff. 11,711 ZPO.

Unterschriften