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LArbG Hamburg, Urteil v. 21.07.2016, Az.: 8 Sa 32/16

Leitsätzliches

Ist der bestellte Datenschutzbeauftragte eines Unternehmens für längere Zeit verhindert, ist ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter zu bestellen. Dieser genießt dann Sonderkündigungsschutz wenn er während der Verhinderung des (Haupt-)Datenschutzbeauftragten dessen Tätigkeit tatsächlich wahrgenommen hat.

Landesarbeitsgericht Hamburg

Im Namen des Volkes

Urteil

Entscheidung vom 21.07.2016

Az.: 8 Sa 32/16

 

In dem Rechtsstreit

...

für Recht anerkannt:

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13.04.2016 (27 Ca 486/15) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Betriebskrankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ca. 400 Mitarbeitern. Es besteht ein Personalrat. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.04.2014 im Rahmen eines Pilotprojekts als Referent Risikomanagement auf Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt.

Zum 01.11.2012 berief die Beklagte eine Mitarbeiterin als Datenschutzbeauftragte. Nachdem diese längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt war, berief die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 01.08.2014 mit dessen Zustimmung ab dem 01.08.2014 befristet bis zum 01.02.2015 zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Der Kläger führte in dieser Funktion u.a. folgende Aufgaben aus: Verfahrensbesprechung zur Prüfung der Auftragsdatenverarbeitung durch den Dienstleister, Erörterung der Veröffentlichung einer Arbeitsunfähigkeitsstatistik sowie die Führung von Mitarbeitergesprächen mit dem Vorstand u.a. mit Sachstandsmeldung zum Datenschutz (bzgl. der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 211 – 218 d.A. verwiesen). Die ursprünglich als Datenschutzbeauftragte berufene Mitarbeiterin war ab dem 01.03.2015 wieder arbeitsfähig. Am 18.08.2015 entschied sich die Beklagte, die Aufgaben des Referenten Risikomanagements von dem Vorstand der Beklagten ausüben zu lassen und erklärte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 01.10.2015 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2015.

Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 13.10.2015 Kündigungsschutzklage erhoben, die der Beklagten am 22.10.2015 zugestellt worden ist.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Kündigung sei gemäß § 4f III BDSG unwirksam, weil der Kläger als ehemaliger Datenschutzbeauftragter nachwirkenden Kündigungsschutz genieße, die Kündigung also aus wichtigem Grund möglich gewesen wäre, dessen Vorliegen auch die Beklagte nicht behaupte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 120 – 125 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das am 13.04.2016 verkündete und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 22.04.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 23.05.2016, Berufung eingelegt und diese am 10.06.2016 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des nachwirkenden Sonderkündigungsschutzes nach § 4f III 6 BDSG nicht erfüllt seien. § 4f III 6 BDSG setze zunächst eine Abberufung des Datenschutzbeauftragen voraus. Eine Abberufung i.S.v. § 4f III 6 BDSG liege nicht vor, da das Amt des Klägers als stellvertretender Datenschutzbeauftragter unstreitig mit Befristungsablauf endete und der Befristungsauslauf mit der Abberufung nicht gleichzusetzen sei. Denn der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG solle den Arbeitnehmer nur davor bewahren, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Konflikts gekündigt werde, dessen Ursache in der Ausübung der Funktion als Datenschutzbeauftragter liege. An einer solchen Konfliktsituation fehle es bei der Beendigung der Bestellung durch Befristungsauslauf. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass es an einer für § 4f III 6 BDSG notwendigen gesetzlichen Verpflichtung zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten fehle. Das Gesetz habe eine lückenlose Verfügbarkeit des Datenschutzbeauftragten nicht sicherstellen wollen. Dies ergebe sich aus § 4f I 4 BDSG, wonach in Kleinbetrieben nichtöffentlicher Stellen keine Verpflichtung zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten bestehe. Allein die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit reiche für die Nachwirkung des Sonderkündigungsschutzes nicht aus. Schließlich ist die Beklagte der Auffassung, dass sich der Sonderkündigungsschutz des § 4f III 5 BDSG nicht auf den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten erstrecke. Dies ergebe sich zum einen aus der inneren Systematik des § 4f BDSG. Dem § 4f III BDSG sei im Verhältnis zwischen § 4f III 1-4 BDSG einerseits und § 4f III 5 BDSG und § 4f III 6 BDSG andererseits ein abgestufter Schutzmechanismus zu entnehmen. Vom Sonderkündigungsschutz seien nicht alle Formen der Bestellung von Datenschutzbeauftragten umfasst. Zum anderen liefe die Zubilligung des Sonderkündigungsschutzes für den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten dem in § 4f BDSG bezweckten Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zuwider. Weiter ergebe sich der fehlende Sonderkündigungsschutz des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten aus einem Umkehrschluss aus § 96 III 2 SGB IX, wonach das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung der Vertrauensperson ausdrücklich rechtlich gleichgestellt wird. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Sonderkündigungsschutz für Ersatzbetriebsratsmitglieder gemäß § 15 I KSchG. Es fehle an der Vergleichbarkeit zwischen dem Ersatzbetriebsratsmitglied und dem stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Denn das Ersatzmitglied des Betriebsrats gehöre einem Gremium an, der Datenschutzbeauftragte agiere hingegen allein. Für eine analoge Anwendung des § 4f III BDSG sei kein Raum, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13.04.2016, Aktenzeichen 27 Ca 486/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass der Auslauf der Befristung einer Abberufung im Sinne des § 4f III 6 BDSG gleichstehe, da der Arbeitgeber ansonsten die Möglichkeit hätte, den Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG durch Befristung des Amtes des Datenschutzbeauftragten zu umgehen. Zudem sei im Zeitpunkt der Bestellung des Klägers nicht erkennbar gewesen, ob die Datenschutzbeauftragte ihre Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Ferner führe die Arbeitsunfähigkeit der Datenschutzbeauftragten zur gesetzlichen Verpflichtung der Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Denn es entspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes, eine „kontrollfreie Situation“ zu vermeiden. Der Kläger ist schließlich der Ansicht, dass der Sonderkündigungsschutz nach § 4f III 6 BDSG auch den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten erfasse. Diesen treffe ebenfalls das Risiko, nach Beendigung seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter den Repressalien des Arbeitgebers ausgesetzt zu sein und dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund seiner ausgeführten Tätigkeit gekündigt wird. Da der Kläger die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter ausgeübt habe, sei dies für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4f III 6 BDSG ausreichend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.10.2015 nicht beendet worden. Die Kündigung ist gemäß §§ 4f III 5 und 6 i.V.m. § 134 BGB unwirksam.

1. Nach § 4f III 5 BDSG ist die Kündigung eines Datenschutzbeauftragten, der nach § 4f I BDSG zu bestellen ist, unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen. Nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz wirkt dieser besondere Kündigungsschutz gemäß § 4f III 6 BDSG innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung nach.

2. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Bestellung des Klägers zum (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten beruhte auf einer gesetzlichen Pflicht der Beklagten (ad a). Stellvertretende Datenschutzbeauftragte genießen jedenfalls dann den Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f III 5 BDSG, wenn sie während der Verhinderung des (Haupt-) Datenschutzbeauftragten dessen Tätigkeit tatsächlich wahrgenommen haben (ad b). Die streitgegenständliche Kündigung ist auch innerhalb eines Jahres nach der Abberufung des Klägers erfolgt (ab c).

a) Die Bestellung des Klägers zum (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten beruhte auf einer gesetzlichen Pflicht der Beklagten.

aa) Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 4f III 5 BDSG genießen betriebliche Datenschutzbeauftragte nur dann Sonderkündigungsschutz, wenn ihre Bestellung auf einer gesetzlichen Pflicht beruht (BT-Drs. 16/12011, S.30; Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. (2015), § 4f Tz 45a; Däubler in: Däubler/Klebe/Wedde/ Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5.Aufl. (2016), § 4f Tz 74a; Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 188; Lembke in: Henssler/Willemsen/Kalb, 7. Aufl. (2016), § 4f Tz 24; v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2013), § 4f Tz 63; Scheja in: Taegel/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 49; Moss in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 4f Tz 90; Bergmann/Möhre/Herb, Datenschutzrecht, 40. EL 11/2009, § 4f Tz 153f; Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz – Kommentar, Lfg. 6/15 XII/15, § 4f Tz 65e; Deeg, ArbRAktuell 2010, 365, 366; Franck/Reif ZD 2015, 405, 407). Eine Verpflichtung zur Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz haben nach § 4f I 1 BDSG öffentliche und nicht-öffentliche Stellen, die personenbezogene Daten automatisiert verarbeiten.

bb) Ob bei längerer Abwesenheit des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein Stellvertreter zu bestellen ist, ist umstritten.

Die überwiegende Meinung im Schrifttum lehnt eine gesetzliche Pflicht zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten selbst bei längerer Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten ab und stützt sich allein auf den Gesetzeswortlaut, den sie für eindeutig hält. Anders als in vielen landesrechtlichen Datenschutzgesetzen fehle im BDSG eine Regelung über die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten (Raum in: Auernhammer, 4. Aufl. (2014), § 4f Tz 49; Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 4/15 IX/15, § 4f Tz 44; Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. (2015), § 4f Tz 22; Lembke in: Henssler/Willemsen/Kalb, 7. Aufl. (2016), § 4f/4g Tz 3; Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 145; Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht Band 1, EL. Nov. 2009, § 4f Tz 173).

Nach anderer Ansicht sei zur Vermeidung einer „kontrollfreien Situation“ durch Krankheit, Urlaub oder Fortbildung ein ständiger Vertreter des Datenschutzbeauftragten zu bestellen (Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 25a).

Von der Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich bisher nicht entscheiden worden.

cc) Nach Ansicht der Kammer ist der Arbeitgeber zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten verpflichtet, wenn Aufgaben in diesem Bereich anstehen und der (Haupt-) Datenschutzbeauftragte diese aufgrund einer längerfristigen Verhinderung nicht wahrnehmen kann.

(1) Danach ist zunächst vom Wortlaut der Norm auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften (BAG v. 13.01.2016 – 10 AZR 42/15 – Tz 15). Die Grenze der Auslegung ist erreicht, wenn der eindeutige Wortsinn entgegensteht (BVerfG v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 – Tz 38). Soweit der Wortlaut der Norm nicht eindeutig ist, ist zunächst auf den systematischen Zusammenhang abzustellen. Danach sind die weiteren Auslegungsquellen wie die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung heranzuziehen.

(2) Der Wortlaut der Norm schließt eine Verpflichtung, ggf. auch einen stellvertretenden Datenschutzbeauftragten zu bestellen, jedenfalls nicht aus. Das Gesetz sieht die Bestellung eines „Beauftragten für den Datenschutz“ vor. Es fehlt damit an einer ausdrücklichen Regelung über die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Der Datenschutzbeauftragte ist eine bei einer Behörde, einem Betrieb, einem Land oder beim Bund bestellte natürliche Person, welche in einer besonderen Rechts- und Pflichtenstellung die Belange des Datenschutzes wahrnimmt (Alpmann Brockhaus, Studienlexikon Recht, 4. Aufl., 2014). Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte ist vom Wortsinn erfasst, weil dieser im Fall der Verhinderung mit vollen Rechten und Pflichten in die Position des Datenschutzbeauftragten eintritt und damit, wenn auch nur vorübergehend, als Datenschutzbeauftragter handelt. Ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter unterscheidet sich in der Wahrnehmung seiner Funktion nicht vom (ursprünglichen) Datenschutzbeauftragten. Ebenso könnte von einem Ersatz- oder von einem weiteren Datenschutzbeauftragten die Rede sein. Die Bezeichnung als stellvertretender Datenschutzbeauftragter bringt letztlich nur zum Ausdruck, dass der ursprünglich bestellte Beauftragte seine Funktion später wieder ausüben soll.

(3) Der systematische gesetzliche Gesamtzusammenhang des § 4f I BDSG spricht für eine gesetzliche Verpflichtung der verantwortlichen Stelle zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten bei länger dauernder Verhinderung des originären Datenschutzbeauftragten.

Das Bundesdatenschutzgesetz trifft insgesamt Regelungen, die der Effektivität der Kontrolle über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Normen dienen. § 4f I BDSG ist Unterpunkt der in § 4 BDSG enthaltenen Regelungen über die Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung. Hieraus wird deutlich, dass es sich bei dem Datenschutzbeauftragten um ein organisatorisches Element zur Einhaltung und Kontrolle notwendiger Datenschutzmaßnahmen handelt (Gierschmann/Saeugling, Systematischer Kommentar zum Datenschutzrecht (2014), § 4f Tz 3). Gemäß § 4f III 1 BDSG ist der Datenschutzbeauftragte zur Sicherung seiner Funktionserfüllung unmittelbar dem Leiter der öffentlichen bzw. nichtöffentlichen Stelle zu unterstellen. Damit wird gewährleistet, dass er direkten Zugang zu den Entscheidungsträgern hat, um beispielsweise aus Gründen des Datenschutzes erforderliche Maßnahmen unmittelbar veranlassen zu können (Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f, Tz 43). Ferner ist der Datenschutzbeauftragte gemäß § 4f III 2 BDSG bei der Ausübung seiner Tätigkeit auf dem Gebiet des Datenschutzes keinen Weisungen unterworfen. Dadurch gewährleistet § 4f III 2 BDSG, dass der Datenschutzbeauftragte in der Aufgabenerfüllung frei ist, dessen Funktionserfüllung mithin nicht beeinträchtigt wird (Moos in: Wolff/ Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 4f Tz 65). Vor diesem Hintergrund entspricht es dem gesamtsystematischen Zusammenhang des § 4f BDSG, im Falle der Verhinderung des Datenschutzbeauftragten einen Stellvertreter zu bestellen, weil nur dadurch eine effektive Funktionserfüllung des Amtes des Datenschutzbeauftragten durchgehend gewährleisten werden kann.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass § 4f I BDSG in Kleinbetrieben keine Anwendung findet. Zwar besteht auch in Kleinbetrieben grundsätzlich die Gefahr der Beeinträchtigung der informationellen Selbstbestimmung des Beschäftigten durch den Umgang mit seinen persönlichen Daten im Betrieb. Jedoch erhöht sich die Gefahr für einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten, je mehr Mitarbeiter mit den personenbezogenen Daten in Kontakt kommen (Gerhold RdV 2006, 6, 7). Es obliegt daher insoweit der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, in Kleinbetrieben von einer Verpflichtung zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten abzusehen. Die Billigung einer nur lückenhaften Kontrolle durch den Beauftragten für Datenschutz kann daraus im Hinblick auf die gesetzlichen Wertungen des § 4f BDSG nicht gefolgert werden.

Auch aus dem europarechtlichen Gesamtzusammenhang folgt nichts anderes. Zwar sieht die EG-Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr) eine Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nicht vor. Gleichwohl ist § 4f BDSG auch unter Zuhilfenahme der EG-Datenschutzrichtlinie auszulegen, da der nationale Gesetzgeber die den Datenschutzbeauftragten betreffenden Regelungen an die Vorgaben der Richtlinien anzupassen hat (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 2). Nach der EG-Datenschutzrichtlinie soll der Datenschutzbeauftragte die Rechte und Freiheiten der Beschäftigten bei der Datenverarbeitung vor Beeinträchtigungen schützen. Art. 18 II der EG-Datenschutzrichtlinie, welcher zwar nicht die Pflicht, aber die Möglichkeit der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten vorsieht, bestimmt dessen Obliegenheiten wie folgt:

„der für die Verarbeitung Verantwortliche bestellt entsprechend dem einzelstaatlichen Recht, dem er unterliegt, einen Datenschutzbeauftragten, dem insbesondere folgendes obliegt:

— die unabhängige Überwachung der Anwendung der zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Bestimmungen,

— die Führung eines Verzeichnisses mit den in Artikel 21II vorgesehenen Informationen über die durch den für die Verarbeitung Verantwortlichen vorgenommene Verarbeitung, um auf diese Weise sicherzustellen, dass die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen durch die Verarbeitung nicht beeinträchtigt werden.“

Bei längerer Abwesenheit kann der Datenschutzbeauftragte den Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen nicht mehr sicherstellen. Daher muss in seine Position ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter treten, der diese Funktion ausübt.

Dass einige Landesdatenschutzgesetze die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten ausdrücklich vorsehen, spricht nicht gegen die hier vertretene Auslegung. Bundes- und Landesgesetzgeber sind voneinander unabhängig. Von einer einheitlichen Regelungssystematik kann deshalb nicht ausgegangen werden.

(4) Auch die Entstehungsgeschichte des § 4f I BDSG spricht dafür, dass die verantwortliche Stelle gemäß § 4f I BDSG verpflichtet ist, einen stellvertretenden Datenschutzbeauftragten in Fällen wie dem vorliegenden zu bestellen.

Der Gesetzgeber hat unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Berufsausübung und im wirtschaftlichen Verkehr von der Einführung einer institutionalisierten Fremdkontrolle abgesehen und es für ausreichend erachtet, im Bereich des Datenschutzes auf Grundlage des Prinzips der Selbstverantwortlichkeit ein System abgestufter Selbstkontrolle einzuführen und damit einen Datenschutzbeauftragten als Kontrollinstanz vorgesehen (BT-Drs 7/1027, S. 29 zu § 22; BT-Drs. 7/1027 – Tz 3.8). Der Datenschutzbeauftragte soll die Durchführung des Bundesdatenschutzgesetzes sowie anderer Vorschriften über den Datenschutz in seinem Geschäftsbereich sicherstellen (BT-Drs 7/1027, S. 29 zu § 22). Er ergänzt insoweit die staatliche Aufsicht über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen und überwacht und kontrolliert die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Unternehmen (Schaffland/ Wiltfang, BDSG Lfg. 4/15 IX/15, § 4f Tz 44). Ohne die Pflicht zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten bei längerer Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten würde der Datenschutzbeauftragte in Fällen wie dem vorliegenden zu einer „Alibi-Kontrollinstanz“ werden, die den Datenschutz hinter Unternehmensinteressen zurückstehen ließe (vgl. v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2013), § 4f Tz 2). Dies widerspräche der gesetzgeberischen Intention, weil eine Selbstkontrolle insofern gerade nicht stattfinden würde.

(5) Auch Sinn und Zweck von § 4f BDSG sprechen für eine Verpflichtung des Arbeitgebers, bei längerer Verhinderung eines Datenschutzbeauftragten einen Stellvertreter bestellen zu müssen. § 4f verfolgt den Zweck, unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der öffentlichen bzw. nicht-öffentlichen Stellen die Beschäftigten effektiv vor Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen.

Die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten dient dem Schutz der personenbezogenen Daten der Beschäftigten (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 7; Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 1; v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2013), § 4f Tz 1). Der Schutz der personenbezogenen Daten in § 4f I BDSG wird allerdings nicht uneingeschränkt gewährleistet. Die Regelung in § 4f I BDSG ist vielmehr das Ergebnis einer Abwägung zwischen den betrieblichen Interessen der verantwortlichen Stelle einerseits und dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen andererseits (vgl. Gola/Klug NJW 2007, 118). Die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten ist von der Überschreitung der in § 4f I BDSG genannten Schwellenwerte abhängig. Der Schwellenwert dient ausweislich der Gesetzesbegründung dem sachgerechten Ausgleich im Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel, kleinere Unternehmen zu entlasten, und dem Erfordernis, personenbezogene Daten zu schützen (BT-Drs 16/1853, S.12). Denn Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen, wickeln in der Regel entweder ein im Hinblick auf den Datenschutz eher weniger belastendes Massengeschäft ab oder bedienen einen überschaubaren Kundenkreis (BT-Drs 16/1853, S.12).

Vor diesem Hintergrund widerspricht die Nichtanwendung des § 4f I BDSG bei längerer Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten der ratio legis, weil die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten in diesen Fällen notwendig ist und die verantwortliche Stelle nicht unverhältnismäßig belastet. Bei Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten fehlt es an der gesetzlich vorgesehenen Kontrollinstanz, welche die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen überwacht und die Umsetzung in der Praxis kontrolliert. Für den Schutz des Rechts auf informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen reicht es zwar grundsätzlich aus, wenn die verantwortliche Stelle einen Datenschutzbeauftragten gemäß § 4f I BDSG bestellt und dieser tatsächlich tätig wird. Der vom Datenschutzbeauftragten geschaffene und erforderliche Schutz der personenbezogenen Daten sinkt jedoch, je länger die Abwesenheit dauert. Führt die Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten dazu, dass letztlich nur noch die formale Bestellung des Datenschutzbeauftragten übrig bleibt, die Funktion aber nicht ausgefüllt wird, so kommt dies einer fehlenden Bestellung eines Datenschutzbeauftragten gleich. In diesem Fall lebt die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten wieder auf. Erforderlich, aber auch ausreichend ist in diesen Fällen die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Dieser tritt für die Dauer der Verhinderung vollumfänglich in die Rechte und Pflichten des Datenschutzbeauftragten ein. Zwar besteht bei der Bestellung mehrerer Datenschutzbeauftragter grundsätzlich die Gefahr, dass die gesetzlich garantierten Kompetenzen und Gewährleistungen unterlaufen werden (Franck/Reif ZD 2015, 405, 06). Diese Gefahr besteht jedoch nicht, wenn allein der stellvertretende Datenschutzbeauftragte agiert. Denn der originär zuständige Datenschutzbeauftragte füllt seine Funktion im Verhinderungsfall nicht aus, so dass gerade nicht mehrere Datenschutzbeauftragte tätig werden.

dd) Dass die von der Beklagten ursprünglich bestellte Datenschutzbeauftragte für einen erheblichen Zeitraum verhindert war, ist zwischen den Parteien unstreitig. Zwar ist das genaue Datum des Beginns der Arbeitsunfähigkeit nicht vorgetragen, diese bestand jedoch mindestens vom 01.08.2014 bis zum 28.02.2015, also für mehr als 7 Monate. Dass die Bestellung eines (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten während dieses Zeitraums auch sachlich geboten war, ergibt sich daraus, dass der Kläger unstreitig als Datenschutzbeauftragter zahlreiche Aktivitäten entfaltet hat.

b) Zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG auch den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten erfasst. Voraussetzung hierfür ist neben der Bestellung auch die tatsächliche Ausübung des Amtes als stellvertretender Datenschutzbeauftragter.

aa) Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der stellvertretende Datenschutzbeauftragte den besonderen Schutz der § 4f III 5 u 6 BDSG genießt, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten.

Die Literatur ist überwiegend der Auffassung, dass der stellvertretende Datenschutzbeauftragte (nachwirkenden) Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f III 5 u. 6 BDSG genießt (Deeg, ArbRAktuell 2010, 365; Franck/Reif, ZD 2016, 405; Range-Ditz, ArbR 2016, 231 – Anmerkung zu ArbG Hamburg v. 13.04.2016, 27 Ca 486/15; Wahlers, jurisPR-ITR 12/2016 Anm.5 – Anmerkung zu ArbG Hamburg v. 13.04.2016 - 27 Ca 486/15; wohl auch Lembke, Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), §§ 4f,4g Tz 24). Nach anderer Ansicht gilt der Kündigungsschutz hingegen nicht für den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten (Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz – Kommentar, Lfg. 6/15 XII/15, § 4f Tz 65e).

bb) Nach Auffassung der Kammer ist der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, der aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers bestellt worden ist, vom Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f III 5 u. 6 BDSG erfasst. Dies ergibt eine Auslegung des § 4f III 5 u. 6 BDSG.

(1) Der Wortlaut der Norm steht einer entsprechenden Auslegung nicht entgegen. Aus § 4f III 5 BDSG ergibt sich als einzige weitere Voraussetzung dafür, dass ein Datenschutzbeauftragter Sonderkündigungsschutz genießt, dass der Arbeitgeber zu seiner Bestellung verpflichtet war. Insoweit kann auf die Ausführungen zu a) Bezug genommen werden.

Dass der nachwirkende Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f III 6 BDSG mit der Abberufung als „Beauftragter für den Datenschutz“ beginnt, schließt etwaige Stellvertreter ebenfalls nicht aus. Dem Begriff des „Beauftragten für den Datenschutz“ kommt in § 4f III 6 BDSG keine andere Bedeutung zu als in § 4f I BDSG. Ebenso wie dort widerspricht die Auslegung im Rahmen des § 4f III 6 BDSG zur Erfassung des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten nicht dem Wortsinn des „Beauftragten für den Datenschutz“ als Grenze der Auslegung.

(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang des § 4f III 6 BDSG. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 4f III BDSG ein abgestufter Schutzmechanismus nicht zu entnehmen. Vielmehr ergänzen § 4f III 5 BDSG und § 4f III 6 BDSG die Privilegien in § 4f III 1-4 BDSG, um die Position des Datenschutzbeauftragten umfassend zu schützen (vgl. Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 73).

Dass § 4f III 6 BDSG keine § 96 III 2 SGB IX entsprechende ausdrückliche Regelung getroffen hat, steht der Annahme eines besonderen Kündigungsschutzes des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten nicht entgegen. Das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung vertritt die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung gemäß § 94 I 1 SGB IX. Es genießt durch die ausdrückliche rechtliche Gleichstellung mit der Vertrauensperson gemäß § 96 III 2 SGB IX den besonderen nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 96 III 1 SGB IX. Anders als bei dem stellvertretenden Datenschutzbeauftragten liegt indes gemäß § 94 I 1 SGB IX ein Fall der Verhinderung nicht nur bei Abwesenheit, sondern auch bei Wahrnehmung anderer Aufgaben der Vertrauensperson vor. Das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung kann daher auch parallel zur Vertrauensperson tätig werden (Düwell in: Daue/ Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 4. Aufl. (2014), § 94 Tz 7). Es erfüllt insoweit einen eigenen, von dem der Vertrauensperson abgrenzbaren Aufgabenkreis. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte wird hingegen nur tätig, wenn der originär zuständige Datenschutzbeauftragte an der Erfüllung seiner Funktion wegen Abwesenheit gehindert ist.

Auch aus dem europarechtlichen Zusammenhang des § 4f III 6 BDSG ergibt sich nichts anderes. Zwar weist die EG-Datenschutzrichtlinie keine mit den § 4f BDSG vergleichbare Regelung auf (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 1). Gleichwohl ist § 4f BDSG auch an dieser Stelle unter Zuhilfenahme der EG-Datenschutzrichtlinie auszulegen. Die Regelung in § 4f III 6 BDSG ist angepasst an die in der EG-Datenschutzrichtlinie verankerte Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten. § 4f III 6 BDSG dient mithin dazu, die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten zu bewahren (Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 185). Nach Art. 28 II der EG-Datenschutzrichtlinie haben die Stellen, welche die zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet überwachen, die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrzunehmen. Weiter heißt es in dem Erwägungsgrund 49 Satz 3 der EG-Datenschutzrichtlinie, der im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach Art. 18 II der Richtlinie steht:

„Ein solcher Beauftragter, ob Angestellter des für die Verarbeitung Verantwortlichen oder externer Beauftragter, muss seine Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können.“

Die zwingend zu gewährende Unabhängigkeit im Rahmen der Überwachungstätigkeit des Datenschutzbeauftragten ist damit ein wichtiger Bestandteil der Konzeption dieses Instituts (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 2). Um auch die Unabhängigkeit des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten zu wahren, der vorübergehend die Funktion des Datenschutzbeauftragten ausübt, muss auch diesem der nachwirkenden Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG zukommen.

(3) Der Sinn und Zweck der Norm entspricht ebenfalls dem Verständnis, den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten vom nachwirkenden Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG zu erfassen.

§ 4f III 6 BDSG soll den Datenschutzbeauftragten davor schützen, während seiner Amtszeit Repressalien des Arbeitgebers ausgesetzt zu sein (Lembke in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), § 4f Tz 24; v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2012), § 4f Tz 58). Das Gesetz geht davon aus, dass nach einem Jahr eine eventuell bestehende Verärgerung des Arbeitgebers über den Datenschutzbeauftragten abgeklungen sein wird (Lembke in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), § 4f Tz 24; v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2012), § 4f Tz 58). Die mit dem Arbeitsverhältnis zwangsläufig verbundene Abhängigkeit des Beauftragten von der verantwortlichen Stelle soll sich möglichst nicht auf seine Tätigkeit auswirken (Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 185). Die Abberufung darf sich vor allem nicht als höchst willkommener Zeitpunkt erweisen, den Datenschutzbeauftragten unverzüglich mit Nachteilen und Maßnahmen zu konfrontieren, die während seiner Amtszeit unterbleiben mussten (Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 185). Der Arbeitnehmer, der gleichzeitig als Datenschutzbeauftragter bestellt ist, befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen der Einhaltung und Verbesserung des Datenschutzes und den Interessen des Arbeitgebers, weshalb der nachwirkende Sonderkündigungsschutz eine unbelastete Aufgabenwahrnehmung gewährleisten soll (Deeg, ArbRAktuell 2010, 365).

Nach dieser ratio legis führt die Nichtanwendung des § 4f III 6 BDSG auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte zu Wertungswidersprüchen. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, der bei Ausübung dieser Funktion im Verhinderungsfall vollumfänglich in die Rechte und Pflichten des Datenschutzbeauftragten eintritt, ist etwaigen Sanktionen des Arbeitgebers ebenso ausgeliefert wie der primäre bestellte Datenschutzbeauftragte (Frank/Reif ZD 2016, 340).

(4) Zudem findet sich der nachwirkende Kündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG in ähnlicher Weise bei Ersatzmitgliedern des Betriebsrats und anderen Betriebsbeauftragten (Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 73a). Zwar ist die Rechtsstellung des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten mit den zahlreichen anderen „Beauftragten“ nicht einheitlich ausgestaltet. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Erkenntnisse, die in einem Bereich gewonnen wurden, auf einen anderen übertragen werden können (Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 3). Daher spricht vieles dafür, die zum Sonderkündigungsschutz des Ersatzmitglieds des Betriebsrats entwickelten Rechtsgrundsätze auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte entsprechend anzuwenden (vgl. ebenso Deeg, ArbRAktuell 2010, 365, 366; Range-Ditz, ArbR 2016, 231; Scheja in: Taegel/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 39).

(?) Das Ersatzmitglied des Betriebsrats ist, trotz fehlender ausdrücklicher Regelung, vom nachwirkenden besonderen Kündigungsschutz des § 15 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG erfasst (st. Rspr. BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41; BAG v. 05.11.2009 – 2 AZR 487/08 – Tz 16, BAG v. 17.01.1979 – 5 AZR 891/77 – Tz 14, BAG v. 06.09.1979 – 2 AZR 548/77 – Tz 15). Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz wird mit dem Ende der Tätigkeit als Ersatzmitglied ausgelöst (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41; BAG v. 05.11.2009 – 2 AZR 487/08 – Tz 26), wobei auch die Beendigung der befristeten Mitgliedschaft des Ersatzmitglieds den Tatbestand der „Beendigung des Amtszeit“ im Sinne des § 15 I 2 KSchG erfüllt (BAG v. 06.09.1979 – 2 AZR 548/77 – Tz 27).

Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des Ersatzmitglieds des Betriebsrats tritt allerdings nur ein, wenn das Ersatzmitglied in der Vertretungszeit konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41). Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz soll die unabhängige pflichtgemäße Ausübung des Betriebsratsamtes dadurch gewährleisten, dass er den Arbeitgeber nach dem Amtsende ein Jahr lang hindert, eine Kündigung des früheren Betriebsratsmitglieds ohne wichtigen Grund auszusprechen (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41). Die Regelung in § 15 KSchG setzt darauf, dass sich in dieser Zeit eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsgeschäfte des Betriebsratsmitglieds deutlich legt und dieses deshalb während seiner aktiven Zeit unbefangen agieren lässt (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41). Einer solchen „Abkühlungsphase“ bedarf es nicht, wenn das Ersatzmitglied des Betriebsrats während der Zeit, in der es vertretungshalber nachgerückt war, weder an Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen noch sonstige Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Es kann dann dem Arbeitgeber keinen Anlass für negative Reaktionen auf seine Amtsausübung gegeben haben und bedarf deshalb keines besonderen Kündigungsschutzes (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41; BAG v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10 – Tz 40; BAG v. 05.11.2009 – 2 AZR 487/08 – Tz 16). Damit löst das bloße Nachrücken in den Betriebsrat, welches bei Verhinderung des Ersatzmitglieds „automatisch“ erfolgt (BAG v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10 – Tz 33f), den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 I 2 KSchG nicht aus (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 44).

(b) Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum nachwirkenden Kündigungsschutz von Ersatzmitgliedern des Betriebsrats sind auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte jedenfalls dann zu übertragen, wenn diese als solche tatsächlich tätig geworden sind. Ebenso wie das Ersatzmitglied des Betriebsrats tritt der stellvertretende Datenschutzbeauftragte durch die Wahrnehmung dieser Funktion in alle Rechte und Pflichten des originären Datenschutzbeauftragten ein. Er ist damit dem gleichen Risiko ausgesetzt, mit dem Arbeitgeber in Konflikt zu geraten. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum der Stellvertreter trotz nur vorübergehender Wahrnehmung der Funktion eines Datenschutzbeauftragten weniger schutzbedürftig sein sollte. Dass das Ersatzmitglied des Betriebsrats einem Gremium angehört, während der stellvertretende Datenschutzbeauftragte allein agiert, spricht eher für eine höhere Schutzbedürftigkeit des Datenschutzbeauftragten. Anders als bei Konflikten des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat kann es bei Konflikten mit dem stellvertretenden Datenschutzbeauftragten niemals Zweifel an der Verantwortlichkeit der Person geben. Der nachwirkende Kündigungsschutz ist deshalb in beiden Fällen erforderlich, um die Ämter unabhängig, ohne Sorge um den Arbeitsplatz ausüben zu können (im Ergebnis wohl ebenso: Deeg, ArbRAktuell 2010, 365; Franck/Reif, ZD 2016, 405; Range-Ditz, ArbR 2016, 231 – Anmerkung zu ArbG Hamburg v. 13.04.2016, 27 Ca 486/15; Wahlers, jurisPR-ITR 12/2016 Anm.5 – Anmerkung zu ArbG Hamburg v. 13.04.2016, 27 Ca 486/15; wohl auch Lembke, Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), §§ 4f/4g Tz 24).

(c) Auch die Begründung des Gesetzgebers für die Einführung des § 4f III 6 BDSG spricht dafür, den nachwirkenden Sonderkündigungsschutz auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte zu erstrecken.

§ 4f III 6 BDSG ist ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/12011, S.30) an den Kündigungsschutz vergleichbarer Funktionsträger angelehnt, wie z.B. den Gewässerschutzbeauftragten (§ 21 f II .1, 2 WHG), des Immissionsschutzbeauftragten (§ 58 II 1, 2 BImSchG), des Störfallbeauftragten (§ 58 d i.V.m. § 58 II 1, 2 BImSchG), des Abfallbeauftragten (§ 55 III des KrWAbfG i.V.m. § 58 II 1, 2 des BImSchG) oder der Betriebsratsmitglieder (§ 15 I 1, 2 des KSchG). Der Gesetzgeber stellt für die Begründung des Sonderkündigungsschutzes des Datenschutzbeauftragten maßgeblich auf die Vergleichbarkeit der Art und des Umfangs der auszuführenden Tätigkeit zu den anderen geschützten Funktionsträgern ab (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010); Raum in: Auernhammer, BDSG, 4. Aufl. (2014), § 4f Tz 117; Däubler in: Däubler /Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016) § 4f Tz 73b). Wenn der Gesetzgeber den Datenschutzbeauftragten mit den anderen vergleichbaren Funktionsträgern im Betrieb gleichstellen wollte, gilt dies auch für die Erstreckung des Kündigungsschutzes auf den Zeitraum von einem Jahr nach der Beendigung der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter (Raum in Auernhammer, BDSG, 4. Aufl. (2014), § 4f Tz 117). Dass der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, der als solcher tatsächlich tätig geworden ist, der gleichen Gefahr von Konflikten mit dem Arbeitgeber ausgesetzt ist wie der primäre Datenschutzbeauftragte, spricht dafür den Kündigungsschutz in vollem Umfang, also auch in seiner nachwirkenden Form auf den Stellvertreter zu erstrecken (vgl. Scheja in: Taegel/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 39).

c) Die streitgegenständliche Kündigung ist auch innerhalb eines Jahres nach der Abberufung des Klägers vom Amt des (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten erfolgt.

Abberufung i.S.v. § 4f III 6 BDSG bedeutet lediglich das Ende der Tätigkeit als (stellvertretender) Datenschutzbeauftragter und den Beginn der „Abkühlungsphase“, nach deren Ende regelmäßig nicht mehr damit zu rechnen ist, dass der Arbeitgeber als Sanktion für die Wahrnehmung einer Interessenvertretung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Frage stellt. Soweit die Beklagte meint, eine Abberufung komme nicht in Betracht, weil die Tätigkeit als stellvertretender Datenschutzbeauftragter von Anfang an befristet gewesen sei, verkennt sie, dass sich der Kläger nicht gegen die Beendigung seiner Tätigkeit als stellvertretender Datenschutzbeauftragter wehrt, sondern gegen die Beendigung seines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Dem entspricht, dass nach der Rechtsprechung des BAG auch eine befristete Mitgliedschaft eines Ersatzmitglieds im Betriebsrat den nachwirkenden Kündigungsschutz nach Beendigung der Amtszeit auslöst (BAG v. 06.09.1979 – 2 AZR 548/77 – Tz 27). Die gegenteilige Auffassung der Berufung würde dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, nachwirkenden Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte und deren Stellvertreter generell auszuschließen, indem er die Bestellungen jeweils befristet.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.

III.

Die Revision ist gemäß § 72 II Nr.1 ArbGG zuzulassen. Voraussetzungen und Reichweite des Kündigungsschutzes von stellvertretenden Datenschutzbeauftragten sind bisher höchstrichterlich nicht geklärt.