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OLG Hamburg: Einkaufsgutscheine für Internet-Versandhandel

Leitsätzliches

Auch nach Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung ist es wettbewerbswidrig, an Gewerbetreibende Einkaufsgutscheine im Wert von 30,00 DM ab einem Bestellwert von 100,00 DM zu versenden.

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT HAMBURG

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 5 U 111/01

Entscheidung vom 28. November 2001

 

 

 

Aus dem Tatbestand

 

Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Werbung mit Einkaufsgutscheinen in Anspruch. Die Beklagte betreibt im Internet einen Versandhandel mit Büroartikeln. Sie führt nach eigenen Angaben 14.000 Büroartikel im Sortiment, darunter eine Vielzahl von Billigartikeln (Kugelschreiber, Briefumschläge usw.). Ab einem Bestellwert von 100 DM liefert die Beklagte versandkostenfrei.

 

Mitte April 2000 verschickte die Beklagte an ca. 1,5 Mio. Gewerbetreibende Einkaufsgutscheine über 30 DM. Diese sollten bei der ersten Bestellung eingelöst werden. Die Gültigkeit des Gutscheins war befristet bis zum 19.4.2000.

 

(...)

 

 

 

Aus den Entscheidungsgründen

 

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das LG die Beklagte dazu verurteilt es zu unterlassen, an Gewerbetreibende Einkaufsgutscheine über 30 DM zu versenden und der Ankündigung entsprechend einzulösen.

 

(...)

 

2. Zutreffend hat das LG nur auf § 1 UWG als Anspruchsgrundlage abgestellt. Die mittlerweile aufgehobene ZugabeV0 war auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil Einkaufsgutscheine auf die Einlösung von Waren gerichtet sind, also auf den Kaufpreis der Bestellung angerechnet werden; damit war der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2c der ZugabeV0 erfüllt (Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 ZugabeV0 Rz. 34, 35). Daraus folgt zugleich, dass aus der Aufhebung der ZugabeV0 nicht die Zulässigkeit der hier streitigen Einkaufsgutscheine hergeleitet werden kann.

 

3. Nach st. Rspr. können Geld- und Warengeschenke sog. Wertreklame - unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens unlauter gern. § 1 UWG sein, wie es das LG ausgeführt hat. Trifft der Kunde seine Kaufentscheidung nicht mehr nach Güte und Preiswürdigkeit, sondern danach, wie er in den Genuss des Werbemittels kommt, ist die Werbung wettbewerbswidrig. Dabei sind Geldgeschenke - darunter fallen Warengutscheine mit einem bestimmten Geldwert - als besonders anlockend anzusehen.

 

Wie das LG gleichfalls überzeugend dargelegt hat, ist eine Geldzuwendung im Bereich von Massenprodukten im Pfennigpreisbereich, wie sie im Büroartikelbereich vorkommen und jedenfalls auch von der Beklagten geführt werden, durchaus als erheblich anzusehen. Hinzu kommt, dass es gerade bei Büroartikeln problemlos möglich ist, sich für längere Zeit zu bevorraten und diese auch privat zu benutzen. Gewerbetreibende, die als Kaufleute ihre Kosten niedrig halten müssen, werden durch ein so offensichtliches »Schnäppchen« in wettbewerbsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise davon abgehalten, sich mit Konkurrenzanbietern und der Qualität der Ware zu befassen.

 

Außerdem wird durch den Gutschein i.V.m. der Versandkostenfreiheit ab einem Bestellwert von 100 DM gerade für kleine Gewerbetreibende ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, Büroartikel in größerer als benötigter Menge auf Vorrat zu bestellen.

 

Schließlich hat das LG zu Recht auf die Nachahmungsgefahr und die langfristigen Auswirkungen auf den Büroartikelmarkt abgestellt, wenn eine solche Werbung Schule machen sollte. Bei der Lauterkeitsprüfung von Wertreklame entsprechen auch wirtschaftspolitische Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH GRUR 1995, 353 - Super-Spar-Fahrkarten, wo ausgeführt ist, dass die zunehmende Gewährung von Fahrkartenvergünstigungen im Nahverkehr durch Versicherungsunternehmen an ihre Kunden dazu führen würde, dass immer weniger Kunden den Normaltarif bezahlten und diese Kunden und/oder die Allgemeinheit die durch die Preisnachlässe verursachten Kosten mittragen müssten).

 

4. Die Lauterkeitsprüfung nach § 1 UWG führt hier auch nicht deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil aus der zwischenzeitlichen Aufhebung der ZugabeV0 und des RabattG eine allgemein liberalere Zulassung der Wertreklame zu folgern wäre, wie dies jetzt in vielen Zeitschriftenaufsätzen zu lesen ist. Die Gesetzesbegründung zur Abschaffung dieser Gesetze verweist ausdrücklich darauf, dass die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften anwendbar bleiben (Fundstellen bei Nordemann, NJW 2001, 2505 [2509]). Es wird also in Zukunft auf eine Prüfung jedes Einzelfalls ankommen, wobei z.B. neben der Höhe der Wertreklame im Verhältnis zum jeweils beworbenen Produkt auch die sonstigen marktbezogenen Besonderheiten zu berücksichtigen sein werden (Heermann, WRP 2000, 855 [862]). Diese Prüfung hat - wie ausgeführt - hier die Unzulässigkeit der angegriffenen Warengutscheine zur Folge.

 

5. Soweit der Unterlassungsanspruch auf die Einlösung der Gutscheine gerichtet ist, hat das LG der Klage ebenfalls zu Recht stattgegeben, da auch die Einlösung derartiger Gutscheine den lauteren Wettbewerb unmittelbar beeinträchtigt (vgl. OLG Hamburg v. 7.9.1995 - 3 U 291/94, WRP 1996, 314 [321] - Schmuckset).

 

(...)