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LAG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 2003, AZ: 12 Sa 354/03, - Zwischenzeugnis

Leitsätzliches

Die Wendung "erfüllt die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit" bedeutet eine Beurteilung mit "ausreichend". Der Arbeitgeber muss diese Beurteilung schlüssig darlegen und notfalls beweisen können. Mitarbeiter haben Anspruch auf eine Gesamtbeurteilung ihrer Leistungen. Dies gilt auch für Zwischenzeugnisse!

 

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Aktenzeichen: 12 Sa 354/03

 

Entscheidung vom 11. Juni 2003

 

In dem Rechtsstreit

 

...

 

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. ... als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter ... und den ehrenamtlichen Richter ... für R e c h t erkannt:

 

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 12.02.2003 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

T a t b e s t a n d

Die Klägerin verlangt die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses.

Die Klägerin war vom 01.09.2000 bis zum 15.08.2001 als Steuerfachangestellte bei den Beklagten, die in B./Ndrh. eine Steuerberaterpraxis führen, beschäftigt. Die Parteien führten vor dem Arbeitsgericht Wesel einen Rechtsstreit (ArbG Wesel 2 Ca 2963/01), den sie durch Prozessvergleich vom 13.12.2001 beilegten. In dem Vergleich verpflichteten sich die Beklagten u.a., ein der Klägerin erteiltes Zeugnis vom 29.06.2001, in dem es hieß: „Frau N. hat die ihr übertragenen Aufgaben und Arbeiten ordentlich und ordnungsgemäß erledigt. ....“, wohlwollend zu überarbeiten. Danach erstellten sie ein auf den 15.08.2001 datiertes Zeugnis, dessen Absätze 3 bis 5 lauten:

„Frau L. N. beherrscht das Fach ausreichend und stellt sich auf neue Aufgaben ein.

Sie übernimmt die ihr anvertrauten Aufgaben tatkräftig und im allgemeinen verantwortungsbereit und in den Anforderungen entsprechend gewachsen.

Frau L. N. arbeitet pflichtbewusst, lernt leicht und begreift das Wesentliche.“

 

Die Klägerin hat mit der im August 2002 vor dem Arbeitsgericht Wesel erhobenen Klage das Zeugnis beanstandet und zuletzt beantragt, unter Aufhebung des (klagabweisenden) Versäumnisurteils vom 25.11.2002 ihr ein Zeugnis zu erteilen mit dem Text wie das bereits ausgestellte Zeugnis vom 15.08.2001 mit folgender Maßgabe:

Der dritte Absatz wird gestrichen, der vierte Absatz lautet:

„Sie übernimmt die ihr anvertrauten Aufgaben tatkräftig und verantwortungsbereit und ist den Anforderungen gewachsen. Frau L. N. arbeitet pflichtbewusst, lernt leicht und erfüllt die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit.“

 

Die Beklagten haben beantragt,

das Versäumnisurteil vom 25.11.2002 aufrecht zu erhalten.

 

Durch Urteil vom 12.02.2003 hat das Arbeitsgericht dem Klageantrag entsprochen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greifen die Beklagten das Urteil an. Sie machen geltend, dass die Gesamtleistung der Klägerin mangelhaft gewesen sei. Die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, die an ihren Beruf gestellten Anforderungen zu erfüllen. Sämtliche Tätigkeiten hätten ihr mühsam beigebracht werden müssen. Die Arbeit einer Steuerfachgehilfin sei der Klägerin mehr als schwer gefallen. Sie habe selbst einfache Buchführungen nicht selbständig und ohne Fehler ausführen können. Auch einfachste Arbeiten wie z.B. das Fotokopieren seien häufig fehlerhaft ausgeführt worden.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil: Sie verlange lediglich die ihr zustehende durchschnittliche Leistungsbewertung. Demgegenüber sei von den Beklagten eine mangelhafte Leistung nicht darlegt worden. Vielmehr hätten sich die Beklagten vor dem Arbeitsgericht unter Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht geweigert, angeblich aussagekräftige Unterlagen schriftsätzlich einzureichen, und lediglich in der Verhandlung vier Leitz-Ordner mitgeführt, deren Durchsicht das Gericht zu Recht abgelehnt habe.

Die Beklagten haben mit einem am 15.05.2003 (nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist) eingegangenen Schriftsatz ihr Vorbringen ergänzt und Auszüge der „Leistungserfassung“ vorgelegt.

 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt

verwiesen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Der Klageantrag ist zulässig

1. Verlangt der Arbeitnehmer einen bestimmten Zeugnisinhalt, so hat er mit dem Klageantrag genau zu bezeichnen, was in welcher Form das Zeugnis enthalten soll (BAG, Urteil vom 14.03.2000, 9 AZR 246/99, ArbuR 2000, 360). Dabei ist zu unterscheiden: Hat der Arbeitgeber überhaupt kein Zeugnis verfasst, muss er sich die Verurteilung zu einem Zeugnis mit bestimmten, ihm durch den Klageantrag vorgegebenen Formulierungen gefallen lassen, solange er nicht näher beanstandet, welche Formulierung des vom Arbeitnehmer gewünschten Zeugnisses inhaltlich falsch ist (LAG Hamm, Urteil vom 28.03.2000, BuW 2001, 220; a.A. Küttner/Reinecke, Personalbuch 2003, ‚Zeugnis’, Rz. 40). Hat der Arbeitgeber hingegen ein Zeugnis ausgestellt und begehrt der Arbeitnehmer die Abänderung in einem oder mehreren Punkten, muss der Arbeitnehmer diese Punkte im Klageantrag bezeichnen. Weil das Zeugnis ein einheitliches Ganzes ist und seine Teile nicht ohne Gefahr der Sinnentstellung auseinander gerissen werden können, ist das Arbeitsgericht dann befugt, das gesamte Zeugnis zu überprüfen und unter Umständen ganz oder passagenweise selbst neu zu formulieren (BAG, Urteil vom 23.06.1960, 5 AZR 560/58, AP Nr. 1 zu § 73 HGB, Staudinger/Preis, BGB (2002), § 630 Rz. 43).

 

2. Der Klageantrag genügt diesen Bestimmtheitserfordernissen. Nach dem Verlangen der Klägerin soll Absatz 3 des Zeugnisses vom 15.08.2001 „Frau L. N. beherrscht das Fach ausreichend und stellt sich auf neue Aufgaben ein“ entfallen. Aus der anschließenden Passage „Sie übernimmt die ihr anvertrauten Aufgaben tatkräftig und im allgemeinen verantwortungsbereit und in den Anforderungen entsprechend gewachsen“ soll die Wendung „im allgemeinen“ eliminiert und der Schreibfehler „in“ (richtig: „ist“) korrigiert werden. Schließlich soll in der weiteren Passage „Frau L. N. arbeitet pflichtbewusst, lernt leicht und begreift das Wesentliche“ die Aussage „begreift das Wesentliche“ ersetzt werden durch die Formulierung „erfüllt die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit“

 

II. Die Klage ist begründet

1. a) Das Zeugnis muss inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein; es darf dessen weiteres Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren (vgl. BAG 03.03.1993, 5 AZR 182/92, AP Nr. 20 zu § 630 BGB, Urteil vom 20.02. 2001, 9 AZR 44/00, AP Nr. 26 zu § 630 BGB). In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in der Formulierung des Zeugnisses. Bei Werturteilen steht dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu, der größer ist als bei der Tätigkeitsbeschreibung (BAG, Urteil vom 29.09.1981, 3 AZR 132/79, n.v., Urteil vom 12.08.1976, 3 AZR 720/75, AP Nr. 11 zu § 630 BGB, MHzA/Wank, 2. Aufl., § 128 Rz. 25 ff; vgl. – für einen breiten Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers - MüKo/Schwerdtner, 3. Aufl., § 630 Rz. 16/19). Freilich wird der Arbeitgeber, um der Anforderung nach einer zwar wahrheitsgemäßen, aber auch wohlwollenden Beurteilung gerecht zu werden, regelmäßig nicht von der im Arbeitsleben gängigen Ausdrucksweise in Zeugnissen abweichen können. So hat sich in der Praxis, von der Rechtsprechung (Kammer-Urteil vom 08.08.1990, 12 Sa 816/90, n.v., zu I 2; LAG Bremen, Urteil vom 09.11.2000, NZA-RR 2001, 287, LAG Hamm, Urteil vom 22. 05. 2002, NZA-RR 2003, 71, Urteil vom 13.02.1992, LAGE Nr. 16 zu § 630, LAG Köln, Urteil vom 18. Mai 1995, LAGE § 630 BGB Nr. 23, Urteil vom 02.07.1999, LAGE Nr. 35 zu § 630 BGB) und der Literatur (ErfK/Müller-Glöge, 3. Aufl., § 630 BGB Rz. 73 f., 84, Staudinger/Preis, a.a.O., Rz. 51, Küttner/Reinecke, a.a.O., Rz. 31) weitgehend gebilligt, folgende Skala der Leistungsbewertung herausgebildet:

- „zu unserer Zufriedenheit“: eine unterdurchschnittliche, aber noch ausreichende Leistung

- „stets zu unserer Zufriedenheit“: eine befriedigende (durchschnittliche) Leistung, wobei der Annahme einer Durchschnittsleistung nicht entgegen steht, dass es zu geringfügigen Mängeln, Fehlern oder anderen Unzulänglichkeiten gekommen ist

- „zu unseren vollen Zufriedenheit“: eine Leistung, die durchgehend mangelfrei gewesen und daher im oberen Bereich des Durchschnitts anzusiedeln ist

- „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“: eine überdurchschnittliche, gute Leistung

 

In der Praxis wird nicht selten die Floskel "(stets) zur vollsten Zufriedenheit" verwendet, um eine sehr gute bzw. herausragende Leistung zu bescheinigen. Weil eine Steigerung des Wortes „voll“ sprachlich ausgeschlossen ist, ist allerdings in der Rechtsprechung umstritten, ob der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf diese Formulierung hat (dafür: BAG, Urteil vom 23.09.1992, 5 AZR 573/91, EzA Nr. 16 zu § 630 BGB; dagegen: LAG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.1994, DB 1995, 1135). Immerhin könnten anstelle des Wortes „vollst“ Worte wie „größt“, „höchst“ oder „äußerst“ verwendet werden (vgl. Weuster/Scheer, Arbeitszeugnisse in Textbausteinen, 9. Aufl., S. 82). Eine völlig ungenügende Leistung wird traditionell mit Wendungen wie "Er führte die ihm übertragenen Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse durch" (BAG, Urteil vom 24.03.1977, 3 AZR 232/76, AP Nr. 12 zu § 630 BGB), oder „Er hat sich (stets) bemüht, ...“ ausgedrückt; die heutige Zeugnissprache kennt für mangelhafte Leistungen weichere Formulierungen, so „Er hat die Arbeit im Großen und Ganzen / insgesamt zufriedenstellend erledigt“ (ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., Rz. 75, 85; vgl. Staudinger/Preis, a.a.O., Rz. 51, Küttner/Reinecke, a.a.O., Rz. 31).

Die Nachprüfung, ob sich der Arbeitgeber im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gehalten hat, muss über die jeweilige Zufriedenheitsfloskel hinaus den weiteren Inhalt des Zeugnisses berücksichtigen. So kann die positive Hervorhebung von bestimmten Leistungskriterien ergeben, dass trotz der Gesamtbewertung „zu unserer Zufriedenheit“ keine unterdurchschnittliche, sondern eine durchschnittliche Leistung testiert wird. Umgekehrt kann sich etwa aus Auslassungen eine Abwertung der Gesamtnote ergeben (BAG, Urteil vom 29.07.1971, 2 AZR 250/70, AP Nr. 6 zu § 630 BGB). Auch mögen Übertreibungen negativ wirken, oder es mag eine auffällig dürftige, blasse oder unbeholfene Ausdrucksweise den Eindruck vermitteln, dass die vom Arbeitnehmer gezeigten Leistungen es nicht verdienen, auf sie näher einzugehen (Kammer-Urteil vom 08.08.1990, a.a.O., zu I 1 b). Schließlich implizieren in das Zeugnis aufgenommene ambiguente oder leistungsfremde Bemerkungen, etwa dass der Arbeitnehmer „beliebt“, „umgänglich“, „gesellig“, „tolerant“ oder „anspruchsvoll und kritisch“ gewesen sei, eine Abwertung von Leistung und Führung des Arbeitnehmers (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 17.12.1998, MDR 1999, 1073, ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., Rz. 80).

 

b) Der Arbeitgeber kann die Verwendung der jeweiligen „Zufriedenheitsfloskel“ nicht schon mit der Begründung verweigern, dass er persönlich mit der Leistung des Arbeitnehmers nicht stets/voll zufrieden gewesen sei. Mit dem Begriff „Zufriedenheit“ äußert nämlich der Arbeitgeber im Arbeitszeugnis nicht sein subjektives Empfinden, sondern vergibt aus der Sicht eines verständig denkenden Arbeitgebers eine Note. Ebenso bedeutet im Zeugnis weder der Begriff „stets“, dass der Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses immer, also zu jedem Zeitpunkt, das Gefühl der Zufriedenheit mit den Leistungen des Arbeitnehmers hatte, noch schließt der Begriff „voll“ aus, dass es einmal gelegentlich zu einer geringfügigen Unzufriedenheit gekommen ist. Vielmehr dienen beide Begriffe der Bildung von Benotungsstufen (Kammer-Urteil vom 08.08.1990, a.a.O., zu I 1 a).

Der Arbeitgeber kann sich der Verpflichtung zur Abgabe einer wohlwollenden Beurteilung nicht mit dem Einwand entziehen, dass das Zeugnis mangels Hinweises auf die im Verlauf des Arbeitsverhältnisses zutage getretenen negativen Tatsachen unwahr sei und er sich daher gegenüber dem neuen Arbeitgeber einem Haftungsrisiko aussetze. Die wohlwollende Zeugnisbewertung begründet keine Haftung gegenüber einem neuen, vom Arbeitnehmer enttäuschten Arbeitgeber (Kammer-Urteil vom 08.08.1990, a.a.O., zu I 1 c). Anders liegen die Dinge bei Punkten, die die Verlässlichkeit des Zeugnisses in seinem Kern berühren. So darf der Arbeitgeber einem Buchhalter/Kassierer, der einen erheblichen Geldbetrag unterschlagen hat, nicht Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit oder Korrektheit bescheinigen (BGH, Urteil vom 15.05.1979, AP Nr. 13 zu § 630 BGB, OLG München, Urteil vom 30.03.2000, OLGR München 2000, 337-338).

 

2. a) Der Arbeitgeber hat die Richtigkeit der im Zeugnis beschriebenen Tätigkeit und der vorgenommenen Beurteilung von Leistung und Führung darzulegen und im Streitfall zu beweisen (BAG, Urteil vom 23.06.1960, a.a.O., Urteil vom 23.09.1992, a.a.O.). Verlangt der Arbeitnehmer, dem eine durchschnittliche Leistung bescheinigt ist, eine überdurchschnittliche Beurteilung, so wird vertreten, dass er dann die Tatsachen darlegen und beweisen müsse, die den Schluss rechtfertigen, dass er nicht nur einwandfrei gearbeitet, sondern sich mit seinen Leistungen aus dem Durchschnittsbereich herausgehoben habe (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.1986, LAGE Nr. 2 zu § 630 BGB, LAG Köln, Urteil vom 26.o4.1996, AR-Blattei ES 1850 Nr. 39). Nach anderer Ansicht sind zumindest die Grundsätze der abgestuften Darlegungslast anzuwenden, so dass im Prozess der Arbeitnehmer, der ein vom Normalfall abweichendes Geschehen, nämlich die Erbringung überdurchschnittlicher Leistungen, behauptet, zunächst konkrete Indizien, z.B. besondere persönliche Belobigungen, Beförderungen oder außergewöhnliche Anhebungen der Bezüge, vorzutragen hat. Danach wäre es Sache des Arbeitgebers, die Gründe für die gleichwohl nur durchschnittlich ausgefallene Bewertung darzustellen und zu belegen (Kammer-Urteil vom 08.08.1990, a.a.O., zu I 3, LAG Hamm, Urteil vom 22.05.2002, a.a.O., LAG Bremen, Urteil vom 09.11.2000, a.a.O.; Küttner/Reinecke, a.a.O., Rz. 41).

b) Es ist nicht zu verkennen, dass die Verteilung der Darlegungslast in der Gerichtspraxis tendenziell bewirkt, Beurteilungen im Durchschnittsbereich anzusiedeln. Weil sich die Beurteilung auf den gesamten Verlauf des Arbeitsverhältnisses bezieht und es im nachhinein kaum möglich ist, das Gesamtbild dem Gericht konkret und nachvollziehbar darzustellen, hat jede Partei erhebliche Schwierigkeiten, die ihr angelegene Abweichung von der Durchschnittsbenotung darzulegen. So wird die Angabe des Arbeitgebers zu einzelnen Schlechtleistungen nicht als Rechtfertigung für eine unterdurchschnittliche Beurteilung genügen: Neben möglichen konkreten Einwänden und dem Hinweis auf fehlerhafte Arbeitsleistungen anderer Mitarbeiter sind vom Arbeitgeber „beispielhaft“ angeführte Schlechtleistungen dem generellen Einwand ausgesetzt, dass geringfügige Mängel, Fehler oder andere Unzulänglichkeiten jedem Arbeitnehmer unterlaufen und nicht der Annahme einer Durchschnittsleistung entgegen stehen (Staudinger/Preis, a.a.O., Rz. 50, Küttner/Reinecke, a.a.O., Rz. 27).

Umgekehrt wird es dem Arbeitnehmer eher selten gelingen darzustellen, dass er das Arbeitsverhältnis durch eine konstant überdurchschnittliche Leistung prägte. Demzufolge sind die Beweismittel, die die Parteien für ihre Behauptung der Unter- oder Überdurchschnittlichkeit anbieten, meist ungeeignet: Entweder laufen sie auf die zivilprozessual unzulässige Erhebung von Ausforschungsbeweisen hinaus (vgl. BAG, Urteil vom 28.05.1998, 6 AZR 618/98,AP Nr. 6 zu § 16 TV Ang Bundespost) oder verhalten sich zu Einzelereignissen, ohne dass diese für das Arbeitsverhältnis charakteristisch sein müssen, oder sie verfehlen, weil sie sich auf die subjektiven Einschätzungen von als Zeugen benannten anderen Mitarbeitern beziehen, den objektiv anzulegenden „wohlwollenden Maßstab eines verständigen Arbeitgebers“.

 

c) Um einerseits der Problematik der Darlegungs- und Beweislast zu entgehen und andererseits den Spagat zwischen Wahrheit und Wohlwollen zu schaffen, pflegen Arbeitgeber in der Praxis zu nichtssagenden Wendungen vor allem dann zu greifen, wenn es um kritische Punkte im Leistungs- und Führungsverhalten geht (vgl. Staudinger/Preis, a.a.O., § 630 Rz. 44). Damit büßen zwar Zeugnisbeurteilungen weiter ihre praktische Bedeutung ein. Dem entgegenzuwirken, ist jedoch nicht Aufgabe der Rechtsprechung. Im Übrigen entspricht die Erfahrung, dass Beurteilungen in Arbeitszeugnissen nur begrenzte Bedeutung zuzumessen ist, der Realität, die keine einheitlichen und allgemein beachteten Beurteilungsstandards kennt und die Zeugniserteilung einem Beurteiler überlässt, der kompetent und gewissenhaft, aber auch inkompetent sein und die Zeugniserteilung als lästige Pflicht ansehen kann.

 

3. a) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist zunächst davon auszugehen, dass die Klägerin sich mit der Formulierung „Frau L.N..... erfüllt die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit“ damit begnügt, dass ihre Leistung als „ausreichend“ beurteilt wird. Die begehrte Gesamtnote wird auch nicht aufgebessert durch den weiteren, von den Beklagten selbst formulierten Inhalt des Zeugnisses, in dem von tatkräftiger Übernahme der Aufgaben, Verantwortungsbereitschaft, pflichtbewusstem Arbeiten und leichtem Lernen gesprochen wird. Einerseits verhalten sich diese Bemerkungen gerade und nur zur Arbeitseinstellung und Leistungsbereitschaft der Klägerin, und zeichnen lediglich das Bild einer Arbeitnehmerin, die mit positiver Einstellung die Arbeit angegangen ist. Andererseits enthalten sie, indem sie andererseits die Beurteilung der Arbeitsergebnisse auslassen, keine Leistungsbewertung und heben also die Gesamtnote „ausreichend“ nicht an. Gleiches gilt für den Zusatz, dass die Klägerin „den Anforderungen entsprechend gewachsen“ sei. Damit wird dem Leser eher nahe gelegt, dass – zumindest anfänglich - an die Klägerin nur geringe Anforderungen gestellt werden konnten und auch danach der nur mäßigen Steigerbarkeit ihrer Leistung durch eine qualitative und/oder quantitative Begrenzung der gestellten Anforderungen Rechnung getragen wurde.

 

b) Die Beklagten sind darlegungs- und beweispflichtig dafür geblieben, dass die Leistung der Klägerin schwächer als „ausreichend“, also praktisch mangelhaft gewesen ist. Denn nur bei einer mangelhaften Leistung können sie die verlangte Gesamtnote „zu unserer Zufriedenheit“ verweigern. In erster Instanz haben die Beklagten keine Tatsachen zur Begründung der angegriffenen Zeugnisbeurteilung vorgebracht. Mit der schriftsätzlichen Erklärung, die mangelhaften Leistungen der Klägerin könnten nicht im Einzelnen schriftsätzlich vorgetragen werden, weil es sich um vertrauliche Vorgänge handele, haben sie vielmehr die Erfüllung ihrer Darlegungspflicht schlicht abgelehnt. Wenn sie zur Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht vier DIN A 4–Leitzordner mit sich führten, so ersetzt ein darin liegendes Angebot an Gericht und Klägerin, an Gerichtsstelle die Ordner durchzusehen und im Hinblick auf etwaige Leistungsmängel der Klägerin auszuwerten, nicht den erforderlichen Tatsachenvortrag. Im Übrigen war es angesichts der Komplexität der Vorgänge und des für ihre Aufarbeitung erforderlichen Zeitaufwandes unmöglich und auch unzumutbar, den Inhalt der Ordner zu sichten und z.B. die Relevanz der Leistungserfassungsauszüge zu ermitteln. Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift enthält ebenfalls keinen brauchbaren Tatsachenkern und erschöpft sich in pauschalen Angaben zur Mangelhaftigkeit der von der Klägerin erbrachten Arbeitsleistung. Die Angaben sind für das Gericht genausowenig nachvollziehbar, wie sie für die Klägerin einlassungsfähig ist. Da die Klägerin von Anfang an eine mangelhafte Leistung bestritten hat und sich die Geschehnisse, die Gegenstand des Vortrags der Beklagten sind, in deren Wahrnehmungsbereich abgespielten, hatten die Beklagten spätestens nach dem erstinstanzlichen Urteil Anlass zu einer konkreten Darstellung der Leistungen nach Zeit, Art und Inhalt, ihrer Charakteristik für die gesamte Tätigkeitsdauer und ihrer „verständigen“ Benotung. Diese Darstellung ist ausgeblieben.

Die nachträglich überreichten „Ausdrucke/Auszüge der Leistungserfassungen“ sind schon wegen fehlender Aufgliederung und Auswertung als Prozessvortrag ungenügend. Sie sind auch nicht aussagekräftig für eine mangelhafte Gesamtleistung der Klägerin und veranlassen daher die Kammer zu keiner weiteren Sachaufklärung, zumal die verspätete Vorlage der „Leistungserfassungen“ nicht einmal seitens der Beklagten entschuldigt wurde und ihre Berücksichtigung den Rechtsstreit verzögert hätte. Da die von den Beklagten unter Beweis, insbes. Zeugenbeweis, gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, ist ihr tatsächliches Vorbringen unbeachtlich und also auch nicht beweisbedürftig. Eine Vernehmung von Zeugen hätte deren unzulässige Ausforschung bedeutet.

 

c) Das erstinstanzliche Urteil hat - entsprechend dem Klagebegehren - das Zeugnis vom 15.08.2001 den dritten Absatz des Zeugnisses vom 15.08.2001 („Frau L. N. beherrscht das Fach ausreichend und stellt sich auf neue Aufgaben ein.“) entfallen lassen. Die Beklagten greifen mit der Berufungsbegründung das Urteil in diesem Punkt nicht an (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Im Übrigen ist dieser Absatz im Hinblick auf den nachfolgenden Zeugnisinhalt überflüssig und nichtssagend und daher bei der Umformulierung der streitgegenständlichen Zeugnispassagen entbehrlich. Die Vorinstanz hat im vierten Absatz des Zeugnisses zunächst die Sprachmängel („... in den Anforderungen entsprechend gewachsen“) beseitigt. Die neue Formulierung „... ist den Anforderungen gewachsen“ wird von der Berufung auch nicht beanstandet. Indem außerdem der einschränkende Zusatz „im allgemeinen“ gestrichen wird (ursprünglich: „Sie übernimmt die ihr anvertrauten Aufgaben tatkräftig und im allgemeinen verantwortungsbereit ...“), wird der Klägerin zwar eine bessere, aber eben nur durchschnittliche Beurteilung zuteil.

Damit hätte es den Beklagten oblegen, Umstände darzulegen, die eine Abwertung der „Verantwortungsbereitschaft“ bei der Übernahme von Aufgaben rechtfertigen. Die Berufung lässt es an jeder näheren Darlegung fehlen. Hinsichtlich des fünften Absatzes des Zeugnisses vom 15.08.2001 („Frau L. N. arbeitet pflichtbewusst, lernt leicht und begreift das Wesentliche“) greifen die Beklagten ohne Erfolg die Ersetzung des Satzteils „... begreift das Wesentliche“ durch die Beurteilung „.. erfüllt die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit“ an. In ihrem Zeugnis fehlte eine Gesamtnote. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Gesamtbeurteilung der Leistungen. Da die Beklagten die „Mangelhaftigkeit“ nicht dargelegt haben, gehört die vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Beurteilungsfloskel in das berichtigte Zeugnis.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich dem Begehren der Klägerin entsprochen, die Aussage „... begreift das Wesentliche“ zu streichen. Zwar klingt positiv, dass beim (leichten) Lernen „das Wesentliche begriffen“ wird. Indessen legt die Formulierung nahe, dass zwar die Auffassungsgabe des Arbeitnehmers ausreicht, das Wesentliche eines Lernstoffs zu verstehen, jedoch darüberhinaus von ihm entweder nichts oder nicht viel begriffen wird. Sie enthält daher eine negative Beurteilung, dies zumindest wegen ihrer signifikanten Ambivalenz. Die Beklagten haben die Formulierung in ihrer die Fähigkeiten der Klägerin einschränkenden Bedeutung nicht weiter begründet. Das Vortragsdefizit geht, da sie darlegungspflichtig sind, zu ihren Lasten.

 

III. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Berufung haben nach § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagten zu tragen.

 

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, weil sie die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG, nämlich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder das Vorliegen einer Divergenz, als nicht gegeben ansieht. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde werden die Beklagten auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

 

(Unterschriften)