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Nutzung von SIM-Karten für Carrier-Gespräche - OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.09.05, Az.: VI-U (Kart) 10/05

Leitsätzliches

Mobilfunkanbieter muss die Nutzung der einem Telekommunikationsanbieter für sog. Carrier-Telefongespräche überlassenen SIM-Karten nicht dauerhaft gestatten

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

URTEIL

Aktenzeichen: VI-U (Kart) 10/05

Entscheidung vom: 28. September 2005

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

hat der VI-U. Senat des Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom ... durch ... für Recht erkannt:

 

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Dezember 2004 verkündete Urteil der 8.Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Beschwer der Klägerin und der Streitwert für das Berufungsverfahren werden auf 357.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Untersagung der Nutzung von SIM-Karten zum Betrieb von Mobilfunktelefonen in sog. GSM-Wandlern im Rahmen des Überlassungsvertrags der Parteien zulässig war.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, ohne dabei ein eigenes Netz zu betreiben. Sie leitet sog. Carrier-Telefongespräche ihrer Kunden an Mobilfunkteilnehmer weiter, indem sie die an sie aus anderen Telekommunikationsnetzen (Festnetz) übermittelten Gespräche der Kunden mittels eines GSM-Wandlers in mobilfunkgeeignete Gespräche umwandelt und in dem betreffenden Mobilfunknetz an die Zielteilnehmer weiterleitet.

Nachdem die Klägerin mit einer Vertriebshändlerin der Beklagten, der P. & C. K. V. GmbH in S. (im Folgenden P. & C.), am 14.11.03 einen Vertrag über die Überlassung von 179 Mobilfunkkarten (SIM-Karten) T-D.-.-Cards geschlossen hatte, setzte sie diese in sogenannte GSM-Wandler ein. Auf diese Weise konnte die Klägerin Festnetzgespräche ihrer Kunden in das Mobilfunknetz der Beklagten terminieren und darauf an die Zielteilnehmer weiterleiten. Dabei nutzte sie die vereinbarten Tarife der Beklagten, ohne weitere Zusammenschaltgebühren zu entrichten, die für eine Einspeisung von Festnetzgesprächen Dritter in Mobilfunknetze üblich sind.

Als die Beklagte von dem Einsatz der SIM-Karten in den GSM-Wandlern Kenntnis erlangt hatte, deaktivierte die Beklagte die Mobilfunkkarten. Die Klägerin erwirkte daraufhin die (erneute) Freischaltung der Mobilfunkkarten aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts B. vom 16. 12. 2003. Die reaktivierten SIM-Karten sind bis heute freigeschaltet.

Die Beklagte hat die mit der Klägerin über die Überlassung der Karten geschlossenen Verträge unter dem 16. 2. 2004 mit Frist zum 30.3. 2004 gekündigt.

Die damalige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hat durch die Mitteilung Nr. 204/2004 (Anlage B 51) vom 30.06.2004 bekannt gegeben, dass sie in dem Einsatz von SIM-Boxen/GSM-Gateways zur Realisierung von Zusammenschaltungen mit Mobilfunknetzen eine nicht widmungsgemäße Nutzung von Mobilfunkfrequenzen sieht. Wörtlich heißt es:

"Der Einsatz von SIM-Boxen / GSM-Gateways zur Realisierung von Zusammenschaltungen mit Mobilfunknetzen stellt eine nicht widmungsgemäße Nutzung von Mobilfunkfrequenzen dar. Die zum Zwecke des Betriebs von Mobilfunknetzen zugeteilten Frequenzen sind dazu bestimmt, hierüber Mobilfunkdienstleistungen anzubieten. Die Frequenzen sind zur Nutzung für die mobile Kommunikation zwischen Endteilnehmern und Basisstationen zugeteilt (mobile Teilnehmeranschlußleitung). Die Realisierung von Netzzusammenschaltungen über Mobilfunkfrequenzen ist mit dem Widmungszweck dieser Frequenzen nicht vereinbar."

Die Klägerin hat behauptet, dass die Beklagte von Anfang an Kenntnis von dem geplanten Einsatz der SIM-Karten in dem GSM-Wandlern gehabt habe. Denn ihr Geschäftsführer H. habe Ende Oktober/Anfang November 2003 dem Geschäftsführer der P. & C. GmbH, Herrn H., bei den Vertragsverhandlungen ihr Geschäftsmodell dargelegt und insbesondere den Verwendungszweck der Karten und deren Einsatz in GSM-Wandlern ausführlich erläutert. Herr H. habe keine Bedenken geäußert. Den Aufträgen hätten die AGB der Beklagten von November 2002 zugrunde gelegen. Die Klägerin hat weiter behauptet, durch die Deaktivierung sei ihr ein erheblicher Schaden entstanden. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Einsatz der Karten in den GSM-Wandlern vertraglich zulässig und üblich gewesen sei. Die Beklagte verhalte sich zudem rechtsmissbräuchlich, weil diese einem ihrer Konkurrenten (G.) die streitgegenständliche Nutzung der Karten zugestanden habe. Zudem stehe der Beklagten kein ordentliches Kündigungsrecht zu.

Die Klägerin hat die folgenden Anträge gestellt:

1. Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, aufgegeben, die von ihr der Klägerin überlassenen und zeitweise gesperrten 179 T-D. . Mobilfunkkarten, deren Rufnummern sich aus der dem Antrag beigefügtem Anlage K 9 ergeben, (wieder) zu aktivieren und der Klägerin auf diese Art und Weise die Nutzung der überlassenen Mobilfunkkarten zu ermöglichen.

2. Der Beklagten wird es darüber hinaus bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, untersagt, der Klägerin überlassene Mobilfunkkarten deshalb zu sperren (d.h. zu deaktivieren) und die Herstellung von Mobilfunkverbindungen zu anderen Mobiltelefonkunden der Beklagten deshalb zu verweigern, weil die Klägerin die Mobilfunkkarten in sog. GSM-Wandler einsetzt und die Mobilfunkkarten u.a. dazu nutzt, anderen Unternehmen die Terminierung von Telekommunikationsverbindungen im Mobilfunknetz (d.h. bei einem Mobiltelefonendkunden) der Beklagten zu ermöglichen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer 1. bezeichnete Handlung bereits entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, dass sich die Klägerin - möglicherweise in kollusivem Zusammenwirken mit der P. & C. GmbH - auf einem für Endkunden bestimmten Vertriebsweg ein Produkt beschafft habe und dieses nicht als Endkunde sondern als Telekommunikationsdienstleister nutze. Die Nutzung der SIM-Karten erfolge daher in vertragswidriger Weise (Simboxing). Diese Praxis führe zu erheblichen technischen Problemen und Störungen (Kapazitätsengpässe). Die Beklagte hat darüber hinaus behauptet, dass der Bestellung der 179 SIM-Karten ihre AGB von September 2003 zugrunde gelegen hätten, in denen der Gebrauch der SIM-Karten in der Weise der Klägerin ausdrücklich verboten sei.

Das Landgericht Köln hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass zwischen den Parteien ein Endkundenvertrag zustande gekommen sei. Welche AGB der Beklagten dabei gegolten haben, könne dahingestellt bleiben, weil auch nach den AGB "Stand November 2002" ein Simboxing nicht zulässig gewesen sei. Die Parteien hätten auch keine abweichende Vereinbarung getroffen, denn keinesfalls müsse sich die Beklagte etwaige Kenntnisse des Geschäftsführers der P. & C. GmbH über das Geschäftsmodell der Klägerin als eigene zurechnen lassen. Eine Verpflichtung der Beklagten, die von der Klägerin praktizierte Nutzung der SIM-Karten zu gestatten, ergebe sich auch nicht aus wettbewerbs- und/oder kartellrechtlichen Gründen. Ein Recht zu einem vertragswidrigen Gebrauch der Karten gebe das Kartell- oder Wettbewerbsrecht nicht. Zudem versuche die Beklagte auch nicht, die Klägerin mit "wettbewerbsfremden Mitteln" als Konkurrentin auszuschalten, sondern wolle lediglich eine vertragswidrige Nutzung der Karten unterbinden. Eine Verpflichtung der Beklagten das "Geschäftsmodell" der Klägerin zuzulassen, weil ein ähnliches Modell unter Duldung der Beklagten von einem anderen Unternehmen praktiziert werde, habe nicht bestanden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Sie trägt vor, dass die Kammer in ihrer Entscheidung zu Unrecht von einem Darlegungsmangel der Klägerin bezüglich der Duldungspraktik der Beklagten gegenüber einem Konkurrenzunternehmen der Klägerin ausgegangen sei. Weiter handle es sich bei den fraglichen Überlassungsverträgen nicht um Endkundenverträge, und die streitgegenständliche Nutzung der Mobilfunkkarten sei auch nicht verboten. Das Landgericht habe zudem verkannt, dass sich die Beklagte das Wissen ihres Vertriebspartners zurechnen lassen müsse. Schließlich stelle die Verweigerung der fraglichen Kartennutzung einen Verstoß gegen nationales und europäisches Wettbewerbsrecht dar.

Die Klägerin beantragt deshalb,

unter Aufhebung des am 16.12.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az.: 88 O (Kart) 50/04, die Beklagte zu verurteilen, die von ihr der Klägerin überlassenen 179 T-D.-Karten, deren Rufnummern (MSISDN) aus der Anlage K 9 zur Klageschrift ersichtlich sind, (wieder) zu aktivieren und der Klägerin auf diese Weise zu ermöglichen, die auf die Mobilfunkkarten jeweils aufgeladenen Guthabenbeträge zur Herstellung von Mobilfunkverbindungen zu verwenden sowie die Neuaufladung der Karten zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und weist insbesondere erneut darauf hin, dass bei den zwischen den Parteien vereinbarten Verträgen die AGB von September 2003 einbezogen worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht Köln hat zu Recht festgestellt, dass sich aus dem Vertrag der Parteien nicht ergibt, dass der Klägerin eine Verwendung der SIM-Karten zur Einsetzung in GSM-Wandler zu Zwecken des SIM-Boxing gestattet ist. Dabei kann es dahin stehen, ob zwischen den Parteien die Geltung der AGB der Beklagten "Stand November 2002" oder "Stand September 2003", in denen das SIM-Boxing ausdrücklich untersagt worden ist, vereinbart wurde. Denn auch nach den AGB "Stand November 2002" war es nicht erlaubt, die SIM-Karten zu dem von der Klägerin betriebenen Zweck zu verwenden. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der AGB "Stand November 2002", doch folgt es aus einer lebensnahen Auslegung der AGB, die ergibt, dass nichts anderes als die Überlassung der SIM-Karten an Personen, die diese in ihre Mobilfunk-Telefone einsetzen, um damit zu telefonieren, gemeint ist. Es handelt sich bei den Überlassungsverträgen damit um reine Endkundenverträge, mit denen die SIM-Kartennutzung nur durch Endkunden zum Eigengebrauch vorgesehen ist. So wird aus verschiedenen Einzelpassagen der AGB "Stand November 2002" deutlich, dass von einer Verwendung im Sinne einer üblichen Handynutzung ausgegangen wird. Beispielsweise zeigt die Verwendung des Ausdrucks "Gesprächspartner", der in Ziffer 3.2.1. der AGB auf den Kunden bezogen wird, dass es der Kunde selbst sein soll, der als Endkunde mittels eines Mobilfunkendgerätes Gespräche führen soll. Dies schließt zwar nicht die vorübergehende Weitergabe des Mobilfunkgerätes an Dritte zu deren eigener Benutzung aus, wie sich bereits Ziffer 15.1 der AGB entnehmen lässt. Nicht von der vertraglich vorgesehenen Verwendung gedeckt ist aber eine Benutzung, bei der der Vertragskunde von vorneherein nicht als direkter Teilnehmer von Gesprächen aufzutreten gedenkt, sondern als bloßer Vermittler ausschließlich Telefongespräche Dritter weiterleitet. In diesem Fall tritt er nämlich im Verhältnis zum Anbieter der Karten nicht auf dessen Marktgegenseite auf, sondern als Mitwettbewerber im Wettstreit um Endkunden. Dies ist aber von dem Vertrag zur Überlassung der SIM-Karten nicht gedeckt. Diese Einschätzung wird auch gestützt durch die Tarifgestaltung der Beklagten, die auf Endkunden und deren regelmäßig zeitlich begrenzte und überdies nicht konstante Nutzungsintensität zugeschnitten ist. Der vorliegend von der Klägerin gewählte Tarif mit einer nach Zeitintervallen gestaffelten Entgeltregelung kann von der Beklagten wirtschaftlich angeboten werden, weil es bei Endkunden neben Tagen mit starker Handynutzung auch solche mit wenigen Gesprächsminuten gibt, so dass sich das ermäßigte Entgelt bei länger dauernden Gesprächen mit dem vergleichsweise hohe Anfangsentgelt bei kurzen Gesprächen ausgleicht. Genau diese bei einem vertragsmäßigen Gebrauch der Karten kalkulierbare Nutzungsschwankung wird bei der streitgegenständlichen Verwendung durch die Klägerin jedoch ausgeschaltet. Die Beklagte war vor diesem Hintergrund für die Klägerin erkennbar nicht bereit, die fragliche Tarifgestaltung auch für die Art und Weise der Nutzung durch die Klägerin zur Verfügung zu stellen. Schließlich ist festzustellen, dass durch die Terminierung von Festnetzgesprächen durch GSM-Wandler die ansonsten üblichen Gebühren für eine Zusammenschaltungsleistung umgangen werden. Wie die Beklagte überzeugend dargelegt hat, liegen diese Gebühren nämlich der Preisgestaltung im fraglichen Nutzungstarif gerade nicht zugrunde, da der Tarif ab einer bestimmten Nutzungsdauer erheblich unterhalb dieser Gebühren liegt. Auch hier zeigt sich, dass eine Umgehung der Zusammenschaltgebühren erkennbar nicht im Sinne der von der Beklagten in den AGB "Stand November 2002" gewollten Vertragsgestaltung war.

Nach alledem kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sich die Nutzung der überlassenen SIM-Karten in GSM-Wandlern aus dem Vertragswerk mit der Beklagten ergäbe.

2. Ob diese Regelung über den vertraglich vorgesehenen Gebrauch der SIM-Karten durch eine abweichende individuelle Absprache über den Vertragshändler H. geändert worden ist, die nach § 305 b BGB wirksam wäre und den AGB "Stand November 2002" vorginge, bedarf keiner Aufklärung.

Nach dem - bestrittenen - Tatsachenvortrag der Klägerin käme entgegen der Auffassung des Landgerichts eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB analog in Betracht, obwohl der Vertriebspartner - wie vorliegend - nicht als rechtsgeschäftlicher Abschlussvertreter, sondern lediglich als Vermittler der Überlassungsverträge aufgetreten ist, während der eigentliche Vertragsschluss von der Beklagten selbst vorgenommen wurde. Einer Wissenszurechnung würde auch nicht entgegenstehen, dass es sich vorliegend um ein standardisiertes Massengeschäft handelte.

Auch wenn man demgemäß unterstellt, dass die Beklagte die Art der Nutzung der SIM-Karten durch die Klägerin zunächst hinnehmen mußte, weil ihr das Wissen ihres Vertriebshändlers von dem Verwendungszweck der Karten zuzurechnen war, bedeutet das aber nicht, dass sie diese von ihr selbst nicht gewollte und ihrem Vertriebssystem fremde Nutzungsweise in jedem Fall auf Dauer hinnehmen mußte und sich unter keinen Umständen in angemessener Frist von der ihr über ihren Vertragshändler zuzurechnenden ungewollten Vertragsgestaltung lösen konnte. Dieses Recht hatte sie spätestens nachdem durch die Mitteilung der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) Nr. 204/2004 vom 30.06.2004 klar wurde, dass diese Behörde die Verwendung von SIM-Karten in der Art der Klägerin aus technischen Gründen für einen widmungsfremden Gebrauch ansieht. Unabhängig davon, welchen Rechtscharakter diese Mitteilung hat, macht sie jedenfalls deutlich, dass eine vertragliche Überlassung von SIM-Karten durch die Beklagte zum Simboxing von der RegTP als unzulässig angesehen wurde und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Der Vertrag der Parteien kann auch bei einer Zurechnung des behaupteten Wissens des Vertriebshändlers zu Lasten der Beklagten nicht dahin ausgelegt werden, dass die Beklagte die Nutzungsweise seitens der Klägerin auch dann weiter hinnehmen mußte, wenn diese Nutzungsart von der RegTP ausdrücklich als unzulässig bezeichnet wird.

Der Vertrag enthält im Hinblick auf die Verwendung der SIM-Karten zu einem nach Vertragsschluss durch die für die Beklagte zuständige Regulierungsbehörde für unzulässig angesehenen Zweck keine Regelung. Eine solche Lücke im Vertrag muss gefüllt werden, indem weitergedacht wird, was die Parteien unter Berücksichtigung von Treu und Glauben typischerweise vereinbart hätten. Da die Klägerin redlicherweise von der Beklagten nicht vertraglich verlangen kann, dass sie ihre Lizenzen durch Gestattung des Simboxing seitens der Klägerin in einer Weise weiternutzt, die von der RegTP für unzulässig gehalten wird, ist der SIM-Karten-Überlassungsvertrag nach Treu und Glauben ergänzend dahin auszulegen, dass die Beklagte das Simboxing nicht mehr weiter dulden muss, wenn dies die 'RegTP mißbilligt. Die Klägerin darf nach Treu und Glauben nicht verlangen, dass sich die Beklagte aufgrund eines Vertrages so verhält, dass sie sich ggf. Sanktionen der RegTP aussetzt. Mit welcher Frist die Beklagte die bisher geduldete Nutzungsweise hat untersagen können, bedarf keiner Erörterung, weil diese Frist jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat längst abgelaufen war und die Anträge der Klägerin sich nicht auf die Klärung der Rechtslage in der Vergangenheit zielen.

Hiernach kommt es auf die Frage, ob der Vertrag unabhängig hiervon ordnungsgemäß gekündigt worden ist und auch deshalb die Verwendung der SIM-Karten in dem Geschäftsmodell der Klägerin beendet werden muss, nicht mehr an.

3. Eine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die Nutzung der SIM-Karten in GSM-Wandlern zu erlauben, ergibt sich auch nicht aus kartellrechtlichen Erwägungen. Unabhängig davon, dass kartellrechtliche Vorgaben nicht in der Lage sein können, von einer Partei ein Verhalten zu fordern, dass von der übergeordneten Regulierungsbehörde als unzulässig angesehen wird, ist dem Landgericht Köln darin zuzustimmen, dass die Untersagung der streitgegenständlichen Kartennutzung keinen Verstoß gegen § 134 BGB wegen Verstoßes gegen europäisches oder nationales Kartellrecht darstellt. Dies wurde vom Senat in einem den Parteien bekannten ähnlich gelagerten früheren Verfahren bereits ausführlich dargelegt (Urteil vom 18.5.2005 - VI U (Kart) 7/05).

a) Hinsichtlich des nationalen Kartellrechts ist zunächst festzustellen, dass die Beklagte zwar über eine marktbeherrschende Stellung verfügt (vgl. Senatsurteil vom 18.5.2005 - VI U (Kart) 7/05 Umdruck S. 7; Senatsurteil vom 24.3.2004 - VI-U (Kart) 35/03 Umdruck Seite 10/11). Maßgeblicher sachlicher Markt ist dabei der Angebotsmarkt der Terminierung von Telefongesprächen aus dem Festnetz in das Mobilfunknetz der Beklagten. Die Heranziehung ausschließlich des Netzes der Beklagten ist vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass bestimmte Gesprächspartner, die Vertragskunden der Beklagten sind, ausschließlich über eine Vermittlung in dieses Netz erreichbar sind und somit keine Substitutionsmöglichkeiten für Anrufer dieser Kunden bestehen. Ferner können auch Betreiber von GSM-Wandlern nicht als Wettbewerber berücksichtigt werden, da diese von der Beklagten nicht als Abnehmer von SIM- Karten akzeptiert werden.

b) Allerdings liegt kein Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung vor.

aa) Dieser ergibt sich nicht aus einer Diskriminierung i. S. d. § 20 Abs. 1 2. Alt. GWB im Hinblick darauf, dass die Beklagte bestimmten Großkunden die Verwendung von GSM-Wandlern zum internen Einsatz gestattet. Diese Verwendung unterscheidet sich nämlich hinreichend von der streitgegenständlichen Benutzung durch die Klägerin, so dass es an der Tatbestandsvoraussetzung der Gleichartigkeit fehlt (vgl. Senatsurteil vom 18.5.2005 - VI U (Kart) 7/05 Umdruck S. 8/9). Der Einsatz derartiger GSM-Wandlern zum unternehmensinternen Gebrauch führt nämlich nicht dazu, dass die betroffenen Großkunden in vergleichbarer Weise eine Wettbewerberstellung gegenüber der Beklagten einnehmen. Vielmehr handelt es sich lediglich um die Vermittlung von Telefongesprächen zu betriebseigenen Zwecken. Demgegenüber nimmt die Klägerin als Telekommunikationsdienstleister eine Weiterleitung von Gesprächen Dritter vor und tritt damit in einen Wettbewerb mit der Beklagten um Endkunden. Eine Gleichartigkeit der Nutzungsarten ist damit nicht gegeben.

Das gilt auch soweit die Klägerin eine abweichende Behandlung ihres Konkurrenten G. behauptet. Ob in der Vergangenheit eine Ungleichbehandlung vorlag, ist im Hinblick auf die Klageanträge unerheblich. Seit der Mitteilung der RegTP vom 30.06.2004 jedenfalls duldet die Beklagte - insoweit unstreitig - auch bei der G. kein Simboxing mehr.

bb) Weiter bezweckt oder bewirkt die Untersagung auch nicht eine sachlich nicht gerechtfertigte, unbillige Wettbewerbsbehinderung der Beklagten, §§ 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 1. Alt. GWB. So geht der Senat zwar davon aus, dass die Untersagung der streitgegenständlichen Kartennutzung eine erhebliche Beeinträchtigung der wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten der Klägerin bewirkt. Diese ist allerdings sachlich gerechtfertigt, was der Senat bereits früher festgestellt hat (Senatsurteil vom 18.5.2005 - VI U (Kart) 7/05 Umdruck S. 10/11). So steht das nationale Kartellrecht nicht der Befugnis der Klägerin entgegen, über Art und Umfang ihrer Betätigung am Markt selbst zu entscheiden und fremde Konkurrenz nicht fördern zu müssen. Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen muss die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung so bestimmen und den Absatz seiner Erzeugnisse so gestalten können, wie er es für wirtschaftlich richtig und vernünftig hält. Eine Verpflichtung für Marktteilnehmer, Konkurrenten zum eigenen Schaden zu fördern, ist grundsätzlich abzulehnen. Deshalb können einem Marktbeherrscher keine Maßnahmen abverlangt werden, die für ihn mit der unmittelbaren Gefahr eines Kundenverlustes an den begünstigten Wettbewerber verbunden sind.

Zu einer solchen unmittelbaren Gefahr käme es jedoch vorliegend, wenn man die Beklagte zu einer Duldung der fraglichen Kartennutzung verpflichten wollte. Durch die Verwendung von SIM-Karten zur Weitervermittlung von Gesprächen Dritter aus dem Festnetz besteht für die Beklagte das nahe liegende Risiko, Terminierungskunden an die Klägerin zu verlieren. Ohne den Einsatz von GSM-Wandlern wird eine Zusammenschaltung von Festnetzgesprächen ins Mobilfunknetz der Beklagten derzeit nach dem Interconnection-Grundangebot berechnet, das insbesondere eine Zusammenschaltgebühr vorsieht, die zumindest ab einer bestimmten täglichen Nutzungsdauer deutlich über dem vorliegend von der Klägerin benutzten Mobilfunktarif liegt. Auf diese Weise konnte die Klägerin unter Umgehung der Zusammenschaltgebühr ihre Vermittlungsdienste zu den günstigeren Tarifen anbieten, die von der Beklagten eigentlich für Endkunden von Mobilfunkgeräten vorgesehen waren. Damit tritt die Klägerin jedoch mit der Beklagten in einen Wettbewerb um Festnetzkunden, ohne dass für die Beklagte ein hinreichender finanzieller Ausgleich für mögliche Marktanteilsverluste gewährleistet wäre.

cc) Ferner ist auch § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 GWB nicht erfüllt. Insofern fehlt es bereits an einer Tätigkeit der Klägerin auf einem vor- oder nachgelagerten Markt im Verhältnis zur Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 18.5.2005 - VI U (Kart) 7/05 Umdruck S. 12). Sie steht durch ihre Vermittlungstätigkeit vielmehr in einem direkten Wettbewerb auf demselben Endmarkt wie die Beklagte, nämlich dem Markt für die Herstellung von Verbindungen zwischen einem Festnetzanschluss zu einem Mobiltelefonkunden der Klägerin. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, dass der Einsatz von GSM-Wandlern letztlich zu dem gleichen Ergebnis führt, nämlich der Einspeisung von Festnetzanrufen in das Mobilfunknetz der Beklagten. Unerheblich ist insoweit, dass dieses Ergebnis technisch auf unterschiedliche Art verwirklicht wird. Eine Verpflichtung trifft die Beklagte nur insoweit, dass sie den Zugang zu ihrem Netz zu einem angemessenen Entgelt zur Verfügung stellt. Dies jedoch tut sie vorliegend jedoch durch die von der Regulierungsbehörde genehmigten Interconnectionstarife, so dass sie keine weitergehende Verpflichtung zur Duldung einer Einspeisung auch zu den Tarifen trifft, die sie für ihre eigenen Mobilfunkendkunden vorgesehen hat. Dies gilt umso mehr, als diese Tarife abhängig von der Nutzungsdauer erheblich niedriger sein können als die eigentlich vorgesehene Zusammenschaltungsgebühr.

c) Schließlich stellt das Verhalten der Beklagten auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Kartellrecht dar. Die Annahme einer missbräuchlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung i. S. d. Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 b) EG-Vertrag scheitert nämlich daran, dass die Beklagte befugt ist, die eigene Vertriebspolitik autonom zu bestimmen und keinen fremden Wettbewerb zum eigenen Schaden unterstützen muss. Dem steht auch nicht die von der Klägerin angeführte EuGH- Entscheidung "British Telecommunications" entgegen, wie der Senat bereits früher festgestellt hat (vgl. Senatsurteil vom 18.5.2005 - VI U (Kart) 7/05 Umdruck S. 13).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, in Verbindung mit § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Die Voraussetzzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch ist der Senat in seiner Entscheidung von der höchstrichterlichen Judikatur abgewichen.

Unterschriften