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Deutscher Wein darf sich Réserve oder Grande Réserve nennen - OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.10.2008, Az.: 8 A 10809/08.OVG

Leitsätzliches

Auch ein deutscher Wein darf bei Einhaltung einer besonderen Qualität mit den französischen Begriffen „Réserve/Grande Réserve“ oder der deutschen Angabe „Privat-Reserve“ bezeichnet und in den Verkehr gebracht werden. Die Irreführungsgefahr des durchschnittlich informierten Verbrauchers durch die Verwendung der französischen und deutschen Bezeichnungen besteht nicht.

OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 8 A 10809/08.OVG

Entscheidung vom 22. Oktober 2008

 

In dem Verwaltungsrechtsstreit

des Herrn ….

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte:     Rechtsanwälte ... Mainz,

gegen

das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, Willy-Brandt-Platz 3, 54290 Trier,

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

wegen Etikettierung von Wein

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. ...
Richter am Oberverwaltungsgericht ...
Richterin am Oberverwaltungsgericht ...
ehrenamtlicher Richter Fernmeldeoberamtsrat a.D. ...
ehrenamtlicher Richter Angestellter ...

für Recht erkannt:

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 29. Januar 2004 wird

1.      der Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2002 hinsichtlich der Ziffern 3 und 4 und des insoweit ergangenen Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2003 aufgehoben,

2.      festgestellt, dass die Verwendung der Bezeichnung „Privat-Reserve“ in Verbindung mit der Bezeichnung „Consulat des Weins“ und in Allein­stellung zulässig ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge sowie die Kosten des Revisionsverfahrens - unter Einschluss der im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof entstandenen außergerichtlichen Kosten - zu 3/4, der Kläger zu 1/4.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungs­gläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Der Kläger ist Inhaber eines Weinguts, das mit der Firmenbezeichnung „Consulat des Weins“ im Handelsregister eingetragen ist.

Bei einer am 20. November 2002 durchgeführten Überprüfung wurden die Etikettierungen von 8 Weinen des Klägers beanstandet. Auf den Hauptetiketten befand sich in der oberen Hälfte in großformatigen Buch­staben die Firmen­bezeichnung „Consulat des Weins“ und darunter in etwas kleinerem Format die Angabe „Grande Réserve“ für Weine der gehobenen sowie die Bezeichnung „Réserve“ für Weine der mittleren Preisklasse. Es war ferner beabsichtigt, für die niedrigere Preisklasse die Angabe „Terroir“ bzw. „Terroir Palatinat“ zu verwenden. Die Rücketiketten der Weine enthielten die Be­zeichnung „Domaine Ludwigshöhe“ und darüber die Qualitätsstufe der Weine („Qualitätswein“), das Anbaugebiet („Pfalz“) und die amtliche Prüf- und Abfüllernummer.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 untersagte der Beklagte dem Kläger, Weine mit der Angabe (1.) „Domaine Ludwigshöhe“, (2.) „Terroir Palatinat“, (3.) „Consulat des Weins - Réserve“ bzw. „Réserve“ und (4.) „Consulat des Weins - Grande Réserve“ bzw. „Grande Réserve“ zu bezeichnen und in den Verkehr zu bringen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die Verwendung der bean­standeten Angaben sei irreführend und daher unzulässig.

Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein und erklärte sich bereit, gegebenenfalls auf die Verwendung der französischen Begriffe „Réserve“ und „Grande Réserve“ zugunsten der deutschsprachigen Be­zeichnungen „Reserve“ und „Privat-Reserve“ zu verzichten. Diese Bezeichnungen wies der Beklagte ebenfalls als unzulässig zurück. 

Mit seiner Klage hat der Kläger die Aufhebung u.a. der Ziffern 3 und 4 der Unter­sagungsverfügung sowie die Feststellung begehrt, dass die Verwendung der Bezeichnung „Reserve“ und „Privat-Reserve“ in Verbindung mit der Bezeichnung „Consulat des Weins“ und in Alleinstellung zulässig sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. Januar 2004 (2 K 1628/03.NW, ZLR 2004, 723) abgewiesen. Die umstrittenen Weinbezeichnungen seien nach den seit dem 1. August 2003 anwendbaren neuen weinbezeichnungs­rechtlichen Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft unzulässig. Die Begriffe „Réserve/Grande Réserve“ ähnelten den danach geschützten spanischen, italienischen und portugiesischen Bezeichnungen so sehr, dass eine verbotene Nachahmung angenommen werde müsse. Zugleich liege wegen der lediglich subjektiven Einstufung der Weine durch den Kläger ein Verstoß gegen das Irre­führungsverbot vor.

Der Kläger hat die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ergänzend damit begründet, dass auch mit Blick auf die allgemeine Verbreitung der Begriffe ohne rechtliche Einschränkung kein Verstoß gegen das Nachahmungs- und das Irreführungsverbot vorliege.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit Urteil vom 21. September 2004 (7 A 10692/04.OVG, LRE 50, 165) zurückgewiesen. Das Weinbezeichnungsrecht behalte die ergänzenden traditionellen Begriffe „Reserva/Gran Reserva“, „Riserva/Gran Riserva“ oder „Reserva/Grande Reserva“ den spanischen, portu­giesischen, italienischen und griechischen Weinen vor, mit denen sie verbunden seien, und schütze sie gegen widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder An­spielung. Die vom Kläger gewählten Bezeichnungen in französischer oder deutscher Sprache stellten eine Nachahmung, jedenfalls eine Anspielung dar. Denn sowohl in Schreibweise als auch im sprachlichen Klang wiesen sie nur geringe Unterschiede zu den geschützten Begriffen auf. Auch als eingetragene Marken dürften die Bezeichnungen des Klägers nur verwendet werden, wenn für den Wein die Berechtigung bestehe, die traditionelle Bezeichnung zu führen. Es könne daher dahinstehen, ob die umstrittenen Bezeichnungen auch wegen ihrer Eignung, den Verbraucher irrezuführen, unzulässig seien.

Nach Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 13. März 2008, C - 285/06) hat das Bundesverwaltungsgericht die vom Kläger erhobene Revision mit Urteil vom 18. Juni 2008 (3 C 5.08, RdL 2008, 278) hinsichtlich der Bezeichnung „Reserve“ zurückgewiesen und im Übrigen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts unter Zurückverweisung an das Gericht aufgehoben. Der zwischenzeitlich für Österreich europarechtlich geschützte deutsche Begriff „Reserve“ sei als Aneignung für die Bezeichnung eines deutschen Weins unzu­lässig. Eine Verwechslung durch die Bezeichnungen „Réserve/Grande Réserve“ und „Privat-Reserve“ mit den europarechtlich geschützten portugiesischen, spanischen, italienischen, griechischen oder österreichischen Begriffen sei ausge­schlossen. Eine Irreführung sei jedoch noch zu prüfen. Dabei sei der Frage nach­zugehen, ob der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher eine besondere Qualitätserwartung mit den begrifflich geschützten und mit französischen Bezeichnungen verbinde, die von dem deutschen Wein des Klägers nicht erfüllt werde. 

Der Kläger trägt nunmehr vor, nach der Entscheidung des Bundesverwaltungs­gerichts sei allein noch über die Gefahr der Irreführung der Verbraucher durch die für seine Weine vorgesehenen Begriffe zu befinden. Es bestünden jedoch keine Erwartungen, die die Produkte des Klägers nicht erfüllen würden. Der aufmerk­same Verbraucher mache sich allerdings keine konkreten Vorstellungen über die Qualitätskriterien, die den fünf europarechtlich geschützten Bezeichnungen zugrunde lägen und höchst unterschiedlich seien. In den übrigen Ländern, in denen Weine mit der Angabe „Réserve“ hergestellt würden, bestünden jedoch keine rechtlich verbindlichen Vorgaben; es erfolge dort auch keine Verwendung des Begriffs nach Herkommen und Gebrauch. Dies gelte jedenfalls für Frankreich. Die Angabe werde allein nach der subjektiven Einschätzung  der Abfüller verwen­det. Der Verbraucher habe daher allenfalls die Vorstellung, dass es sich bei dem mit „Réserve“ gekennzeichneten Produkt um „etwas Besonderes“ handele. Der Kläger habe sich deshalb bei seinen Weinen einen strengen Qualitätsmaßstab auferlegt, der über dem der geschützten österreichischen oder portugiesischen Weine liege. So beschränke er den Ertrag auf 50 hl/ha bei „Réserve“ und 30 hl/ha bei „Grande Réserve“. Die Reifezeit betrage im ersten Fall drei Jahre, im zweiten Fall fünf Jahre. Das Mostgewicht liege deutlich über der Spätlese, meistens in der Qualitätsstufe Auslese. Hinzu komme schließlich eine sensorische Bewertung durch den Kläger. Die auf diese Weise qualifizierten Weine des Klägers hätten in den vergangenen Jahren zahlreiche Auszeichnungen erhalten.   

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 29. Januar 2004

1.      den Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2002 hinsichtlich der Ziffern 3 und 4 und des insoweit ergangenen Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2003 aufzuheben,

2.      festzustellen, dass die Verwendung der Bezeichnung „Privat-Reserve“ in Verbindung mit der Bezeichnung „Consulat des Weins“ und in Alleinstellung zulässig ist.

Der Beklagte beantragt,

             die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die von dem Kläger verwendeten deutschen und französischen Begriffe ahmten die unter Schutz stehenden Bezeichnungen nach bzw. spielten auf sie an, da sie zumindest zu einer Irreführung der Verbraucher geeignet seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits eine Nachahmung oder Anspielung auf die geschützten portugiesischen, spanischen, italienischen oder österreichischen Begriffe durch die von dem Kläger gewählten Angaben fest­gestellt. Aufgrund der großen phonetischen und optischen Ähnlichkeit bestehe (ungeachtet des möglichen Zusatzes „Privat“) auch die Gefahr einer Irreführung in Bezug auf diese Schutzbegriffe, mit denen der durchschnittlich informierte Verbraucher gehobene, aber höchst unterschiedliche Qualitätsstandards verbinde. Weil der Kläger diese verschiedenen Standards mit seinen Weinen nicht alle erfüllen könne und nicht abzusehen sei, an welchen der geschützten Begriffe der jeweilige Konsument denke, liege die Gefahr der Irreführung auf der Hand. Diese sei sogar besonders groß bei der Angabe „Privat- Reserve“, die als Steigerungsform der geschützten österreichischen Bezeichnung „Reserve“ aufgefasst werden könne. Auf die Qualitätsmerkmale französischer Weine komme es hingegen nicht an, da für diese keine vergleichbaren Begriffe geschützt seien.      

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung ist, soweit über sie durch das Revisionsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2008 (RdL 2008, 278) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage im Übrigen - hinsichtlich der (französischen) Bezeichnungen „Réserve/Grande Réserve“ und der (deutschen) Bezeichnung „Privat-Reserve“ - stattgeben müssen. Einer Verwendung dieser Begriffe für den deutschen Wein des Klägers stehen die Vorschriften zum Schutz der ergänzenden traditionellen Begriffe (Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 der Europäischen Kommission) und sonstige weinrechtliche Normen nicht entgegen.

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit rechtlicher Bindungswirkung für die vorliegende Entscheidung (vgl. § 144 Abs. 6 VwGO) ausgeführt, dass hinsichtlich der vorgenannten, vom Kläger vorgesehenen fakultativen Begriffe (vgl. Anhang VII B Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates der Europäischen Union) nur noch zu prüfen ist, ob insoweit die Gefahr der Irreführung der Verbraucher besteht (vgl. Art 48, 1. Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999, Art. 6 Abs. 1, Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 753/2002). Ein unbedingter Schutz der europarechtlich geschützten ergänzenden traditionellen Begriffe u.a. „Reserva/Grande Reserva“, Reserva/Gran Reserva“, „Riserva“ und „Reserve“ vor Nachahmung bestehe nur in portugiesischer, spanischer, italienischer griechischer oder deutscher Sprache; daher scheide eine Verwendung des deutschen Begriffs „Reserve“ für den Wein des Klägers aus. Darüber hinaus greife das Nach­ahmungsverbot etwa im Fall von Übersetzungen dieser Begriffe nur, wenn Ver­wechslungs- oder Irreführungsgefahr bestehe. Das Gericht hat die Gefahr der Verwechslung der französischen Begriffe und der Bezeichnung „Privat-Reserve“ (auch) als Übersetzung der geschützten ergänzenden traditionellen Bezeich­nungen (vgl. Art 23 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 i.V.m. Anhang III) als offensichtlich nicht gegeben ausgeschlossen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 28 ff.). Die Gefahr einer Assoziierung der französischen Bezeichnung mit den geschützten portugiesischen, spanischen, italienischen, griechischen oder österreichischen Qualitätsstandards sei nicht gegeben, allenfalls liege eine Verbindung zu einem nach französischen Regeln definierten Qualitätsmerkmal nahe, das jedoch nicht als ergänzender traditioneller Begriff für Frankreich im Sinne der Art. 23, 24 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 unter Schutz stehe. Fern liege auch die Gefahr einer Verwechslung des Begriffs „Privat-Reserve“ mit einem Qualitätsstandard aus dem nichtdeutschsprachigen Ausland. Entsprechendes gelte aber auch hinsicht­lich des in Österreich verwandten Begriffs „Reserve“, zu dem eine hinlängliche Unterscheidung aufgrund des Zusatzes „Privat“ am Anfang der Bezeichnung bestehe.    

II. Die - danach im Zurückverweisungsverfahren allein noch zu prüfende - Gefahr einer Irreführung durch die Verwendung der französischen Bezeichnung „Réserve/Grande Réserve“ und der deutschen Bezeichnung „Privat-Reserve“ für den deutschen Wein des Klägers im Sinne der genannten Vorschriften (vgl. Art 48, 1. Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999, Art. 6 Abs. 1, Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 753/2002) besteht jedoch nach Überzeugung des Senats nicht, insbesondere nicht durch die französische Übersetzung geschützter ergänzender traditioneller Begriffe. 

Die in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 aufgeführten ergänzenden traditionellen Begriffe sind gegen Aneignung, Nachahmung oder Anspielung unbedingt nur in der jeweiligen Sprache geschützt. Dies ergibt sich aus Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 753/2002. Das dort geregelte hohe Schutzniveau gilt nur eingeschränkt gegenüber Übersetzungen in eine andere Sprache. Sie sind nur dann unzulässig, wenn die Gefahr der Verwechslung mit dem geschützten Begriff oder der Irreführung des Verbrauchers besteht. Dies folgt nicht nur aus dem allgemeinen Verbot falscher und irreführender Bezeichnungen und Aufmachungen, wie es in Art. 48, 1. Gedankenstrich der Verordnung (EG) NR. 1493/1999 und - speziell - in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 752/2002 seinen Niederschlag gefunden hat, sondern auch aus der Schutzregime für die ergänzenden traditionellen Begriffe, wie es in Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Verord­nung (EG) Nr. 752/2002 zum Ausdruck gekommen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 13. März 2008, C - 285/06, Rn. 44; BVerwG, a.a.O., Rn. 21, 27).    

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen einer Verwechslungs­gefahr bereits abschließend geprüft und verneint hat (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 28 ff.), steht hier allein noch die objektive Feststellung einer konkreten Gefahr der Irreführung des Verbrauchers in Frage. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 16.7.1998, NJW 1998, 3183) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. a.a.O., Rn. 32) auf den wahrscheinlichen Erwartungshorizont des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen, also weder auf den flüchtigen Verbraucher noch umge­kehrt auf den Weinkenner.

Eine Irreführungsgefahr wäre danach - bezogen auf den vorliegenden Fall - dann gegeben, wenn der so beschriebene Verbraucher mit den geschützten ergänzen­den traditionellen Begriffen oder mit den französischen Bezeichnungen einen besonderen Qualitätsstandard verbindet, den er aufgrund der vom Kläger beab­sichtigten Bezeichnungen auf den deutschen Wein überträgt, und der Wein des Klägers diese Qualitätsanforderungen nicht erfüllt (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 32, 35). Hiervon ausgehend kann vorliegend nicht angenommen werden, dass die von dem Kläger für seine Weine vorgesehenen Weinbezeichnungen in französischer und deutscher Sprache den Verbraucher in die Irre führen.  

1. Eine Irreführungsgefahr besteht zunächst nicht mit Blick auf die portu­giesischen, spanischen, italienischen, griechischen und österreichischen geschützten ergänzenden traditionellen Begriffe und den damit verbundenen Qualitätsstandards der Weine.

a) Eine solche Gefahr ist im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungs­gerichts zwar bereits deshalb ausgeschlossen, weil in der Verwendung des französischen Begriffs von vornherein nicht die Anmaßung von Qualitätsmerk­malen nach außerfranzösischen Regeln vermutet werden kann (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 29).

Wenn man aber gleichwohl beim Verbraucher eine Verbindung der vom Kläger beabsichtigten Bezeichnungen zu den geschützten traditionellen Begriffen unterstellen wollte, dann geht die daran geknüpfte Annahme - angesichts der unterschiedlichen Qualitätsanforderungen an die geschützten Weine in den fünf Ländern (vgl. die Darstellung des Beklagten im Schriftsatz vom 25. September 2008) - allenfalls auf eine allgemeine Erwartung einer besonderen Qualität dieser Weine. Dabei kann für den hier zu entscheidenden Fall unterstellt werden, dass der Verbraucher die Erwartung eines besseren Weins mit den Kriterien einer Ertragsbeschränkung und einer längeren Lagerzeit verknüpft. Es steht allerdings nicht zu erwarten, dass einem durchschnittlichen Verbraucher die unterschied­lichen Qualitätsmerkmale (u.a. Ertragsbeschränkungen, Mindestalkoholgehalt, organoleptische Bedingungen, Lagerdauer, Lagerung in Eichenholzfässern), die auch noch untereinander kombiniert sein können, für die geschützten Weine jedes einzelnen Landes bekannt sind und er deshalb differenzierte Qualitätsbilder vor Augen hat. Über dieses Vorwissen wird allein ein Weinkenner verfügen, auf den die Prüfung der Gefahr einer Irreführung indes nicht abzustellen hat.

Lässt sich danach allenfalls unterstellen, der Verbraucher verknüpfe mit den geschützten Weinen die allgemeine Erwartung einer besonderen Qualität, dann ist jedenfalls festzustellen, dass die für die französische Bezeichnung vorgesehenen Weine des Klägers dieser Erwartung auch zu entsprechen vermögen. Der Kläger hat sich selbst einen Qualitätsmaßstab gegeben, der einer - unterstellten – allge­meinen besonderen Qualität der geschützten Weine Rechnung trägt. So nimmt er eine Ertragsbegrenzung vor (50 hl/ha bei „Réserve“, 30 hl/ha bei „Grande Réserve), hält mehrjährige Lagerzeiten ein (3 bzw. 5 Jahre) und wählt nur Aus­gangsprodukte als Grundlage aus, die das Mostgewicht mindestens von einer Spätlese aufweisen (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2008; Bericht des Landes­untersuchungsamts vom 20. Oktober 2008, Bl. 458 f. GA). Damit genügt der Kläger mit seinen Weinen einem gehobenen Qualitätsstandard, der sich hinsicht­lich der Kriterien und auch der Endprodukte aus Sicht des mit durchschnittlichen Weinkenntnissen vertrauten Verbrauchers - nicht des Weinkenners - nicht erheb­lich von dem der geschützten Weine mit ihren Anforderungen unterscheidet (vgl. dazu die Darstellung des Beklagten im Schriftsatz vom 25. September 2008).

Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt eine Irreführungsgefahr nicht schon darin, dass der Kläger eine Auswahl aus den Qualitätskriterienkatalogen der ver­schiedenen geschützten ergänzenden traditionellen Weinen getroffen und so einen eigenen, neuen Qualitätsstandard für seinen Wein begründet hat. Andern­falls wäre das im Jahr 2003 im Weinbezeichnungsrecht eingeführte, im Sinne der Wahrenverkehrsfreiheit zu verstehende sog. Missbrauchsprinzip im Wesentlichen ausgehebelt; das Vorliegen bestimmter geschützter Angaben würde regelmäßig die Entwicklung weiterer Bezeichnungen verhindern. Rechtliche Schranke ist allein die konkrete, nicht schon die abstrakte Gefahr der Irreführung des Verbrauchers; eine solche konkrete Irreführungsgefahr kann hier nicht festgestellt werden.       

b) Die Gefahr einer Irreführung durch die Bezeichnung „Privat-Reserve“ gegen­über dem in Österreich mit dem ergänzenden traditionellen Begriff „Reserve“ geschützten Wein ergibt sich ebenfalls nicht. Der Senat teilt nicht die Ansicht des Beklagten, der Begriff „Privat-Reserve“ stelle eine Steigerungsform zu „Reserve“ dar, sondern ist vielmehr grundsätzlich ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass beide Begriffe weit auseinander liegen (vgl. a.a.O., Rn. 25, 30). Wie bereits ausgeführt, weist der klägerische Wein ein an den geschützten Weinen orientiertes Qualitätsniveau auf, das sogar über dem des geschützten „Reserve“ aus Österreich liegen dürfte.

2. Eine Irreführungsgefahr besteht des Weiteren nicht mit Blick auf die für französischen Wein verwendeten Begriffe „Réserve/Grande Réserve“, die wegen der identischen Bezeichnung des deutschen Weines des Klägers aus Sicht des Senats am ehesten noch zu befürchten wäre, hier aber ausscheidet.  

a) Eine Prüfung insoweit ist zwar - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht deshalb entbehrlich, weil der aus Frankreich stammende Wein hinsichtlich seiner französischen Bezeichnung nicht im Sinne der Art. 23, 24 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 als ergänzender traditioneller Begriff geschützt ist. Denn insoweit gilt zumindest das allgemeine Irreführungsverbot nach Art. 48, 1. Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002). Eine Irreführungsgefahr in diesem Sinne ergibt sich vorliegend jedoch nicht durch die Verwendung der französischen Begriffe für deutsche Weine des Klägers.

Dabei ist schon zweifelhaft, ob mit den aus Frankreich stammenden Weinen mit der Bezeichnung „Réserve/Grande Réserve“ seitens eines durchschnittlichen Verbrauchers Erwartungen einer besonderen Qualität des Weins verbunden werden, und weiter, welche Kriterien diesen zugrunde liegen. Denn in Frankreich bestehen keine gesetzlich geregelten Qualitätsanforderungen für einen diese Angaben aufweisenden Wein (vgl. Hans Ambrosi, Wein von A - Z, Bl. 116 GA; Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum - Rheinpfalz -, Bl. 421 GA; Der Brockhaus Wein, 2. Aufl. 2008, zu Reserva). Entsprechendes gilt auch unter den Gesichtspunkten des Herkommens und Gebrauchs der Bezeichnungen, denn Qualitätsstandards legt in Frankreich für diese Weine jeder Winzer selbst fest. Generell geltende Qualitätskriterien bestehen mithin also nicht, so dass die Erwartung eines durchschnittlichen Verbrauchers an einen solchen Wein nicht ohne weiteres ermittelbar sein dürfte.

Eine abschließende Feststellung insoweit ist jedoch entbehrlich. Denn der Kläger kann mit seinen deutschen Weinen, für die er die Bezeichnung „Réserve/Grande Réserve“ verwenden möchte, die Erwartung einer besonderen Qualität des Weins erfüllen, wie sie nicht höher an einen französischen Wein gleicher Bezeichnung sein kann. Der Kläger legt nämlich - wie schon ausgeführt - ein eigenes, weitest­gehend anhand objektiver Kriterien bestimmtes Qualitätsniveau fest, indem er eine Ertragsbegrenzung vornimmt, mehrjährige Lagerzeiten einhält und nur Ausgangs­produkte von hohem Mostgewicht als Grundlage auswählt. Damit genügt der Kläger mit seinen Weinen einem gehobenen Qualitätsstandard, der sich hinsicht­lich der Kriterien und auch der Endprodukte nicht negativ von einem französischen Wein abhebt, der sich in der Praxis allenfalls durch reduzierten Ertrag und längere Reifezeit auszeichnen dürfte. 

b) Eine Irreführung gegenüber französischem Wein „Réserve/Grande Réserve“ durch die Verwendung der deutschen Bezeichnung „Privat-Reserve“ durch Weine des Klägers ist erst Recht auszuschließen. Es besteht eine deutliche sprach­liche/phonetische Unterscheidbarkeit hinsichtlich eines Weins, der sich auch in qualitativer Hinsicht mit einem französischen Wein gleicher Bezeichnung messen kann.     

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

...

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,00 € festgesetzt (§ 52 GKG).

(Unterschriften)