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BGH, Urteil vom 13. März 2003, AZ: I ZR 146/00, - umgekehrte Versteigerung

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Eine umgekehrte Versteigerung, bei der der Preis des Kaufgegenstands mit jedem Gebot niedriger wird, versetzt die Bieter nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht in einen solchen Spielrausch, dass sie nicht mehr frei entscheiden können, ob sie den Gegenstand tatsächlich kaufen wollen oder lediglich dem Spielreiz erliegen. Die in den Vorinstanzen gesehene Wettbewerbswidrigkeit verneint der Senat. Umgekehrte Versteigerungen sind daher grundsätzlich zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: I ZR 146/00

Entscheidung vom 13. März 2003

 

In dem Rechtsstreit

...

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. ... und die Richter ... für Recht erkannt:

 

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 2000 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 16. Dezember 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand:

Die Beklagte betreibt einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Sie bewarb am 1. September 1998 einen gebrauchten Pkw mit der nachfolgend wiedergegebenen Anzeige: (..)

Der klagende Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe hält die Werbung für wettbewerbsrechtlich unzulässig, weil die in Aussicht gestellte Preisreduzierung geeignet sei, den Kunden unsachlich zu beeinflussen. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, die in der Anzeige enthaltene Preisgegenüberstellung sei seit der Abschaffung des früheren § 6e UWG erlaubt. Nach dem zugrundezulegenden gewandelten Verbraucherleitbild und vor dem Hintergrund, daß gleichartige Verkaufsaktionen auch von anderen Händlern durchgeführt würden, könne eine unsachliche Beeinflussung des angesprochenen Verkehrs durch die angegriffene Werbemethode nicht mehr angenommen werden.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt,

 

1. es (unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel) zu unterlassen, in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung, wie nachstehend wiedergegeben, beim Angebot eines Kraftfahrzeuges anzukündigen:
"Autoversteigerung
Dieses Auto kommt unter den 'Hammer'. In jeder Woche, in der das Auto nicht verkauft wird, fällt der Preis um 300,- DM. Aber warten sollten Sie nicht zu lange." (Es folgt die oben wiedergegebene Anzeige),
2. an den Kläger 250,56 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben (OLG Köln VRS 101 [2001], 415). Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht hat in der angegriffenen Anzeige wegen der in ihr enthaltenen Verbindung von aleatorischen Elementen mit solchen der Wertreklame einen Verstoß gegen § 1 UWG erblickt. Dazu hat es ausgeführt: Der Bundesgerichtshof habe in seiner Entscheidung "Umgekehrte Versteigerung" (Urt. v. 20.3.1986 - I ZR 228/83, GRUR 1986, 622 = WRP 1986, 381), der ein weitgehend gleichgelagerter Fall zugrunde gelegen habe, überzeugend dargelegt, daß der Kunde ohne echte Gegenleistung eine durch bloßes Zuwarten erspielbare Vorteilszuwendung (Preisreduzierung) erhalte und daß dieses System schließlich zu Kaufentschlüssen führen könne, die nicht auf sachlichen Überlegungen beruhten. Im Falle der Zulässigkeit der angegriffenen Werbung drohe zudem die "Verwilderung der Wettbewerbssitten" durch unseriöse Nachahmer, die zunächst überhöhte Preise ("Mondpreise") verlangen und/oder bei Unterschreiten der Gewinnschwelle die Aktion abbrechen könnten. Die von der Beklagten angeführte angebliche Veränderung des Verbraucherleitbildes gebe keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung, da auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher den dargestellten Gefährdungen ausgesetzt sei.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstößt die angegriffene Werbung der Beklagten nicht gegen § 1 UWG.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist im rechtlichen Ansatz davon auszugehen, daß weder der Einsatz von Wertreklameelementen im Rahmen einer Werbeanzeige noch der hiervon möglicherweise ausgehende sogenannte aleatorische Reiz für sich allein ausreichen, um eine Werbemaßnahme als unlauter i.S. von § 1 UWG erscheinen zu lassen. Es müssen vielmehr zusätzliche besondere Umstände vorliegen, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit i.S. von § 1 UWG rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2000 - I ZR 239/97, GRUR 2000, 820, 821 = WRP 2000, 724 - Space Fidelity Peep-Show). Wettbewerbswidrig ist die Werbung erst dann, wenn der Einsatz aleatorischer Reize dazu führt, die freie Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise so nachhaltig zu beeinflussen, daß ein Kaufentschluß nicht mehr durch sachliche Gesichtspunkte, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten Gewinnchance bestimmt wird (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.1989 - I ZR 180/87, GRUR 1989, 757 = WRP 1989, 799 - McBacon; Urt. v. 5.2.1998 - I ZR 151/95, GRUR 1998, 735, 736 = WRP 1998, 724 - Rubbelaktion; BGH GRUR 2000, 820, 821 - Space Fidelity Peep-Show).

2. Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht in der beanstandeten Werbung einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG gesehen hat.

a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung allerdings mit Recht zugrunde gelegt, daß die in Rede stehende Werbeanzeige aleatorische Elemente enthält. Diese liegen darin, daß bei der angekündigten "umgekehrten Versteigerung" des gebrauchten Kraftfahrzeugs der Kaufpreis in zuvor bestimmten zeitlichen Abständen um einen ebenfalls vorher bestimmten Betrag sinkt und der Zuschlag demjenigen erteilt wird, der zuerst den aktuellen Preis akzeptiert. Im Streitfall bedeutet dies eine Verbilligung des Kaufpreises um 300 DM wöchentlich, so daß der von der Anzeige ausgehende Anreiz zur näheren Befassung mit dem Angebot der Beklagten mit jeder ablaufenden Woche stärker wird und mit dem wöchentlichen Anstieg der "Gewinn"-Chance eine steigende suggestive Wirkung auf den Leser ausübt.

b) Der Annahme des Berufungsgerichts, durch die angegriffene Werbung werde die freie Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise so nachhaltig beeinflußt, daß ein Kaufentschluß nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich von dem Streben nach der in Aussicht gestellten Gewinnchance bestimmt werde, kann nicht beigetreten werden.
Soweit sich aus dem vom Berufungsgericht angeführten Senatsurteil vom 20. März 1986 (I ZR 228/83, GRUR 1986, 622 = WRP 1986, 381 – Umgekehrte Versteigerung I) etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten. Der Annahme einer unsachlichen Beeinflussung des Kaufentschlusses durch die beworbene wöchentliche Preisreduzierung steht vor allem entgegen, daß die Anschaffungskosten für den angebotenen Gebrauchtwagen eine beträchtliche Investition darstellen. Der angesprochene durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher, der sich mit dem Erwerb des beworbenen Pkws befaßt, wird von dem Angebot erfahrungsgemäß nur nach reiflicher Überlegung und Prüfung von Vergleichsangeboten, die im allgemeinen in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen und unschwer zugänglich sind, Gebrauch machen (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1998 - I ZR 222/95, GRUR 1999, 256, 257 = WRP 1998, 857 - 1.000,-- DM Umwelt-Bonus).
Die bloße Befürchtung eines potentiellen Kunden, daß ein anderer Kaufinteressent ihm bei einem weiteren Abwarten mit der Kaufentscheidung zuvor kommen könnte, gehört zum Wesen des Angebots eines bestimmten Gegenstandes. Der Gewerbetreibende ist im übrigen in seiner Preisgestaltung grundsätzlich frei. Er kann seine allgemein angekündigten Preise zu jedem ihm sinnvoll erscheinenden Zeitpunkt nach Belieben erhöhen oder senken, sofern nicht Preisvorschriften entgegenstehen oder unlautere Begleitumstände, wie beispielsweise das systematische Herauf- und Heruntersetzen von Preisen zur Verschleierung von "Mondpreisen" (Preisschaukelei), gegeben sind (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rdn. 292 f.; Piper in: Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 280). Dabei spielt es keine Rolle, ob der jeweils geforderte Preis einem objektiven Marktwert entspricht.

c) Die angegriffene Werbemethode ist als solche nicht unlauter. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß sie in ihrer Häufung zu schädlichen, rechtlich zu mißbilligenden Auswüchsen im Wettbewerb führen könnte und deshalb vorbeugend unterbunden werden müßte.

d) Ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten steht dem Kläger mangels Begründetheit des Unterlassungsbegehrens ebenfalls nicht zu.

III.
Danach war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben, auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)