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Oberlandesgericht Thüringen, Urteil v. 22.04.2015, Az.: 2 U 738/14

Leitsätzliches

Die Verwendung eines Liedes im Zusammenhang mit einer parteipolitischen (Wahlkampf-)Veranstaltung kann einer Urheberrechtsverletzung nach § 14 UrhG darstellen.

 

 

 

 

OBERLANDESGERICHT THÜRINGEN

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

vom: 22. April 2015

Aktenzeichen: 2 U 738/14

 

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

 

- Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin -

 

gegen

 

- Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte –

 

f ü r   R e c h t   e r k a n n t :

Die Berufung der Verfügungsbeklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 13.10.2014, Az. 3 O 1139/14, wie folgt neu gefasst wird:

Die einstweilige Verfügung vom 05.09.2014 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Verfügungsbeklagte verurteilt wird, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollstrecken an ihrem Vorsitzenden K..., zu unterlassen, auf Wahlkampfveranstaltungen ohne Zustimmung der Gesellschafter der Verfügungsklägerin deren Lieder “J...“ und „W...“ öffentlich wiederzugeben und/oder wiedergeben zu lassen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Der Rechtsstreit betrifft Unterlassungsansprüche betreffend die Wiedergabe von zwei Liedern der Gesangsgruppe „H...“ (“J...“ und „W...“) bei Wahlkampfveranstaltungen der Verfügungsbeklagten. Die Verfügungsklägerin hat eine Verletzung des Urheberrechts geltend gemacht. Das Landgericht hat eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Unterlassungsverfügung nach mündlicher Verhandlung mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass es der Verfügungsbeklagten untersagt wird, auf Parteiveranstaltungen, insbesondere Wahlkampfveranstaltungen ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin die Lieder “J...“ und „W...“ öffentlich aufzuführen und/oder aufführen zu lassen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten, die eine Aufhebung des Urteils und eine Zurückweisung des Verfügungsantrags begehrt. Die Verfügungsklägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommenen Antragsmodifizierung.  Im Übrigen wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 542 Abs.2 ZPO von der Darstellung des Sach- und Streitstandes  abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die landgerichtliche Entscheidung ist nach Maßgabe der  in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommenen Antragsmodifizierung nicht zu beanstanden. In dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfange folgt der Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin aus §§ 97 Abs. 1, 14 UrhG wegen der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts. Inwieweit die Verfügungsbeklagte Verwertungsrechte verletzt hat, die von dieser geltend gemacht werden können, kann dahinstehen.

1.

Die Verfügungsklägerin ist prozessführungsbefugt.

Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die Verfügungsklägerin eigene Rechte in eigenem Namen geltend machen würde. Urheber eines Werkes kann nur eine natürliche Person sein. Haben - wie im vorliegenden Falle - bei der Schaffung eines Werkes mehrere natürliche Personen mitgewirkt, so bilden diese aufgrund des Aktes der gemeinschaftlichen Werkschöpfung kraft Gesetzes eine Miturhebergemeinschaft. Das Urheberpersönlichkeitsrecht erwächst jedoch nach überwiegender Auffassung (vgl. Schricker/Loewenheim § 8 UrhG Rn. 10) in der Person jedes einzelnen Urhebers und verbleibt, soweit § 8 Abs. 2 UrhG nicht etwas Besonderes für die Veröffentlichung regelt, auch in der Person des einzelnen Urhebers (aA nur Möhring/Nicolini/Ahlberg § 8 UrhG Rn. 19). Diese Miturhebergemeinschaft macht die streitgegenständlichen Ansprüche jedoch nicht geltend, sondern ausweislich der Parteibezeichnung die „H... GbR“. Insoweit besteht zwischen den einzelnen Urhebern folglich auch eine Miturhebergesellschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Inhalt dieser Gesellschaft in Bezug auf die Wahrnehmung von Urheberrechten ist aber nicht vorgetragen und kann entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht aus den Umständen geschlossen werden. Allein aus dem möglichen Zweck der GbR, die Verwertung von Nutzungsrechten zu bündeln, lässt sich die Ermächtigung zur Geltendmachung von Urheberpersönlichkeitsrechten nicht herleiten.

Die Verfügungsklägerin ist jedoch aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft prozessführungsbefugt und damit auch befugt, fremde Urheberpersönlichkeitsrechte in eigenem Namen gerichtlich geltend zu machen.

Eine entsprechende Ermächtigung der Träger des Rechts liegt vor. Die Verfügungsklägerin hat durch die eidesstattliche Versicherung vom 24.3.2015 zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht, dass sie zumindest von den Gesellschaftern F... und Kr... zur Geltendmachung von Urheberpersönlichkeitsrechten ermächtigt wurde. Die Ermächtigung durch zwei Miturheber ist ausreichend. Die Geltendmachung von urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnissen unterliegt nämlich nicht der gesamthänderischen Bindung sämtlicher Miturheber, sondern Urheberpersönlichkeitsrechte können von jedem einzelnen Urheber geltend gemacht werden (vgl. OLG Nürnberg ZUM 1999, 656), weshalb auch die Ermächtigung zur Geltendmachung von Persönlichkeitsrechten nicht durch alle Miturheber erfolgen musste.

Die Verfügungsklägerin als Prozessstandschafterin besitzt das erforderliche rechtliche Eigeninteresse. Die Klägerin ist ein Zusammenschluss der Miturheber auf gesellschaftsvertraglicher Basis, die als Inhaberin von Nutzungsrechten unzweifelhaft Rechte ihrer Mitglieder wahrnehmen soll. Daraus folgt bei gesellschaftsvertraglich verbundenen Miturhebern das schutzwürdige Interesse der Verfügungsklägerin, nicht nur eine unbefugte (wirtschaftliche) Nutzung unveränderter Werke, sondern auch eine unberechtigte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtsrechts, die auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Verwertung haben kann (s. dazu unten unter II. 2. C dd) zu verhindern (vgl. BGH GRUR 2014, 65 Rn. 25 - Beuys-Aktion).

Die Gesellschaft weist im vorliegenden Fall auch deshalb eine ausreichende, aber auch erforderliche Nähe zu den Persönlichkeitsrechten der Urheber auf (vgl. Fromm/Nordemann /Jan Bernd Nordemann § 97 UrhG Rn. 141), weil sie - unbeschadet des genauen Gesellschaftszweckes - ausschließlich aus den Miturhebern selbst besteht. Der Möglichkeit zur Prozessstandschaft bei der Geltendmachung von Urheberpersönlichkeitsrechten steht deshalb nicht entgegen, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht grundsätzlich nicht übertragbar oder abtretbar ist (vgl. dazu BGH GRUR 1983, 379, 381 - Geldmafiosi), solange - wie hier - die Befugnis zur Geltendmachung von urheberpersönlichkeitsrechtlichen Ansprüchen erteilt wurde (so auch BGH GRUR 2010, 220 Rn. 26 - Klingeltöne für Mobilfunktelefone II; BGH GRUR 1999, 230, 231 - Treppenhausgestaltung).

Die Verfügungsbeklagte wird durch die Prozessführung durch die Verfügungsklägerin auch nicht unzumutbar in eigenen schutzwürdigen Belangen beeinträchtigt.

2.

Die streitgegenständlichen, von den Gesellschaftern der Verfügungsklägerin komponierten Lieder genießen zweifelhaft Urheberrechtsschutz gem. § 2 Abs. Abs. 2 UrhG bzw. gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG soweit der Text betroffen ist. Die Gesellschafter als Urheber, insbesondere auch die ermächtigenden Urheber F... und Kr..., haben deshalb nach § 14 UrhG das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung ihrer Werke zu verbieten, die aus der Sicht eines unbefangenen Betrachters geeignet ist, ihre berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.

a)

§ 14 UrhG ist nicht nur bei direkten Beeinträchtigungen anwendbar (Entstellung der Darbietung oder Eingriff in die auf CD fixierte Darbietung), sondern auch bei indirekten Beeinträchtigungen. In diesen Fällen bleibt die (fixierte) Darbietung zwar unangetastet, jedoch wird sie in einen für den ausübenden Künstler nachteiligen Zusammenhang gestellt, der für eine Ruf- oder Ansehensgefährdung geeignet ist (Schricker aaO. Rn. 30). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Die Verfügungsbeklagte hat die Wiedergabe der Lieder der Gesellschafter der Verfügungsklägerin in den Zusammenhang mit ihrem politischen Wahlkampf gestellt. Die Veranstaltung, während der die Darbietung abgespielt wurde, fand nicht nur in zeitlichem Zusammenhang mit dem Landtagswahlkampf 2014 in T... statt, sondern stellte auch wegen der Kombination von politischen Reden und Verteilen von Werbematerial eine Wahlkampfveranstaltung einer politischen Partei dar. Unzweifelhaft gegeben sind daher der parteipolitische Charakter der gesamten Veranstaltung und die Integration der musikalischen Darbietungen in die laufende politische Wahlkampfveranstaltung.

Die Verfügungsbeklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, die Lieder seien lediglich - zusammen mit einigen anderen - als „Pausenfüller“ eingespielt worden und hätten (anders als z.B. ein mottomäßiges „Intro“) mit den politischen Inhalten der Veranstaltung nichts zu tun, sondern nur der Unterhaltung gedient. Denn aus den unstreitigen Umständen des Falles ergibt sich, dass die Lieder während der Wahlkampfveranstaltung wiedergegeben wurden. Immerhin wurden sie nach dem eigenen Vortrag der Verfügungsbeklagten nach der Rede des Landesvorsitzenden eingesetzt, als dieser sich nach seiner Rede zu Gesprächen mit Bürgern begeben hatte. Die wiedergegebene Musik diente also als „Begleitmusik“ für den Auftritt der Verfügungsbeklagten und ihres Landesvorsitzenden, und zwar in der Phase der Veranstaltung, in der der Landesvorsitzende Kontakt mit umworbenen Wählerinnen und Wählern aufnehmen wollte. Für die Herstellung eines Zusammenhangs ist nicht erforderlich, dass das Lied einen Redebeitrag oder Aufzug untermalen müsste. Vielmehr steht ein während einer noch andauernden Wahlkampfveranstaltung eingesetztes Mittel, also auch die Wiedergabe eines aufgezeichneten Liedes, stets in Zusammenhang mit dieser Veranstaltung.

In den Zusammenhang mit einer parteipolitischen (Wahlkampf-)Veranstaltung gestellt zu werden, unterfällt dem Tatbestand einer anderen, nämlich mittelbaren Beeinträchtigung im Sinne von § 14 UrhG. Die mittelbare Beeinträchtigung liegt zum einen in dem Zusammenhang mit einer Werbeveranstaltung (vgl. dazu BGH GRUR 1979, 637 zur Kopplung einer Darbietung mit einem Warenangebot). Zum anderen liegt eine besondere Form der mittelbaren Beeinträchtigung darin, dass die Darbietung der Verfügungskläger als Instrument im politischen Wahlkampf verwendet wurde (vgl. ähnlich OLG Frankfurt GRUR 1995, 215; LG München UFITA 1987, 342;  Schricker/Dietz/Peukert § 14 UrhG Rn. 28).

b)

Verboten werden kann allerdings nur diejenige andere Beeinträchtigung, die geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen der Urheber am Werk zu gefährden. Grundsätzlich wird angenommen, dass bei Vorliegen einer Beeinträchtigung die Gefährdung des Rufs oder Ansehens indiziert wird (OLG München GRUR Int. 1993, 332). Es kann dahinstehen, ob diese Indizwirkung nicht in Fällen der lediglich indirekten Beeinträchtigung im Sinne von § 14 UrhG gilt (so für § 75 UrhG: Schricker/Loewenheim/Vogel aaO. Rn. 31). Denn jedenfalls ist aufgrund der unstreitigen Umstände des Falles eine Gefährdung der berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zur Überzeugung des Senats ausreichend glaubhaft gemacht.

Für die Frage, ob die mittelbare Beeinträchtigung geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden, ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass es nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein unvoreingenommener Durchschnittsbeobachter aufgrund der Wiedergabe des Werkes der Gesellschafter der Verfügungsklägerin bei der Veranstaltung der Verfügungsbeklagten annimmt, dass die Gesellschafter der Verfügungskläger, also die Gruppe „H...“ im Wahlkampf der Verfügungsbeklagten (zumindest duldend) mitwirken oder aber auch nur ihren politischen Überzeugungen nahesteht (ähnlich auch LG München aaO.). Gedankliche Assoziationen sind für die Eignung zur Interessensgefährdung ausreichend (vgl. hierzu auch BGHZ 30, 7 - Caterina Valente). Daher ist es auch ausreichend, dass die Assoziation der Verbundenheit von Urhebern mit dem Veranstalter der Wahlkampfveranstaltung durch das allgemeine Publikum zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Es bedarf keiner Feststellungen, dass eine Beeinträchtigung tatsächlich bzw. mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit vorliegt.

Die entsprechende Assoziation kann im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden. Es mag zwar Durchschnittsbeobachter geben, die das Einspielen von Liedern während einer politischen Wahlkampfveranstaltung nur als „irgendwo herrührende Unterhaltungsmusik“ bzw. „Geräuschkulisse“ empfinden und Näheres aufgrund einer sowieso nicht unüblichen Reizüberflutung gar nicht wahrnehmen. Es ist aber jedenfalls nicht auszuschließen, dass es auch unvoreingenommene Durchschnittsbeobachter gibt, die sich die Frage stellen werden, was denn die Wiedergabe der Werke der Gesellschafter der Verfügungsklägerin mit der Verfügungsbeklagten und deren politischen Ideen zu tun habe.

Das Hineinstellen in den Zusammenhang mit dem Werben einer politischen Partei, und sei es nur durch einen Transfer der von den Werken ausgehenden Stimmung, ist besonders geeignet, die Interessen der Urheber zu beeinträchtigen, weil gerade die politische Überzeugung ein Bereich ist, innerhalb dessen sich zu positionieren jedem Einzelnen selbst überlassen werden muss (so auch LG München, Beschluss vom 31.8.2005, Az. 7 O 17167/05, nicht veröff.). Darauf, um welche politische Partei es sich handelt, kommt es nach der Auffassung des Senats dabei nicht maßgeblich an.

c)

Eine vorzunehmende Interessenabwägung (Fromm/Nordemann/Dustmann § 14 UrhG Rn. 21 ff.; Dreier/Schulze § 14 UrhG Rn. 16 ff.), führt dazu, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht der Gesellschafter der Verfügungsklägerin überwiegt.

(aa)

Im Rahmen der Abwägung ist die zumindest durchschnittliche Leistungshöhe der Werke der Gesellschafter der Verfügungsklägerin, bei denen es sich um Werke aus dem Bereich der Popularmusik handelt, zu berücksichtigen.

(bb)

Wirtschaftliche (oder sonstige) besondere Verwertungsinteressen der Verfügungsbeklagten sind nicht ersichtlich. Die Verfügungsbeklagte ist nicht darauf angewiesen, gerade die Darbietung der Gesellschafter der Verfügungsklägerin bei ihren politischen (Wahlkampf-)Veranstaltungen abzuspielen.

(cc)

Von Bedeutung im Rahmen der Interessenabwägung ist die Art und Intensität des Eingriffs durch die Verfügungsbeklagte.

Die Intensität des Eingriffs ist vorliegend nicht unerheblich. Daran ändert nichts, dass die Werke nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Aufzug der Protagonisten der Verfügungsbeklagten oder gleichzeitig mit deren Reden gespielt wurden. Denn die Darbietung wurde jedenfalls - wie ausgeführt -  in den unmittelbaren Zusammenhang mit einer Wahlkampfveranstaltung einer politischen Partei gestellt. Bei den Wahlkampfveranstaltungen der Verfügungsbeklagten bestand auch ein besonderer Öffentlichkeitsbezug. Das Hineinstellen der Darbietung in den politischen Zusammenhang fand, wie gerichtsbekannte Anfragen von Medienvertretern belegen, keinesfalls „unerkannt“ statt.

(dd)

Der Umstand, dass die Gesellschafter der Verfügungsklägerin in Zusammenhang mit einer politischen Partei gebracht werden können, insbesondere dann, wenn deren Ziele nur von einem geringen Teil der Bevölkerung und von den Gesellschaftern der Verfügungsklägerin erklärtermaßen nicht geteilt werden, kann schließlich auch mit wirtschaftlichen Nachteilen für die Verfügungsklägerin und deren Gesellschafter verbunden sein (vgl. grundlegend BGH GRUR 2000, 709 - Caterina Valente; und ähnlich BGH NJW 2010, 3362).

(ee)

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten gebietet § 52 Abs. 1 Satz 1 UrhG - unbeschadet der Frage, ob dessen Voraussetzungen vorliegend überhaupt erfüllt sind - keine einschränkende Auslegung. Die nur an eine Vergütungspflicht gekoppelte, ansonsten zustimmungsfrei zulässige öffentliche Wiedergabe eines Werkes bedeutet nicht, dass der Urheber in irgendeiner Form Beeinträchtigungen konkludent zugestimmt hätte. Eingriffsbefugnisse von Nutzern werden von gesetzlichen Lizenzen wie der des § 52 Abs. 1 UrhG nicht umfasst.

Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von der Konstellation, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „Oberammergauer Passionsspiele II“ (GRUR 1989, 106) zu entscheiden hatte. Dort hatte der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass die Frage der Entstellung im Sinne von § 14 UrhG bei Veränderungen, die im Zuge einer genehmigten Bearbeitung erfolgen, anders zu beurteilen sei als bei anderen Eingriffen.

Insofern hat der Bundesgerichtshof die Bedeutung einer Interessenabwägung im Einzelfall je nach gestatteter Werknutzung betont. Die von Gesetzes wegen gestattete Nutzung eines Werkes in Form der öffentlichen Wiedergabe hat aber mit der Gestattung von irgendwelchen Eingriffs- und Änderungsbefugnissen nichts zu tun. Deshalb hat es auch keine Bedeutung, wenn das Gesetz eine bestimmte Art der Verwertung grundsätzlich gestattet und nur an eine Vergütungspflicht knüpft. Denn die persönlichkeitsrechtlichen Aspekte werden von der bloßen Nutzung in Form der (unveränderten) öffentlichen Wiedergabe nicht tangiert, wohl aber durch die Nutzung in einem bestimmten, ungewollten Zusammenhang. Konkludent zugestandene Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht lassen sich deshalb aus der gesetzlichen Lizenz nach § 52 Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht herleiten.

Die gesetzliche Lizenz nach § 52 Abs. 1 Satz 1 UrhG stellt entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten auch keine „Schranke“ in Bezug auf Beeinträchtigungen im Sinne des § 14 UrhG dar. Notwendige (vgl. nur  BGH GRUR 2010, 62 - Nutzung von Musik für Werbezwecke) vertragliche Absprachen mit Verwertern der Urheberrechte der Gesellschafter der Verfügungsklägerin, die eine Nutzung zu Werbe- oder politischen Zwecken zuließen sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Auch aus den Grundsätzen der Zweckübertragungsregel (vgl. § 31 Abs. 5 UrhG) folgt nichts anderes, denn selbst die Ausübung der der Verfügungsbeklagten umfassend übertragenen Verwertungsrechte und Nutzungsmöglichkeiten findet ihre Grenze im Persönlichkeitsrecht (OLG Frankfurt GRUR 1995, 215). § 11 WahrnG hat dann keine entscheidende Bedeutung, weil es nicht um Nutzungsrechte, sondern um die Geltendmachung von Urheberpersönlichkeitsrechten geht.

Auch eine nachträgliche Billigung seitens der Verfügungskläger liegt nicht vor, vielmehr wenden diese sich ganz ausdrücklich gegen die Verwertung im Zusammenhang mit dem Wahlkampf der Verfügungsbeklagten. Die Verfügungsbeklagte hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsklägerin die Nutzung ihrer Darbietung bei anderen politischen Parteien duldet.

(ff)

Eine andere Abwägung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Verfügungsbeklagte sich auf verfassungsrechtliche Privilegien als politische Partei nach Art. 21 Abs. 1 GG, § 1 PartG berufen könnte. Gleichbehandlung und gleiche Wettbewerbschancen der politischen Parteien sind nicht durch eine staatliche Maßnahme beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 44, 125 Rn. 57 - 61). Vielmehr machen die Gesellschafter der Verfügungsklägerin als Privatpersonen Ansprüche aus ihnen zustehenden Persönlichkeitsrechten auf dem gebotenen Zivilrechtsweg geltend. Aber auch eine Drittwirkung von den Parteien zuzubilligenden Grundrechten oder von Art. 21 Abs. 1 GG führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei ist schon fraglich, ob § 14 UrhG seinem Sinn und Zweck entsprechend, die Persönlichkeitsrechte von Urhebern zu schützen, überhaupt Einfallstor für eine mittelbare Drittwirkung von Art. 21, 3 Abs. 3 GG sein kann.

Selbst wenn man aber bei der gebotenen Interessenabwägung im Rahmen von § 14 UrhG die Bedeutung der Art. 21 Abs. 1, 3 Abs. 3 GG berücksichtigt, führt dies nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Die Verfügungsbeklagte wird durch ein von der Verfügungsklägerin erwirktes Verbot zunächst nicht grundsätzlich bei ihrer Teilnahme am politischen Willensbildungsprozess bzw. am Wahlkampf als solchem gehindert oder in ihren Wettbewerbschancen gegenüber anderen politischen Parteien behindert. Es handelt sich auch nicht um eine unzulässige inhaltliche Reglementierung des Wahlkampfes der Verfügungsbeklagten. Im Wahlkampf, für den ein freier und offener politischer Prozess besonders wichtig ist, und in dem der politische Meinungskampf auf das Höchste intensiviert ist, kommt der Meinungsfreiheit zwar eine unverzichtbare Bedeutung zu.  Die politischen Parteien nehmen die ihnen durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG gestellte Aufgabe als Wahlvorbereitungsorganisationen wahr. Diese Aufgabe verträgt wegen ihrer Wichtigkeit für den politischen Meinungskampf prinzipiell keine inhaltlichen Reglementierungen. Deshalb dürfen Beschränkungen der Meinungsfreiheit nicht auf einer inhaltlichen Bewertung der Äußerung oder des Trägers aufbauen (vgl. BVerfG NJW 2001, 2957 Rn. 23). Anders als in dem vom Bundesverfassungsgericht (aaO.) entschiedenen Fall wird vorliegend nicht eine Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) zu Wahlkampfwerbezwecken verwendet, sondern eine urheberrechtsschutzfähige, künstlerische Leistung von Dritten, die ebenfalls Grundrechtsschutz genießen (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG) und die nicht zum Zwecke der politischen Willensbildung zugunsten der Verfügungsbeklagten eingesetzt werden soll. Die politische Willensbildung i.S.d. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG konkretisiert sich im hier zu entscheidenden Falle deshalb gar nicht durch die Inanspruchnahme der künstlerischen Leistungen der Verfügungskläger. Im Ergebnis bleibt es also im Rahmen einer Interessenabwägung dabei, dass die Interessen der Verfügungsbeklagten nicht gegenüber den persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Gesellschafter der Verfügungsklägerin überwiegen.

d)

Daher ist insgesamt eine Beeinträchtigung der Werke der Gesellschafter der Verfügungskläger glaubhaft gemacht, die geeignet ist, deren berechtigte geistige oder persönliche Interessen am Werk zu gefährden (§ 14 UrhG).

e)

Die für den Unterlassungsanpruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist nicht deshalb entfallen, weil der T... Landtagswahlkampf beendet ist. Denn weitere Wahlkampfveranstaltungen der Verfügungsbeklagten sind zu erwarten. Im Übrigen besteht bereits Begehungsgefahr deshalb, weil die Verfügungsbeklagte allein durch ihr außergerichtliches und prozessuales Verhalten, das nicht nur lediglich der Rechtsverteidigung diente, zu erkennen gegeben hat, zum Abspielen des Liedes im Zusammenhang mit ihren (auch zukünftigen) politischen (Wahlkampf-)Veranstaltungen berechtigt zu sein.

3.

Der beantragte und vom Landgericht ausgesprochene Tenor bezog sich auf die öffentliche Aufführung der Lieder. Nach § 19 Abs. 2 UrhG bedeutet dies die Darbietung eines Werkes der Musik durch persönliche (Live-)Darbietung. Das verfehlt aber die behauptete Verletzungsform, weil die Komposition der Verfügungskläger - unstreitig - nicht persönlich dargeboten wurde, sondern durch Tonträger wiedergegeben wurden (§ 21 UrhG). Die Änderung des Antrages durch die Verfügungsklägerin aufgrund des Hinweises durch den Senat ist zumindest sachdienlich (§ 263 ZPO entspr.). Ein Teilunterliegen der Verfügungsklägerin ist hierin nicht zu sehen.

Soweit die Verfügungsklägerin ihren Antrag klarstellend auf die öffentliche Wiedergabe bei Wahlkampfveranstaltungen beschränkt hat, mag darin gegenüber dem Unterlassungsbegehren, das sich allgemein auf Parteiveranstaltungen bezog, eine teilweise Antragsrücknahme liegen, soweit es ausnahmsweise auch Parteiveranstaltungen geben kann, die nicht Wahlkampfveranstaltungen sind. Dieser hat die Verfügungsbeklagte jedoch zugestimmt. Die Antragsrücknahme ist zudem, weil es jedenfalls immer um das Untersagen der öffentlichen Wiedergabe von eigenen Werken geht, verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten verursacht.

Die Kostenentscheidung folgt daher insgesamt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.