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LAG Düsseldorf, Urteil vom 20. Februar 2002, 12 (8) Sa 56/02 - Urlaub durch Freistellung oder Abgeltung?

Leitsätzliches

Der Arbeitgeber kann im Kündigungsfall den Arbeitnehmer unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche freistellen - diese Anrechnung muss allerdings regelmäßig zusammen mit der Freistellung ausdrücklich erklärt werden.

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 12 (8) Sa 56/02

Entscheidung vom 20. Februar 2002

 

 

 

In dem Rechtsstreit

 

pp.

 

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf

auf die mündliche Verhandlung vom 20.02.2002

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. ---- als

Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter ---- und die ehrenamtliche

Richterin ---

 

für R e c h t erkannt:

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts

Wuppertal vom 06.12.2001 wird kostenfällig zurückgewiesen.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

 

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltung.

 

Die Klägerin war seit dem 01.07.2000 gegen ein Gehalt von DM 3.600,00 bei der Beklagten angestellt. Ihr stand vertraglich ein Erholungsurlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zu.

 

Am 26.09.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.10.2001.

 

Mit . nicht unterzeichnetem - Schreiben vom 27.09.2001 erklärte sie gegenüber der Klägerin, dass diese .mit sofortiger Wirkung von Ihren Diensten befreit (sei). und forderte sie zur sofortigen Abgabe der Schlüssel und aller Arbeitsmittel auf. Mit Fax vom 28.09.2001 beanstandete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die fehlende Unterschrift; außerdem bat er .um Bestätigung, dass die Klägerin unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. sei. Daraufhin faxte die Beklagte ihm noch am selben Tag das nunmehr unterzeichnete Schreiben vom 27.09.2001 mit doppelter Unterstreichung des Wortes .befreit. zu. Die Klägerin erschien danach nicht mehr zur Arbeit.

 

Unter dem 09.10.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie anordne, dass die Freistellung vom Dienst unter Verrechnung der Resturlaubsansprüche erfolge. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.10.2001 widersprach die Klägerin der Verrechnung von Resturlaubsansprüchen und wandte ein, ohne eine solche Verrechnung freigestellt worden zu sein.

 

Am 26.11.2001 hat die Klägerin, der im Jahr 2001 unstreitig 16 Arbeitstage Urlaub gewährt worden waren, vor dem Arbeitsgericht Wuppertal die Bezahlung von restlichen 14 Arbeitstagen als Urlaubsabgeltung eingeklagt und den Abgeltungsbetrag auf DM 2.326,15 brutto (DM 3600,00 : 65 x 14) beziffert. Sie hat gemeint, dass die Beklagte wegen der Freistellungsvereinbarung vom 28.09.2001 den Resturlaub nicht mehr rechtswirksam habe gewähren können.

 

Das Arbeitsgericht hat durch Alleinentscheid seines Direktors am 06.12.2001 die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Klägerin das Urteil in rechtlicher Hinsicht an und verfolgt ihr Zahlungsbegehren (Euro 1.189,34) weiter. Die Beklagte verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte mit Zugang des Schreibens vom 09.10.2001 der Klägerin Erholungsurlaub bis zum 31.10.2001 gewährt und damit den Resturlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen erfüllt habe.

 

 

1. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

 

Es sei im Arbeitsrecht unerfahrenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht einfach klar zu machen, dass die Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge nur dann als Urlaubsgewährung gelte, wenn dies ausdrücklich kundgetan ist. Nachdem aber seitens der Beklagten auf Anfrage der Klägerin, ob die Freistellung unwiderruflich sei, eindeutig klargestellt worden sei, dass die Freistellung unter Anrechnung auf die Urlaubstage erfolgt, sei die Klage unverständlich. Der Arbeitgeber dürfe, weil Urlaubsansprüche vorrangig in natura und nicht durch Geldzahlungen zu erfüllen seien, für die Dauer der Kündigungsfrist Urlaub anordnen. Das Einverständnis des Arbeitnehmers sei nicht erforderlich.

 

Die weitere Argumentation der Klägerin zeige nur ein massives Anspruchsdenken.

 

Die Kammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts zwar nicht in allen Teilen der Begründung, aber im Ergebnis.

 

2. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts liegen schon im Allgemeinen die Dinge im Urlaubsrecht nicht so klar, dass eine abweichende Rechtsauffassung als unverständlich erscheint oder vom Anspruchsdenken des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers zeugt. So ist etwa umstritten, ob der Arbeitnehmer, der aufgrund unentschuldigten oder entschuldigten Fehlens keine Arbeitsleistung im Kalenderjahr erbracht hat, einen Urlaubsanspruch erwirbt (dafür BAG, Urteil vom 08.03.1984, 6 AZR 600/82, AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmissbrauch, zu II; dgg. Kammer-Urteil vom 17.06.1998, LAGE Nr. 10 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu II 4 b (4), Staudinger/Richardi, BGB (1999), § 611 Rz. 901), ob mit Ende des Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums die Gewährung des Urlaubs selbst unmöglich wird, hingegen in Form von Ersatzurlaub möglich ist (vgl. BAG, Urteil vom 23.06.1992, 9 AZR 57/91, AP Nr. 22 zu § 1 BUrlG, zu I 2 a, II; dgg. Kammer-Urteil vom 14.06.1989, LAGE Nr. 2 zu § 7 BUrlG Übertragung, Urteil vom 16.09.1993, LAGE Nr. 5 zu § 7 BUrlG Übertragung) und ob der Urlaubsabgeltungsanspruch etwas anderes ist als eine einfache Geldforderung (BAG, Beschluss vom 28.08.2001, 9 AZR 611/99, DB 02, 327, zu II 2 a der Gründe, dgg. Kammer-Urteil vom 17.06.1998, a.a.O., zu II 2, Stein, RdA 00, 16 ff.).

 

Was die vorliegende Fallkonstellation anbelangt, liegt die Klägerin mit der von ihr vertretenen Auffassung immerhin auf der Linie der BAG-Rechtsprechung.

 

3. Nach Auffassung des BAG setzt die dem Arbeitgeber obliegende Urlaubsgewährung eine hinreichend bestimmte Erklärung voraus, die dem Arbeitnehmer erkennbar macht, dass und wann er in Erfüllung seines Urlaubsanspruchs von der Arbeitspflicht befreit ist (BAG, Urteil vom 25.01.1994, 9 AZR 312/92, AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG, zu II 1, Urteil vom 09.06.1998, 9 AZR 43/97, AP Nr. 23 zu § 7 BUrlG, zu I 2 b, Urteil vom 23.01.2001, 9 AZR 26/00, AP Nr. 93 zu § 615 BGB, zu I 2 a). Dass der Arbeitgeber nach der Kündigung den Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin von der Arbeit (unwiderruflich) freistelle, bedeute jedenfalls ohne die besondere Erklärung, dass dies unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche geschehe, keine Urlaubsgewährung (BAG, Urteil vom 31.05.1990, 8 AZR 132/89, AP Nr. 13 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit, zu II 3 a, Urteil vom 28.02.1991, 8 AZR 196/90, AP Nr. 4 zu § 6 BUrlG, zu II 2, Versäumnisurteil vom 25.01.1994, a.a.O., zu II 1; Urteil vom 09.06.1998, a.a.O., zu I 2 b, Urteil vom 09.11.1999, 9 AZR 922/98 n.v., Juris-Nr. KARE600001408, zu I 3 b bb). Dabei stellt das BAG auf den Inhalt der bei der Freistellung vom Arbeitgeber abgegebenen Erklärung bzw. getroffenen Absprache ab und sieht es als unzulässige Änderung der getroffenen Tilgungsbestimmung an, wenn der Arbeitgeber später oder nachträglich die Arbeitsfreistellung als Urlaubsgewährung behandelt wissen will (BAG, Urteil vom 01.10.1991, 9 AZR 290/90, AP Nr. 12 zu § 7 BUrlG, zu II 1 b, 3, Schütz, HzA, 2. Aufl., 2.4, Rz. 226 ff.).

In diesem Sinn hat das BAG in Urteilen vom 31.05.1990 (a.a.O.) und 09.06.1998 (a.a.O.) Fälle entschieden, in denen sich die Parteien über die Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Kündigungstermin verständigt und auch eine Ausgleichsklausel, nicht jedoch (ausdrücklich) die Anrechnung der Freistellungszeit auf Urlaubsansprüche vereinbart hatten. Wörtlich wird in dem erstgenannten Urteil (zu III 3 a) ausgeführt: .Hier beruhte die Freistellung auf einer Vereinbarung der Parteien, die keine Urlaubserteilung durch die Beklagte zum Inhalt hatte. Eine nochmalige Freistellung des Klägers zur Urlaubserteilung hätte daher ohne Änderung der Vereinbarung gar nicht in Betracht kommen können.

 

4. Nach diesen Auslegungsmaximen der BAG-Rechtsprechung kann in der unwiderruflichen Freistellung. der Klägerin am 28.09.2001 nicht die Gewährung des Resturlaubs gesehen werden. Es fehlte die besondere Erklärung der Beklagten, die Freistellung auf die Urlaubsansprüche anzurechnen. Auch aus den Begleitumständen konnte die Klägerin nicht zwingend erkennen, dass die Beklagte mit der Freistellung den Resturlaub gewähren wollte. Sie durfte die Freistellung in erster Linie so verstehen, dass die Beklagte an ihrer Arbeitsleistung nicht mehr interessiert war und ihr Erscheinen im Betrieb nicht wünschte.

 

Zwar wird teilweise die Auslegung der Freistellungserklärung als Urlaubsgewährung befürwortet (LAG Köln, Urteil vom 20.11.1996, NZA-RR 97, 248, Nägele, DB 98, 518/1132, dgg. Hohmeister, DB 98, 1130). Für die Auffassung des BAG spricht allerdings, dass sich zum einen der Arbeitnehmer bei der Freistellung anders als bei der Urlaubsgewährung nicht veranlasst sehen muss, seine Urlaubswünsche vorzubringen, und zum anderen seine jeweiligen Verhaltenspflichten unterschiedlich sind: Bei der Freistellung darf die Erzielung anderweitigen Erwerbs nicht böswillig unterlassen werden (§ 615 S. 2 BGB), im Urlaub ist Erwerbstätigkeit verboten (§ 8 BUrlG).

 

Der Streitfall erfordert keine Entscheidung dieses Problems. Denn jedenfalls das Schreiben vom 09.10.2001, in dem die Beklagte .anordnete, dass die Freistellung vom Dienst unter Verrechnung der Resturlaubsansprüche. erfolge, genügt den vom BAG gestellten Anforderungen an eine eindeutige Erklärung der Urlaubsgewährung.

 

 

5. Ist das Geschehen am 28.09.2001 als einseitige Freistellung (Suspendierung) zu bewerten, handelte die Beklagte ohne Rechtsgrundlage. Die Freistellungserklärung war unwirksam (vgl. MünchArbR/Blomeyer, 2. Aufl., § 49 Rz. 35, § 95 Rz. 20) und stand damit einer erneuten, als Urlaubsgewährung wirksamen Freistellung nicht entgegen.

 

a) Für eine einseitige Freistellung spricht der Wortlaut des Schreibens vom 27.09.2001. In dem anwaltlichen Schreiben vom 28.09.2001, in dem die Klägerin um Bestätigung bat, dass sie unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt sei, muss man kein Vertragsangebot sehen; es kann sich auch um das bloße Ansinnen an die Beklagte handeln, den Inhalt ihrer einseitigen Freistellungserklärung zu präzisieren.

 

b) Die Wirksamkeit der anschließenden Urlaubsgewährung kann allerdings nicht auf die in der BAG-Rechtsprechung gegebene Begründung (BAG, Urteil vom 22.09.1992, 9 AZR 483/91, AP Nr. 13 zu § 7 BUrlG, zu 2 b, Urteil vom 23.01.2001, a.a.O.) gestützt werden.

(1) Hiernach setzt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung voraus, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr oder im Übertragungszeitraum rechtzeitig und ordnungsgemäß .geltend gemacht., .abgefordert., der Arbeitgeber zur Urlaubserteilung .aufgefordert. wird (BAG, Urteil vom 23.06.1992, 9 AZR 57/91, AP Nr. 22 zu § 1 BUrlG, zu II 2, Urteil vom 21.03.1995, 9 AZR 595/93, n.v. Juris-Nr. KARE447780703, zu I 2, Urteil vom 21.03.1995, 9 AZR 596/93, AP Nr. 7 zu § 49 BAT, zu I 2 b; LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2001, 14 Sa 55/01, n.v., zu I 1 b). Ohne Geltendmachung (Ab-/Aufforderung) sei der Arbeitgeber nicht zur Urlaubserteilung verpflichtet. Er müsse nicht von sich aus Urlaub erteilen (Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl., § 1 BUrlG Rz. 85/87, Leinemann, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 3. Aufl., S. 199, Rz. 916).

Allerdings sei der Arbeitgeber berechtigt, auch ohne Aufforderung des Arbeitnehmers Urlaub zu erteilen. Erteile er Urlaub, ohne den Arbeitnehmer nach seinen Urlaubswünschen gefragt zu haben, und äußere der Arbeitnehmer daraufhin keinen anderweitigen Urlaubswunsch, sei der Urlaub wirksam erteilt (BAG, Urteil vom 22.09.1992, a.a.O., Urteil vom 20.06.2000, 9 AZR 261/99, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitspapiere, zu I 2 b aa, Leinemann/Linck, § 7 BUrlG, Rz. 34).

 

(2) Nach Auffassung der Kammer ist schon nicht begründbar, dass ein späterer Umstand, nämlich kein beachtlicher Widerspruch des Arbeitnehmers, die Wirksamkeit der zuvor erfolgten Urlaubserteilung .rückwirkend. herstellt. Des weiteren ist unter der Annahme, dass die Rechtsverpflichtung des Arbeitgebers, Urlaub zu erteilen, erst durch die vorherige Geltendmachung seitens des Arbeitnehmers ausgelöst wird, dogmatisch nicht nachvollziehbar, wie eine ohne Geltendmachung und also ohne Verpflichtung geschehene Beurlaubung die Erfüllung von (Urlaubs-)Ansprüchen bewirkt. Dies gilt um so mehr, wenn man für Notwendigkeit und Sinn der Geltendmachung die Zielsetzung des BUrlG reklamiert, dem Arbeitnehmer die Auffrischung seiner Arbeitskraft zu ermöglichen, und daraus folgert, dass allein der Arbeitnehmer sinnvoll darüber befinden könne, ab wann und wie lange er dazu eine Freistellung von der Arbeitspflicht benötige (Weber, Anm. zu BAG AP Nr. 13 zu § 7 BUrlG, unter 3 c).

 

c) Die Kammer begreift den Mechanismus der Urlaubsgewährung und seinen Zweck anders als die BAG-Rechtsprechung. Sie hält den Arbeitgeber für verpflichtet, von sich aus Urlaub zu erteilen. Um diese Verpflichtung auszulösen, bedarf es keiner Geltendmachung, Ab- oder Aufforderung durch den Arbeitnehmer.

 

(1) Der Wortlaut des BUrlG ist eindeutig. Nach § 7 BUrlG hat der Arbeitgeber den Urlaub zu gewähren, ihn zeitlich festzulegen. Der Arbeitnehmer kann Wünsche äußern, muss dies aber nicht. Wenn er Wünsche äußert, hat der Arbeitgeber sie. neben anderen Gesichtspunkten, gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG zu berücksichtigen. Das BUrlG verlangt weder in § 7 noch an anderer Stelle vom Arbeitnehmer irgendeine Geltendmachung des Urlaubs.

 

(2) Ebensowenig lässt sich die Gegenmeinung damit begründen, dass das Gesetz bezwecke, dem Arbeitnehmer die Auffrischung seiner Arbeitskraft zu ermöglichen. Dabei wird zum einen übersehen, dass das BUrlG weder einen Erholungsbedarf voraussetzt noch eine erholungsgerechte Freizeitgestaltung fordert, dies schon früher nicht (BAG, Urteil vom 25.02.1988, 8 AZR 596/85, AP Nr. 3 zu § 8 BUrlG, zu I 4 a, GK-BUrlG/Bleistein, 5. Aufl., § 1 Rz. 3, Leege, Das Verhältnis von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch, Diss. 1996, S. 55 ff.) und noch weniger im heutigen Arbeitsleben mit seinen flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitmodellen. Zum anderen erscheint es lebensfremd anzunehmen, dass Arbeitnehmer ihre Urlaubswünsche und ihre Urlaubsgestaltung nach der Auffrischung ihrer Arbeitskraft zu definieren pflegen und nicht etwa nach Kriterien wie Schulferien, verfügbare Geldmittel, Günstigkeits- und Spaßfaktoren.

 

Weil urlaubsgesetzlich wie tatsächlich der Erholungszweck keine Argumentation trägt, ist es ebenso und erst recht fehlsam, dem Gesetz zu unterstellen, dass es einem .unwiderleglich vermuteten Erholungsbedürfnis. Rechnung tragen wolle (so aber BAG, Urteil vom 21.02.1995, 9 AZR 166/94, AP Nr. 7 zu § 47 SchwbG 1986, zu I 2 c). Der gesetzliche Urlaubszweck reduziert sich darauf, dem Arbeitnehmer eine freie, nicht durch die Arbeitsleistungspflicht fremdbestimmte Zeit zu geben.

Wie auch immer: Gewiss hat der Arbeitnehmer ein Interesse, nach seinen Wünschen Urlaub nehmen zu können. Dem steht jedoch das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, den geordneten Arbeitsablauf gleichermaßen sicherzustellen wie den sozial gestalteten Urlaubsablauf. Das BUrlG löst den Interessenkonflikt insoweit .zugunsten. des Arbeitgebers, als es ihm den Urlaubsgewährungsakt überantwortet (Boewer, DB 70, 637).

 

Anzumerken ist, dass die Überhöhung des Urlaubsanspruchs durch eine auf den Einzelnen oder auf die Volksgesundheit im allgemeinen bezogenen, amorphen Erholungszweck keineswegs die Rechtsstellung des Arbeitnehmers verbessert, denn ihm bleibt die Selbstbeurlaubung ohnehin versagt. Seine Rechtsposition wird vielmehr durch die ungeschriebene Geltendmachungs- und Mahnungsobliegenheit mit den Negativfolgen ihrer Versäumung signifikant verschlechtert. Entscheidend ist für den Arbeitnehmer, ob er mit seinen Urlaubswünschen durchdringt. Das hängt gerade und nur davon ab, in welchem Maß die Wünsche nach § 7 Abs. 1 BUrlG vom Arbeitgeber und sonst vom Gericht zu berücksichtigen sind.

 

(3) Eine Obliegenheit zur Geltendmachung ergibt sich nicht daraus, dass das Gesetz einen Leistungszeitraum . bis zum 31.12. des Kalenderjahres bzw. 31.03. des Folgejahres . vorgibt und es der Konkretisierung der Urlaubszeit bedarf. Damit wird per se weder die Verpflichtung des Arbeitgebers, in Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechts den Urlaub festzulegen, aufgehoben noch an eine vorherige Geltendmachung durch den Arbeitnehmer geknüpft.

Richtig ist allein, dass das Gesetz mit der Einräumung eines Leistungszeitraums und Berücksichtigung von Urlaubswünschen einen Konsens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anstrebt und ermöglicht (vgl. auch § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG). Gleichwohl bleibt es letztlich Sache des Arbeitgebers, den Urlaub zu erteilen (GK-BUrlG/Bachmann, § 7 Rz. 9, Leipold, Anm. zu BAG AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG, zu 1, Staudinger/Rieble, BGB (2001), § 5 Rz. 164). Folgerichtig ist dem Arbeitnehmer die Selbstbeurlaubung verboten. Ebenso konsequent hat der Gesetzgeber an dem mit der Gewährungspflicht verbundenen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG angesiedelt.

 

(4) Das urlaubsrechtliche Schuldverhältnis unterscheidet sich im Kern nicht von anderen gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnissen, die den Schuldner verpflichten, die fällige und erfüllbare Leistung zu erbringen. Dabei ist die Leistungspflicht abzugrenzen von der . auf die Herbeiführung des Leistungserfolgs gerichteten . Leistungshandlung bzw. den Leistungsmodalitäten.

Der Hinweis auf § 271 BGB (vgl. Schütz/Hauck, Gesetzliches und tarifliches Urlaubsrecht, Rz. 357/359, Leinemann/Linck, § 1 Rz. 77) vernebelt die Evidenz, dass diese Auffangvorschrift durch die urlaubsgesetzliche Sonderregelung über den Leistungszeitraum (§ 7 Abs. 3 BUrlG) und die .Konkretisierung. des Urlaubsanspruchs (§ 7 Abs. 1 und 2 BUrlG) verdrängt wird und auch keine Geltendmachungsobliegenheit des Gläubigers statuiert. Der Schuldner einer arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht (z.B. der Vergütungspflicht nach § 611 BGB oder des Wettbewerbsverbotes nach § 61 HGB) ist bereits kraft des Schuldverhältnisses (§ 241 BGB) und nicht erst nach Geltendmachung durch den Gläubiger zur Leistung verpflichtet.

Die Überlegung, dass es eines fälligen, vom Arbeitnehmer durchsetzbaren Urlaubsanspruchs zur Vermeidung des Anspruchsuntergangs bedürfe (Leinemann/Linck, § 1 BUrlG, Rz. 80), greift aus zwei Gründen zu kurz.

Zum einen kann der Arbeitgeber gemäß § 315 Abs. 3 BGB durchaus zur Urlaubsgewährung verurteilt werden, wenn er, zumal nach vom Arbeitnehmer geäußertem Urlaubswunsch, die Urlaubsgewährung verzögert oder unterlässt, und sich den Verzugsfolgen aussetzen (allg. M., Staudinger/Rieble, § 315 Rz. 224 ff./101). Zum anderen ist die Befristungsthese selbst abzulehnen, die indessen als Treibanker die Geltendmachung , die offenbar der Mahnung gleichgesetzt werden soll, zur Vermeidung eines ersatzlosen Anspruchsuntergangs zum 31.12./31.03. benötigt.

 

Der Leistungspflicht nachgelagert ist die Frage nach dem Verzug. Der Verzug setzt entweder eine Mahnung voraus (§ 284 Abs. 1 BGB) oder tritt, wenn die Leistungszeit kalendarisch bestimmt ist, mit dem Ablauf des Leistungstermins oder Leistungszeitraums ein (§ 284 Abs. 2, § 187 Abs. 2 BGB). § 7 Abs. 3 BUrlG setzt dem Arbeitgeber einen Leistungszeitraum für die Urlaubsgewährung.

 

(5) Würde man es mit der BAG-Auffassung ablehnen, dass der Arbeitgeber den Urlaub in der Freistellungszeit gewähren und der Arbeitnehmer ihn nehmen könne, hinge im übrigen das Schicksal des Anspruchs auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung von der zufälligen Lage der Freistellungszeit ab. Denn nur wenn die Freistellung vorm 31.12./31.03. endet, könnte der Arbeitnehmer den Urlaub noch wirksam geltend machen. Ansonsten verlöre er ersatzlos seinen Urlaub. Das BAG hat damit allerdings kein Problem (vgl. Kammer-Urteil vom 16.09.1993, a.a.O., zu I 1 b, 3).

 

d) Hat der Urlaubsanspruch die Befreiung von der Arbeitspflicht zum Gegenstand und ist bezweckt, dass der Arbeitnehmer eine freie Zeit erhält, die er mit urlaubsmäßigem Zuschnitt gestalten kann, gibt es keine Gründe, die Erklärung des Arbeitgebers, dass die künftige, unwiderrufliche und bezahlte Freistellungszeit auf den Urlaub angerechnet werde, für unwirksam zu erachten: Der Arbeitnehmer hat Freizeit und weiß, dass er Urlaub machen soll und darf. Danach ist sein materielles Interesse, dass die Freistellungszeit nicht angerechnet und der Urlaub abgegolten wird, nicht weiter schutzwürdig. Richtig ist allerdings, dass es im Einzelfall dem Arbeitnehmer ungelegen sein mag, den Urlaub innerhalb der Kündigungsfrist nehmen zu müssen. Davor kann (und muss) er sich schützen, indem er von sich aus rechtzeitig vorher seine Urlaubswünsche anmeldet.

 

Die Klägerin äußerte vor der Urlaubserteilung keine Urlaubswünsche. Sie tat dies nicht einmal nach der Urlaubserteilung vom 09.10.2001.

 

6. Wertet man das Geschehen am 28.09.2001 nicht als einseitige Freistellung, sondern als Einigung der Parteien, war die Urlaubsgewährung vom 09.10.2001 gleichfalls wirksam.

a) Daraus, dass die Klägerin in dem anwaltlichen Schreiben vom 28.09.2001 um Bestätigung bat, dass sie unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt sei, durfte die Beklagte schließen, dass die Klägerin mit einer entsprechenden Vereinbarung einverstanden sei und diese antragen wollte (§ 145, § 150 Abs. 2 BGB). Dann nahm die Beklagte mit ihrem Schreiben vom selben Tag den Antrag an. Anders ist der Umstand, dass sie in ihrer Antwort keine Einwände erhob, vielmehr die Unterschrift nachholte und das Wort .befreit. doppelt unterstrich, nicht zu verstehen (§ 133, § 157 BGB). Wenn man ein Vertragsangebot nicht schon in dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin, sondern erst in dem Antwortschreiben der Beklagten sähe, könnte eine Einigung gemäß § 151 Satz 1 BGB dadurch zustande gekommen sein, dass die Klägerin fortan der Arbeit fernblieb (vgl. BAG, Urteil vom 20.06.2000, a.a.O., zu I 2 b aa).

Eine Änderung der Vereinbarung vom 28.09.2001 kam nicht zustande. Legt man die .Anordnung. im Schreiben der Beklagten vom 09.10.2001 als Angebot aus, so wurde es von der Klägerin unter dem 15.10.2001 abgelehnt.

b) Die Urlaubsgewährung vom 09.10.2001 war wirksam. Der Beklagten war es nicht aufgrund der Freistellungsvereinbarung vom 28.09.2001 verwehrt, den noch offenen Erholungsurlaub in die Freistellungszeit zu legen.

Im Regelfall behält der Arbeitgeber, der nach der Kündigung den Arbeitnehmer mit dessen Einverständnis unwiderruflich von der Arbeit freistellt, sich vor, in die Freistellungszeit den (Rest-)Urlaub zu legen. Nach dem BUrlG, namentlich nach § 7 Abs. 4, hat die nämlich Naturalurlaubsgewährung Vorrang vor der Urlaubsabgeltung. Daher ist ein noch offener Urlaub grundsätzlich während der

Kündigungsfrist zu verwirklichen (ErfK/Dörner, 2. Aufl., § 7 BUrlG, Rz. 20, GK-BUrlG/Bachmann, § 7, Rz. 26, Schütz, a.a.O., Rz. 544/ 547). Arbeitnehmern ist die gesetzliche Vorgabe bekannt, zumindest erkennbar. Sie müssen damit rechnen, dass im Falle der ordentlichen Kündigung der Arbeitgeber .gesetzeskonform. den offenen Urlaub in natura gewähren und zeitlich in die Kündigungsfrist legen wird. Auch können sie nicht im Zweifel über das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers sein, den Urlaub nicht zusätzlich zur Freistellungszeit bezahlen zu müssen. Daher kann allein die .unwiderrufliche Freistellung sie nicht zu der Erwartung berechtigen, dass der Arbeitgeber auf die mögliche Urlaubsgewährung verzichten und den Urlaub abgelten wird.

Anders mögen die Dinge liegen, wenn die Freistellung aus anderen Gründen oder unter besonderen Umständen erklärt oder vereinbart wird und sich danach die spätere Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber als unzulässiges oder widersprüchliches Verhalten darstellt.

Im Streitfall konnte die Klägerin angesichts der schlichten .Freistellung nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte von der Gewährung des Resturlaubs in der Kündigungsfrist absehen würde. Sie konnte lediglich darauf hoffen, dass die Beklagte die Gewährung des offenen Resturlaubs vergessen würde.

Wurde also durch die Freistellungsvereinbarung die Urlaubsgewährung (-anrechnung) offen gehalten, übte die Beklagte ihre Befugnis rechtmäßig aus, als sie mit Schreiben vom 09.10.2001 den Resturlaub erteilte.

 

7. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom 09.10.2001 der Resturlaub von 14 Arbeitstagen gewährt worden sei. Die Berufung greift insoweit das Urteil nicht an. Allein der Hinweis, dass .der Eingang (des Schreibens) hier nicht genau eruiert werden könne., reicht nicht aus. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.10.2001 (Montag) beantwortete die Klägerin das Schreiben der Beklagten. Es muss daher schon vorher zugegangen sein. Wenn die Beklagte in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass nach den normalen Postlaufzeiten der Zugang am 10. oder 11.10.2001 erfolgt sei, und sich die Klägerin dazu nicht näher hat äußern können, muss die Kammer davon ausgehen, dass das Schreiben spätestens am 11.10.2001 zugegangen ist.

 

8. Nach allem kommt es nicht mehr darauf an, dass die Abgeltung unzutreffend berechnet ist. Der Klägerin hätten gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG für 14 Arbeitstage DM 2.290,91 brutto (Euro 1.171,32) und nicht DM 2.326,15 brutto zugestanden.

 

 

II. Die Kosten der Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin zu tragen.

 

Die Kammer hat gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG wegen Divergenz zur Rechtsprechung des BAG, insbes. zu den Urteilen vom 31.05.1990 (a.a.O.) und vom 09.06.1998 (a.a.O.), die Revision zugelassen.

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin R E V I S I ON eingelegt werden.

Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.