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AG Heidenheim: Beschluss vom 01. Dezember 2003, AZ.: 3 Ds 424/03 - In Österreich zugelassene Werbung für Sportwetten zulässig

Leitsätzliches

Werbung für in Österreich zugelassene Sportwetten ist in Deutschland nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht verboten. § 284 StGB hat im vorliegenden Fall unanwendbar zu bleiben, da er einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch EG-Vertrag gewährleistete Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit der österreichischen Anbieter Gesellschaft der mit dieser zusammenarbeitenden Angeschuldigten darstellt.

AMTSGERICHT HEIDENHEIM

- Strafabteilung -

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 3 Ds AK 424/03
                   42 Js 5187/03

Entscheidung vom 01. Dezember 2003

 

In der Strafsache gegen

1. den am ..........in Amberg geborenen, in ...  wohnhaften,...
- deutscher Staatsangehöriger –

2. die am .........in München geborene, in ... , wohnhafte, geschiedene
- deutsche Staatsangehörige –

wegen unerlaubten Glückspiels

1. Die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens wird


a b g e l e h n t.


2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt die Staatskasse.

3. Die Sicherstellung der am 07.11.2002 sowie am 27.02.2003 in Verwahrung genommenen Tageseinnahmen in Höhe von 400,00 € und 30,00 € sowie der weiteren in Verwahrung genommenen und bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen/Jagst unter der BV-Nr. 139/03 asservierten Gegenstände wird

a u f g e h o b e n. 

4. Die Staatskasse ist verpflichtet, dem Angeschuldigten für die Sicherstellung der unter Ziffer 3 bezeichneten Gegenstände Entschädigung zu gewähren.


G r  ü n d e:

I.
Den Angeschuldigten liegt nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Ellwangen/Jagst vom 18.09.2003 folgender Sachverhalt zur Last:
Der Angeschuldigte ist seit Januar 2002 Komplementär der Firma Euro-Play Speyer & Wahl KG mit Geschäftssitz in Heidenheim. In dieser Funktion meldete er am 14.10.2002 bei der Stadtverwaltung in Heidenheim ein Gewerbe mit dem Geschäftszweck „Betrieb von Internetbüros und- cafes als Franchisegeber, Bera-tung und Unterstützung beim Abschluss von Internetgeschäften, Betreib von Annahmestellen von Sportwetten“ an. Darüber hinaus hat er bereits seit 15.05.2002 Räumlichkeiten im Gebäude Brenzstraße 20 in Heidenheim angemietet. In diesen Räumlichkeiten unterhielt er zumindest im Zeitraum zwischen dem 15.10.2002 und dem 27.02.2003 ein für jedermann zugängliches Wettbüro, in welchem sich die Kunden insbesondere an Sportwetten  der in Österreich niedergelassenen Firma Cash-Point Oddsline GmbH beteiligen konnten. Dies erfolgte entweder durch Ausfüllen von Wettscheinen, die im Ladenlokal auslagen und nebst des Wetteinsatzes vom anwesenden Personal entgegen genommen wurden, oder mittels der bereitgestellten Terminals im Onlineverfahren, wobei der Angeschuldigte für den letztgenannten Fall auch spezielle Prepaid-Karten der Firma Cash-Point, mit denen der Wetteinsatz beglichen werden konnte, bereithielt und verkaufte.
Im gesamten Zeitraum war die Angeschuldigte eine Angestellte der Firma Euro Play Spayer & Wahl KG, als alleinige Aufsichtsperson in dem Wettbüro tätig und unterstützte die Kunden auf die beschriebene Weise bei den Wettabschlüssen.
Im Rahmen dieser Sportwetten konnten – wie beide Angeschuldigten wussten – interessierte Spieler auf den Ausgang von Sportereignissen namentlich von Fußballspielen, Geldbeträge setzen, wobei sie im Erfolgsfalle einen nach vorgegebenen Quoten errechneten Gewinn erhielten. Die Quoten waren aus entsprechenden Quotenblättern der Firma Cash-Point ersichtlich, welche ebenfalls in dem Wettbüro auslagen.
Spätestens seit der ersten polizeilichen Kontrolle des Wettbüros am 07.11.02 war bei den Angeschuldigten bewusst, dass zur Veranstaltung solcher Sportwetten eine von den zuständigen deutschen Behörden ausgestellte Erlaubnis erforderlich war und dass eine solche Erlaubnis weder der Firma Cash-Oddsline GmbH noch der Firma Euro-Play Speyer & Wahl KG vorlag.

II.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird aus rechtlichen Gründen abgelehnt.
§ 284 StGB hat im vorliegenden Fall unanwendbar zu bleiben, da er einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch EG-Vertrag gewährleistete Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit der österreichischen Cash-Point Oddsline GmbH und der mit dieser zusammenarbeitenden Angeschuldigten darstellt.

1. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 08.11.2003, C 242/01) liegt sowohl ein Eingriff die Niederlassungsfreiheit als auch ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der österreichischen Firma Cash-Point Oddsline GmbH vor. (EuGH aaO Rand-Nr. 44 ff, 50 ff, dessen Urteil die im wesentlichen vergleichbare italienische Reglegung zum Gegenstand hatte). Denn durch das Verbot der Tätigkeit der Angeschuldigten wird zumindest mittelbar auch die Betätigung dieses österreichischen Wettbüros in Baden Württemberg unterbunden.

2. Ein solcher Eingriff bzw. eine solche Beschränkung ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu rechtfertigen. Die Beschränkungen müssen deshalb geeignet sein, die Verwirklichung des mit Ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (EuGH aaO, Rand-Nr. 65).

3. Als zwingendes Allgemeininteresse hat der EuGH grundsätzlich den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt (Rand-Nr.67). Deshalb sind die mit § 284 StGB verfolgten Ziele, nämlich eine übermäßige Anregung der Nachfrage von Glücksspielen zu verhindern, durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten und eine Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken zu verhindern (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.03.2001, 6 C 2/01, Bl. 238 d. A.) zunächst als tauglicher staatlicher Zweck anzusehen.

4. An die Eignung der Beschränkung, dieses Ziel zu erreichen, stellt der EuGH allerdings erhöhte Anforderungen. Die Reglementierung müssten kohärent und systematisch zur Zielerreichung beitragen (Rand-Nr. 67). Dazu heißt es unter Rand-Nr. 69 „Soweit nun aber die Behörden eines Mitgliedsstaates die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen können sich die Behörden dieses Staates nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen, um Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu rechtfertigen“. Dieser – etwas umständlich formulierte Satz ist so zu verstehen, dass ein Staat sich widersprüchlich verhält, wenn einerseits selbst die Glücksspiele anbietet und für die Teilnahme entsprechend wirbt (vgl. nur die Internetseite der zu 100% vom Land Baden Württemberg gehaltenen Staatlichen Toto-Lotto GmbH, Bl. 280 d.A.), deren Veranstaltung bzw. Vermittlung andererseits den Bürgern verbietet. Die Eindämmung des Glücksspiels an sich ist deshalb letztendlich kein Gesichtspunkt, der den Eingriff in die Freiheiten des EG-Vertrages rechtfertigt. Übrig bleibt deshalb die Erwägung, die Kommerzialisierung der natürlichen Spielleidenschaft einer staatlichen Kontrolle zu unterziehen. Dementsprechend verbietet § 284 StGB das Glücksspiel nicht an und für sich, sondern lässt mit behördlicher Erlaubnis das Glücksspiel zu.

5. Insoweit d.h. für die Erreichung dieses anzuerkennenden Zieles, fehlt es aber an der Erforderlichkeit der geltenden Regelung, jedenfalls in Baden-Württemberg. Die durch § 284 StGB unter Erlaubnisvorbehalt gestellte Tätigkeit des Angeschuldigten Speyer ist in Baden-Württemberg nicht erlaubnisfähig. Eine bundesgesetzliche Regelung, die eine Erlaubnis ermöglichen würde, gibt es nicht. Insbesondere sind die Vorschriften der Gewerbeordnung gemäß § 33 h Gewerbeordnung nicht anwendbar. Auch eine landesrechtliche Regelegung fehlt. Insbesondere enthält das Gesetz über eine Sportwette mit festen Gewinnquoten (Oddset-Wette) in Baden-Württemberg vom 21.08.1999 keine Erlaubnistatbestände. Letztendlich unterliegt die Tätigkeit des Angeschuldigten ........ in Baden-Württemberg einem staatlichen Monopol. Eine solche Monopolisierung ist der schärfste Eingriff. Es ist nicht erkennbar, dass schonendere Maßnahmen den vom Gesetzgeber verfolgten Regelungszweck weniger gut erreichen würden. So könnte den angesprochenen Gefahren genauso gut auf andere Weise begegnet werden, etwa durch ein Verbot agitatorischer Werbung, durch ein strenges Konzessionssystem und durch sonstige Kontrollmechanismen. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Einschätzung der Effektivität seiner Maßnahmen grundsätzlich einen Beurteilungs- und Prognosespielraum. Jedoch hat schon das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) ausgeführt, dass der Gesetzgeber seine diesbezüglichen Einschätzungen nach einer gewissen Zeitspanne überprüfen muss. Dies geht jedoch nicht weit genug. Insoweit stellt sich bereits die Frage, anhand welcher Erfahrungen der Gesetzgeber seine Einschätzung zur Effektivität und Erforderlichkeit seiner Maßnahmen überprüfen können soll, wenn er die Privaten, wie in Baden-Württemberg, erst gar nicht zum Zuge kommen lässt. Nimmt man die Rechtssprechung des EuGH ernst und anerkennt man, dass die Finanzierung staatlicher Aufgaben nicht der eigentliche Grund, sondern allenfalls erfreuliche Nebenfolge (EuGH a.a.O. Rn 62) der Beschränkungen sein darf, so ist daraus die prozessuale Konsequenz zu ziehen, dass der Staat die Erforderlichkeit konkret darlegen und nicht lediglich pauschal behaupten darf. Andernfalls liefe die strikte freiheitliche Rechtsprechung des EuGH leer. Im Zweifel sollte der Staat zunächst die schonenderen Maßnahmen wählen und erst nachlegen, wenn erkennbar wird, dass diese zur Zielerreichung nicht ausreichen. Eine solche konkrete Darlegung der Erforderlichkeit des Totalverbots in Baden-Württemberg ist nicht ersichtlich.
Nach alledem ist § 284 StGB im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Auf die streitigen Fragen insbesondere der Auslegung des Begriffs Glücksspiel, Veranstalten etc. kommt es nach alledem nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 457 StPO die Entscheidung über die Entschädigung aus § 2 StrEG.


(Unterschrift)