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Kein unerlaubtes Glücksspiel bei 15 € Startgeld für Poker-Tunier - VG Cottbus, Beschluss vom 03.11.2006 - Az.: 2 L 386/06

Leitsätzliches

Die 15 € Startgeld zur Teilnahme an einem Hobby-Poker-Tunier führen nicht zu der Annahme, es handele sich um den Einsatz für unerlaubtes Glücksspiel. Dies gilt insbesondere dann, wenn es zur Deckung der Unkosten erhoben wird.

Verwaltungsgericht Cottbus

BESCHLUSS

vom 3. November 2006

Aktenzeichen: 2 L 386/06

 

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

...

gegen

...

wegen: Untersagung von Spielen

hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus am 3. November 2006 durch ... beschlossen:

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 03. November 2006 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 02. November 2006 wird hinsichtlich der in Ziffer 1. ausgesprochenen Untersagung wiederhergestellt und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung angeordnet. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe:

Der Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat Erfolg.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen, in denen - wie hier - die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 2 Satz l Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, wiederherstellen und in den Fällen, in denen einem Rechtsbehelf die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-3 und Satz 2 VwGO von vornherein nicht zukommt, anordnen, wenn das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt.

Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da nach dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG an der sofortigen Vollziehung eines noch nicht bestandskräftigen offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann.

Dagegen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, regelmäßig dann, wenn sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist und - in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO - zusätzlich ein besonderes Vollzugsinteresse hinzutritt.

Ist die Frage der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit nicht abschließend zu beantworten, hat eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung stattzufinden.

Hiervon ausgehend fällt die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin aus. Die im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotene und allein mögliche summarische Prüfung des angegriffenen Verwaltungsaktes ergibt, dass berechtigte Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Insbesondere erscheint aus Sicht der Kammer fraglich, ob die von der Antragstellerin beabsichtigte Pokerveranstaltung der Strafnorm des § 284 Strafgesetzbuch (StGB) unterfällt.

Beim Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB wird die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten und Kenntnissen und vom Grad der Aufmerksamkeit der Spieler bestimmt, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 284 Rdn. 3).

Hinzukommen muss dabei aber noch, dass durch die Leistung eines Einsatzes die Aussicht auf einen vom Zufall abhängigen Vorteil erlangt wird. Unter Einsatz ist dabei jede Leistung zu verstehen, die erbracht wird in der Hoffnung, im Falle des Gewinnens eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Falle des Verlierens den Gegenspielern oder dem Veranstalter anheim fällt.

Ein solcher Einsatz wird nicht geleistet, wenn nur ein verlorener Betrag gezahlt wird, der mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun hat, sondern lediglich die Mitspielberechtigung gewährt, also etwa dem für den Eintritt in eine Spielbank aufgewendeten Betrag gleichzusetzen ist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. September 1986 -4 StR 148/86- ; BGHSt 34,171).

Hiervon ausgehend könnte einiges dafür sprechen, dass die von den Teilnehmern zu zahlende Pauschale von 15,- € lediglich als Eintrittsgeld und nicht als Einsatz im vorstehend dargelegten Sinne zu werten ist. Hierfür dürfte insbesondere sprechen, dass dieser Betrag nur zur einmaligen Teilnahme an dem Pokerspiel pro Turnier berechtigt. Dies ergibt sich aus den Teilnahmebedingungen, wonach jeder Teilnehmer nur einmalig eine festgelegte Anzahl an Jetons erhält und er für den Fall, dass er keine Jetons mehr inne hat, ausscheidet.

Ein zusätzliches (und dann als Einsatz zu qualifizierendes) Entgelt für eine Teilnahme an einem bestimmten Tisch ist nicht zu entrichten. Auch ist es nach den der Kammer vorliegenden Informationen ausgeschlossen, dass ein Teilnehmer sich erneut in das Turnier einkauft (insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem in Potsdam durchgeführten Pokerturnier; vgl. das im Verwaltungsvorgang befindliche Schreiben des Ministeriums des Innern vom 20. Oktober 2006).

Ob indes in dem Startgeld von 15,- Euro ein versteckter Einsatz zu sehen ist, lässt sich vor allem auch den Unterlagen des Antragsgegners nicht entnehmen. Ermittlungen etwa zum Finanzierungsplan, wie im Schreiben des Ministeriums des Innern angeregt, hat der Antragsgegner nach Aktenlage nicht unternommen.

Steht damit aber nicht fest, dass es sich bei dem von der Antragstellerin veranstalteten Pokerturnier um ein unerlaubtes Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB handelt, ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin geltend machen kann, es handele sich um ein erlaubnisfreies Spiel nach § 5a der SpielV in der Fassung der Neufassung vom 27. Januar 2006 (BGB112006, 280) und es deshalb einer Erlaubnis nach § 33d Abs. l Satz l der Gewerbeordnung (GewO) nicht bedarf.

Eine Erlaubnis für ein anderes Spiel nach § 33d Abs. l Satz l GewO ist hiernach nicht erforderlich, wenn das Spiel die Anforderungen der Anlage zur SpielV erfüllt und der Gewinn in Waren besteht. Vorliegend wird das Spiel in einem Hotel und damit in einem Beherbergungsbetrieb veranstaltet (vgl. Nummer l a der Anlage). Das Teilnahmeentgelt beträgt 15,- Euro (vgl. Nummer 2 der Anlage) und die Gestehungskosten eines Gewinns betragen nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragstellerin höchstens 60,- Euro (vgl. Nummer 3 der Anlage).

Gegenteilige Feststellungen hat der Antragsgegner nicht getroffen. Insoweit könnte vieles dafür sprechen, dass es sich um die erlaubnisfreie Veranstaltung eines Spiels handelt.

Spricht demnach einiges dafür, dass die Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie ihre Rechtmäßigkeit, kommt es maßgeblich auf die vorzunehmende Abwägung und Gewichtung der Interessen an. Dabei kommt dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Verhinderung unerlaubter Glücksspiele zwar von vornherein ein erhebliches Gewicht zu.

In Anbetracht dessen, dass hier die Strafbarkeit des Veranstaltens des Pokerturniers indes zweifelhaft ist, hat dieses Interesse aber vor dem Hintergrund der bereits von der Antragstellerin getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen (Werbung, Gestaltung des Internetauftritts, Anmietung der Veranstaltungsräume) zurückzutreten. Hinzu kommt, dass der vom Teilnehmer zu entrichtende Betrag auf 15,- Euro begrenzt ist, so dass eine Gefahr, der Teilnehmer könne aus Spielsucht einen erheblichen Geldbetrag verlieren, nicht droht.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist demnach wiederherzustellen und bezüglich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen. In Bezug auf letztere folgt dies im Übrigen auch daraus, dass sich die Zwangsgeldandrohung als offensichtlich rechtswidrig erweist.

Die Androhung eines Zwangsgeldes mit dem Höchstbetrag nach § 20 Abs. l des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVG BB) bei einem erstmaligen Verstoß lässt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der in § 18 VwVG BB normiert ist, außer acht. Letztlich genügt die vom Antragsgegner in der Ordnungsverfügung vom 02. November 2006 gegebene Begründung auch nicht den Anforderungen, die an die Begründung einer Ermessensentscheidung im Fall der Androhung (und gegebenenfalls späteren Verhängung) des Zwangsgeldes mit dem Höchstbetrag zu stellen sind.

Die Anknüpfung an den wirtschaftlichen Wert der Veranstaltung ist schon deshalb zu beanstanden, weil zur Erreichung eines solchen Gewinns bei einem Betrag von 15,- Euro pro Person die Teilnahme von mehreren Tausend Personen erforderlich wäre. Dies ist aber ersichtlich weder lebensnah noch hier zu erwarten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. l VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in der nach dem 1. Juli 2004 gültigen Fassung (GKG). Das Interesse der Antragstellerin bewertet die Kammer mit dem Auffangwert. Dieser Betrag ist mit Blick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung zu halbieren.

(Unterschrift)