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Unterlassungsanspruch der ehemaligen ZDF-Moderatorin Eva Herman gegen dpa bezüglich des Zitats zum Kerner-Rauswurf - LG Köln, Urteil vom 05.03.2008, Az.: 28 O 10/08

Leitsätzliches

Der Moderatorin Eva Herman steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Nachrichtenagentur in Bezug auf eine Aussage, die sie im Rahmen der ZDF-Talkshow "Johannes B. Kerner" vom 9. Oktober 2007 getätigt hat und zwar in der Weise, dass die Aussage aus dem Zusammenhang gerissen und auch inhaltlich falsch wiedergegeben wird.

 

LANDGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidung vom 5. März 2008

Aktenzeichen: 28 O 10/08

 


In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

 



hat der 28. Zivilsenat des Landgerichts Köln auf die Verhandslung vom ... durch die Richter ... für Recht erkannt:

 

Die Kosten des Verfahrens tragen die Verfügungsklägerin zu 9 % und die Verfügungsbeklagte zu 91 %.


Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Agenturmeldung der Beklagten, in der die Verfügungsklägerin zitiert wird.

Die Verfügungsklägerin ist bzw. war Fernsehmoderatorin und Nachrichtensprecherin; daneben betätigt sie sich auch als Schriftstellerin. Die Verfügungsbeklagte ist eine der führenden deutschen Nachrichtenagenturen.

Anlässlich der Veröffentlichung ihres Buchs „E“ im September 2007 stellte die Verfügungsklägerin dieses in einer Pressekonferenz in Berlin vor. Eine dort getätigte Äußerung der Verfügungsklägerin, die in einigen Medien als Lob der Familienpolitik der Nazis gedeutet wurde, hatte zur Folge, dass die Verfügungsklägerin ihre Anstellung beim NDR verlor. Die Verfügungsklägerin distanzierte sich in einer Presseerklärung von diesen Vorwürfen und betonte, mehrfach ihre Ablehnung des NS-Regimes deutlich gemacht zu haben.

Am 09.10.2007 war die Verfügungsklägerin als Gast in der Fernsehsendung „L1“ im ZDF eingeladen. Gegenstand der Sendung waren unter anderem die oben beschriebenen Vorwürfe gegen die Verfügungsklägerin. Zu Anfang der Sendung (Minute 5:00 – 11:20 des zu den Akten gereichten Mitschnitts der Sendung) wurden die Äußerungen der Verfügungsklägerin auf der Pressekonferenz als Audiodokument wiedergegeben und diskutiert, ob diese als Lob der NS-Familienpolitik zu verstehen seien. Die Verfügungsklägerin betonte, diese Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen. Im weiteren Verlauf (Minute 14:20 – 15:30) führte die Verfügungsklägerin aus, dass man bei der Suche nach Ursachen für die Probleme der Kinderakzeptanz in der heutigen Zeit nicht umhin komme, zurück zu blicken. Im Dritten Reich seien die Familienwerte missbraucht und pervertiert worden und deshalb von den 68ern abgelehnt worden. Der Moderator kontrastierte sodann (Minute 33:35 ff. des Mitschnitts) ein Zitat aus dem ersten Buch der Verfügungsklägerin mit einem Zitat aus dem Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ (1930) von B2, eines der Hauptideologen des Nationalsozialismus. Auf die Ähnlichkeit der verwendeten Terminologie angesprochen, erklärte die Verfügungsklägerin (Minute 34:50 ff.), es sei offensichtlich so, dass es nicht mehr möglich sei, sich für Werte stark zu machen und darüber zu reden; damit spiele man der rechten Szene in die Hand.

Bei Minute 39:15 wurde die Verfügungsklägerin auf den von ihr zuvor im Zusammenhang mit der Berichterstattung über sie verwendeten Begriff der „gleichgeschalteten Presse“ angesprochen und auf die Herkunft dieses Begriffs aus der nationalsozialistischen Terminologie vom Moderator und einem anwesenden Historiker hingewiesen. Die Verfügungsklägerin berief sich in der sich entwickelnden Diskussion hierüber darauf, dass der Begriff der „Gleichschaltung“ nicht nur im Nationalsozialismus, sondern auch heute in vielen Medien benutzt werde. Sie äußerte wörtlich: „Natürlich ist er da benutzt worden, aber es sind auch Autobahnen damals gebaut worden und wir fahren heute drauf.“. In der Folge wurde die Verfügungsklägerin dann vom Moderator vorzeitig aus der Sendung verabschiedet.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sendung wird auf deren zu den Akten gereichten Mitschnitt Bezug genommen, dessen Inhalt zwischen den Parteien unstreitig ist.

In einer Agenturmeldung der Verfügungsbeklagten vom 10.10.2007, 8:05 Uhr, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 65 GA), berichtete die Verfügungsbeklagte über die Sendung und deren Verlauf. Unter anderem heißt es darin: „Wenn man nicht über die Familienwerte der Nazis reden dürfe, könne man auch nicht über die Autobahnen sprechen, die damals gebaut wurden, sagte I.“. In den darauf folgenden Meldungen der Verfügungsbeklagten (Bl. 62 – 64 GA) über die Sendung, in denen einzelne Äußerungen der Verfügungsklägerin aus der Sendung zitiert werden, ist dieser Satz nicht mehr enthalten.

Wegen der erwähnten Agenturmeldung mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 14.12.2007 ab und forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dies verweigerte die Verfügungsbeklagte.

Die Verfügungsklägerin behauptet, das von der Verfügungsbeklagten wiedergegebene Zitat sei inhaltlich falsch und sinnentstellend. Sie ist der Ansicht, hierdurch werde der Eindruck erweckt, die Verfügungsklägerin habe sich erneut lobend über die Familienpolitik der Nazis geäußert und versucht, unter Berufung auf in der NS-Zeit gebaute Autobahnen ein Gespräch über die zu dieser Zeit verfolgte Familienpolitik zu erzwingen. Tatsächlich habe sie aber mit der Äußerung über die Autobahnen allein eine Diskussion zum Thema „Gleichschaltung der Medien“ in der heutigen Zeit durchsetzen wollen. Weiter behauptet die Verfügungsklägerin, von der streitgegenständlichen Meldung und ihrer Verbreitung durch die Verfügungsbeklagte erst am 10.12.2007 durch einen Betreiber eines Bürger-Forums gegen Medienmanipulation Kenntnis erlangt zu haben. Sofort nach Erlangung dieser Kenntnis sei sie gegen die Meldung vorgegangen.

Die Verfügungsklägerin hat ursprünglich beantragt,

es der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250 000,–; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu verbieten, folgende Agenturmeldung erneut zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

    „I sorgt für neue Schlagzeilen

    Hamburg (dpa) – I hat es erneut geschafft zu provozieren.

    Die frühere Tagesschausprecherin wich in der ZDF-Sendung „L1“ Nachfragen zu ihrer Haltung zum Nationalsozialismus aus. Sie flog letztlich aus der Sendung. Wenn man nicht über die Familienwerte der Nazis reden dürfe, könne man auch nicht über die Autobahnen sprechen, die damals gebaut wurden, sagte I. Außerdem könne man nicht mehr über deutsche Geschichte reden, ohne sich zu gefährden.“

Mit Schriftsatz vom 14.01.2008, bei Gericht eingegangen am 15.01.2008, hat die Verfügungsklägerin den Antrag neu gefasst und zuletzt beantragt,

es der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250 000,–; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu verbieten, im Hinblick auf die Teilnahme von Frau I. an der Talkshow L1 vom 09. Oktober 2007 zu verbreiten, Frau I. habe gesagt:

    „Wenn man nicht über die Familienwerte der Nazis reden dürfe, könne man auch nicht über die Autobahnen sprechen, die damals gebaut wurden.“

In der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2008 hat der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin erklärt, dass die Verfügungsbeklagte weiterhin der Ansicht sei, dass die Veröffentlichung zulässig sei und es dem Antrag am Eilbedürfnis fehle. Die Verfügungsbeklagte hat sich unter dieser Prämisse verpflichtet, die streitgegenständliche Passage nicht weiter zu verbreiten und diese in ihrem Archiv zu sperren. Sodann hat die Verfügungsbeklagte den zuletzt gestellten Antrag der Verfügungsklägerin unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt, worauf die Kammer ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil erlassen hat. Den daraufhin im Termin geschlossenen Vergleich der Parteien, in dem die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben wurden, hat die Verfügungsklägerin innerhalb der in Ziffer 2) des Vergleichs bestimmten Widerrufsfrist widerrufen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2008 (Bl. 135 ff. GA) wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Nach dem erfolgten Widerruf des Vergleichs war nur noch über die in dem Teilanerkenntnisurteil der Kammer vom 06.02.2008 nicht enthaltene Kostenentscheidung zu befinden, und zwar durch Urteil (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1741). Dies führt dazu, der Verfügungsklägerin die Kosten zu 9 % und der Verfügungsbeklagten zu 91 % aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung beruht dabei nicht auf dem erfolgten Anerkenntnis (mit der Folge, dass allein § 93 ZPO Prüfungsmaßstab wäre), sondern auf dem bisherigen Sach- und Streitstand, was sich daraus ergibt, dass die Parteien durch den Vergleichsabschluss zu verstehen gegeben haben, dass das Anerkenntnis zur Hauptsache nicht präjudizierend für die Kostenentscheidung sein sollte.

Nach dem fristgerecht erfolgten Widerruf des Vergleichs durch die Verfügungsklägerin war nach dem Verhältnis des Prozesserfolges bezogen auf alle Teile des Verfahrens zu entscheiden. Insoweit hätte die Verfügungsklägerin obsiegt und wäre die einstweilige Verfügung zu bestätigen gewesen (dazu 1.); indes waren ihr im Umfang der Teilrücknahme die Kosten aufzuerlegen (dazu 2.).

1. Der Verfügungsklägerin stehen sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund zu.

Der Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) der Verfügungsklägerin.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen und vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild des Betroffenen in der Öffentlichkeit auszuwirken. Derartige Äußerungen gefährden die von Art. 2 I GG gewährleistete freie Entfaltung der Persönlichkeit, weil sie das Ansehen des Einzelnen schmälern, seine sozialen Kontakte schwächen und infolgedessen sein Selbstwertgefühl untergraben können. Allerdings reicht der Schutz dieses Grundrechts nicht so weit, dass es dem Einzelnen einen Anspruch darauf verliehe, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selber sieht oder von anderen gesehen werden möchte. Jedenfalls wird er aber vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen seiner Person geschützt, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind (BVerfG NJW 1999, 1322, 1323 – Helnwein). Dabei kommt es angesichts der auf Seiten der Verfügungsbeklagten einschlägigen Presse- und Meinungsfreiheit für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Äußerung bei dem offenen Tatbestand des Persönlichkeitsrechts prinzipiell auf eine umfassende Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter an. Bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht, liegen außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen prinzipiell Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (BVerfG NJW 1999, 1322, 1324 – Helnwein).

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die von der Verfügungsbeklagten wiedergegebene Äußerung in der konkreten Form von der Verfügungsklägerin nicht getätigt worden ist. Die Kammer verkennt insoweit allerdings nicht, dass Vergröberungen, Einseitigkeiten und Übertreibungen in gewissem Umfang von dem Betroffenen hingenommen werden müssen. Denn solche Verknappungen und Zuspitzungen als Mittel der Darstellung sind im Interesse einer mediengerechten Darstellung unvermeidlich (vgl. BGH NJW 1979, 1041). Insoweit hat das BVerfG unlängst in anderem Zusammenhang festgestellt, dass viele Sachverhalte sich auf dem beschränkten Raum, der für einen Pressebericht meist nur zur Verfügung steht, nicht derart vollständig darstellen lassen, dass unterschiedliche Eindrücke der Leserschaft ausgeschlossen werden (BVerfG [Kammer], Beschluss vom 19.12.2007, 1 BvR 967/05, Rn. 41, abrufbar unter www.bverfg.de). Dies trifft im Grundsatz auch auf die Verfügungsbeklagte zu, die als Nachrichtenagentur wegen der häufigen Kürze von Agenturmeldungen in besonderem Maße auf griffige und eingängige Formulierungen angewiesen ist. Gegen vergröbernde Darstellungen, die im Kern wahr sind, besteht in aller Regel kein Abwehranspruch (OLG Brandenburg NJW 1999, 3339, 3342 – Wessi-Kuckuck).

Es kann vorliegend offen bleiben, ob angesichts der im Zusammenhang mit der Familienpolitik der Nationalsozialisten erfolgten Äußerungen der Verfügungsklägerin in der Sendung „L1“, ihrer Reaktion auf die Gegenüberstellung ihres Buches mit dem Zitat aus dem Buch von B2 sowie ihrer ebendort später getätigten Äußerung zur „Gleichschaltung der Presse“ davon ausgegangen kann, dass die Meldung der Verfügungsbeklagten im Kern zutreffend war. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Verfügungsbeklagten zutrifft, die Meldung verkürze lediglich einen von der Verfügungsklägerin verfolgten Argumentationsstrang in zulässiger Weise. Denn die vorstehend dargelegten Grundsätze, nach denen im Interesse einer pressegerechten Darstellung gewisse Ungenauigkeiten der Berichterstattung hingenommen werden müssen, sind nicht auf Zitate anwendbar. Das ergibt sich daraus, dass Zitate des Betroffenen in ungleich größerer Weise geeignet sind, dessen Persönlichkeitsrecht zu verletzen, als dies bei der allgemeinen Berichterstattung der Fall ist. Denn der Betroffene wird als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt. Von daher müssen Zitate, auch solche in indirekter Rede wie vorliegend (vgl. Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 5 Rz. 91), richtig sein. Das gilt sowohl für die Frage, ob überhaupt eine Äußerung gefallen ist als auch hinsichtlich deren Inhalts; demjenigen, der eine Äußerung wiedergibt, werden keine wesentlichen oder gar unzumutbaren Erschwerungen oder Risiken auferlegt, wenn er verpflichtet wird, konkret und zutreffend zu zitieren (BVerfG NJW 1980, 2072, 2073 – Böll).

Nach diesen Maßstäben muss von einer Unzulässigkeit der von der Verfügungsbeklagten gewählten Form der Zitierung ausgegangen werden. Denn die Verfügungsklägerin hat selbst den Zusammenhang zwischen der Familienpolitik der Nationalsozialisten und den in dieser Zeit errichteten Autobahnen nicht hergestellt. Durch die verkürzte Zitierung, die beide Äußerungen der Verfügungsklägerin zu einer verknüpft, wird beim Durchschnittsleser der Eindruck erweckt, die Verfügungsklägerin habe unter Berufung auf die heute noch benutzten Autobahnen eine Diskussion über Familienpolitik im Nationalsozialismus bzw. die in dieser Zeit vermittelten Werte führen wollen und habe beabsichtigt, von den Nationalsozialisten geprägte Werte auch in der heutigen Zeit Geltung verschaffen zu wollen. Dieser Zusammenhang war allerdings zumindest in der streitgegenständlichen Sendung nicht gegeben. Denn die Familienwerte-Debatte (bei Minute 4:08 ff., 14:20 ff. des Mitschnitts) hatte bereits ihren Abschluss gefunden, als die zeitlich spätere Gleichschaltungs-Debatte (in der die Äußerung mit den Autobahnen fiel, Minute 39:15 ff., insbesondere Minute 40:51 des Mitschnitts) stattfand. Insoweit war es unzutreffend, die beiden Äußerungen der Verfügungsklägerin in einen Konnex zu bringen, zumal die zuvor geführte Debatte um die – isoliert betrachtet – mehrdeutigen Äußerungen der Klägerin anlässlich der Buchpräsentation in besonderer Weise die Gefahr begründete, dass beim Durchschnittsleser der Eindruck erweckt wurde, die Verfügungsklägerin habe wiederum nationalsozialistisches Gedankengut diskutieren wollen. Tatsächlich hat sich die Verfügungsklägerin in der Sendung (Minute 11:04 des Mitschnitts) von der nationalsozialistischen Familienpolitik distanziert.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze über mehrdeutige Äußerungen des Zitierten. Es kann dahinstehen, ob angesichts der Distanzierung der Verfügungsklägerin jedenfalls von der Familienpolitik der Nationalsozialisten in der Sendung überhaupt eine mehrdeutige Äußerung der Verfügungsklägerin in der konkreten Sendung vorlag. Denn auch in diesem Fall ist es nicht zulässig, den Lesern vorzuenthalten, dass der Zitierte die Äußerung mit anderer Tendenz auf den Weg gebracht hat (Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 5 Rz. 92). Von einem solchen Vorenthalten ist auch hier auszugehen. Denn die Äußerungen der Verfügungsklägerin über die Familienpolitik sind durch die von der Verfügungsbeklagten vorgenommene direkte Verknüpfung mit der Debatte über Autobahnen und „Gleichschaltung“ der Medien in einen Zusammenhang gebracht worden, der in dieser Form nicht bestand. Diesen fehlenden Zusammenhang konnte die Verfügungsbeklagte bei Einhaltung der pressemäßigen Sorgfalt, die für Presseagenturen unvermindert Geltung beansprucht (BVerfG NJW 2004, 589, 590 – Haarfarbe des Bundeskanzlers), auch erkennen. Der unbestreitbare Aktualitätsdruck, dem die Verfügungsbeklagte bei Veröffentlichung der Meldung unterlag, ändert daran nichts. Denn die Recherche, ob die Äußerung, so wie sie zitiert wurde, tatsächlich gefallen war, stellte sich nicht als aufwändig dar, dies vor allem angesichts der Tatsache, dass die Abfassung der gesamten Agenturmeldung es ohnehin erforderte, die Sendung anzuschauen, um die Abläufe zu erfassen.

Auch die Wiederholungsgefahr als materielle Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist gegeben. Diese wurde bereits durch die Erstbegehung indiziert. Mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung der Verfügungsbeklagten bestand sie daher weiterhin. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Verfügungsbeklagte in nachfolgenden Meldungen die Verfügungsklägerin korrekt zitierte. An den Wegfall der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen; dies kann außer durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung nur durch Widerruf oder Richtigstellung eintreten (Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 12 Rz. 17 m.w.N.). Eine solche Richtigstellung liegt in den weiteren Meldungen nicht, weil diese keinen Rückbezug auf die ursprüngliche Meldung nehmen und die dortige Aussage nicht explizit korrigieren.

Auch ein Verfügungsgrund lag vor. Der Dringlichkeit steht nicht entgegen, dass die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Meldung bereits am 10.10.2007 erfolgte und die Verfügungsklägerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung drei Monate später, nämlich am 08.01.2008, eingereicht hat. Denn die Verfügungsklägerin hat an Eides Statt versichert, dass sie von der streitgegenständlichen Meldung der Verfügungsbeklagten nicht vor dem 10.12.2007 erfahren hatte. An der Richtigkeit dieser Versicherung zu zweifeln besteht kein Anlass. Sodann ist sie durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 14.12.2007, also vier Tage später, an die Verfügungsbeklagte mit dem Unterlassungsbegehren herangetreten. Nachdem das Antwortschreiben der Verfügungsbeklagten am 19.12.2007 bei den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin einging, haben diese am 08.01.2008, also etwa drei Wochen später, den Antrag eingereicht. Insoweit kann keine Rede davon sein, dass die Verfügungsklägerin ihren Unterlassungsanspruch nur zögerlich verfolgt hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich nach der Antwort der Verfügungsbeklagten die Weihnachtsfeiertage unmittelbar anschlossen.

2. Die von der Verfügungsklägerin vorgenommene Klarstellung des Antrags im Schriftsatz vom 14.01.2008, bei Gericht eingegangen am 15.01.2008, stellt sich als Teilrücknahme (§ 269 ZPO) des ursprünglichen Antrags dar. Denn das ursprüngliche Begehren der Verfügungsklägerin ging dahin, die gesamte Agenturmeldung untersagen zu lassen. Insoweit waren die Kosten der Verfügungsklägerin aufzuerlegen, § 269 Abs. 3 ZPO.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil gegen das vorliegende Urteil die sofortige Beschwerde stattfindet (§§ 99 Abs. 2 S. 1, 794 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO).

Streitwert: bis zum 15.01.2008: 25 000,– €danach: 15 000,– €

(Unterschriften)