×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Arbeitsrecht
/
LAG Berlin: Leistungs- und Erfüllungsort für Arbeitszeugnis nach beendetem Arbeitsverhältnis (Beschl. v. 6. Februar 2013; Az.: 10 Ta 31/13)

Leitsätzliches

1. Wenn keine besondere Bestimmung für die Übergabe eines Arbeitszeugnisses bestimmt ist, richtet sich dies nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen.
2. Es besteht grundsätzlich keine Rechtspflicht zur Nachsendung eines Arbeitszeugnisses.

 LANDESARBEITSGERICHT Berlin-Brandenburg

Beschluss

Entscheidung vom 6. Februar 2013

Az.: 10 Ta 31/13

 

1. Die (sofortige) Beschwerde des Klägers gegen die Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts Berlin im Urteil vom 20.11.2012 - 57 Ca 12524/12 - bezüglich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils (Zeugniserteilung) wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über verschiedene Ansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Ein Teil des Rechtsstreits wurde erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt. In dem instanzbeendenden Urteil wurden dem Kläger die Kosten für diesen Teil des Rechtsstreits auferlegt.

Der Kläger und Beschwerdeführer ist 39 Jahre alt und war vom 23. Mai 2011 bis 31. Juli 2012 bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin als kaufmännischer Leiter mit einem Bruttomonatseinkommen von 5.667,-- EUR beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung des Beschwerdeführers vom 27. Juni 2012.

Per E-Mail vom 11. Juli 2012 und erneut mit E-Mail vom 16. Juli 2012 hatte der Beschwerdeführer der Assistentin des Vorstands und der Geschäftsführung der Beschwerdegegnerin einen Zeugnisentwurf übersandt. Der Beschwerdeführer führte dabei aus:

„anbei der Entwurf für mein Arbeitszeugnis. Wenn Sie noch von sich aus die eine oder andere Formulierung hineinbringen möchten, würde mich das sehr freuen.

Bitte geben Sie mir auch kurz Bescheid, wenn das Zeugnis von Herrn Sch[…] unterschrieben ist bzw. falls es Probleme geben sollte.“

Nach einer Zwischenmeldung der Assistentin des Vorstandes per E-Mail am 16. Juli 2012 mit dem Text:

„Danke, schicke es sobald wie möglich retour“

wandte sich der Beschwerdeführer am 25. Juli erneut an die Assistentin des Vorstands und führte in einer E-Mail aus:

„Gibt es bezüglich meines Arbeitszeugnisses schon einen Fortschritt?“

worauf die Assistentin des Vorstands dem Beschwerdeführer mitteilte:

Herr Sch[…] möchte das Zeugnis erst am Stichtag unterschreiben, akzeptiert es aber so.“

Nach Ende des Arbeitsverhältnisses wandte sich der Beschwerdeführer am 7. August 2012 erneut an die Assistentin des Vorstands und führte aus:

„Bitte senden Sie mir mein mit Ihnen abgestimmtes Arbeitszeugnis bis zum 10.08.2012 zu.“

Die Assistentin des Vorstands teilte dem Beschwerdeführer darauf mit einer E-Mail vom 17. August 2012, die das Betreff trug: „Ihr Arbeitszeugnis ist unterschrieben!“ mit:

„Ihr AZ ist unterschrieben, Erstens.

Zweitens wäre es gut, wenn Sie bei der Gelegenheit noch einmal herkämen - MS befürwortet das - und wichtige Daten aus Ihrem account in K2 oder K einstellen.“

Zwischenzeitlich hatte der Beschwerdeführer bereits am 15. August 2012 Klage vor dem Arbeitsgericht mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, der klagenden Partei ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Verhalten und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstrecke. Der Beschwerdegegnerin wurde die Klage am 21. August 2012 zugestellt. In der Klagebegründung führte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers aus, dass dem Kläger nicht bekannt sei, warum die Beschwerdegegnerin ein Zeugnis bis zum heutigen Tag nicht erstellt habe. Die bis zum 10. August 2012 gesetzte Frist sei fruchtlos verstrichen.

Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Berlin am 13. September 2012 übergab die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdegegnerin dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ein Zeugnis für den Beschwerdeführer. Im Kammertermin am 20. November 2012 erklärten beide Seiten den Rechtsstreit bezüglich des Zeugnisses in der Hauptsache für erledigt. Darauf wurden dem Beschwerdeführer für diesen erledigten Teil die Kosten auferlegt. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, dass es sich bei der Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses um eine Holschuld handele. Zwar sei streitig, ob der Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin auf die Notwendigkeit der Abholung hingewiesen worden sei, doch sei das unerheblich, da der Kläger keinen Abholversuch unternommen habe. Eine Rechtspflicht der Beschwerdegegnerin, dem Beschwerdeführer das Zeugnis nachzuschicken, bestehe nicht.

Gegen diese am 20. Dezember 2012 zugestellte Kostenentscheidung legte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers am 3. Januar 2013 (sofortige) Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, dass der Charakter einer Holschuld angezweifelt werde und eine solche jedenfalls erst mit einem entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers entstehen könne. Der Kläger habe mehrfach ohne jegliche Reaktion der Beschwerdegegnerin versucht, sein Zeugnis einzufordern. Es sei nicht nachvollziehbar, daraus eine Holschuld zu konstruieren, da völlig unklar sei, was denn der Beschwerdeführer abholen solle.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde entsprechend einem Beschluss vom 4. Januar 2013 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerdeinstanz weiter vorgetragen, dass ihm niemals bekannt gewesen sei, dass ein Zeugnis erstellt worden sei. Eine Holschuld könne nur angenommen werden, wenn die Beschwerdegegnerin ein Zeugnis erstellt und für den Beschwerdeführer bereitgehalten hätte.

Die Beschwerdegegnerin hat darauf verwiesen, dass sich die Art der Schuld kraft Gesetzes aus dem Erfüllungsort ergebe (§ 269 Abs. 1, 2 BGB). Eine Mitteilung dazu sei nicht erforderlich. Dem Beschwerdeführer sei aufgrund der Mitteilung der Assistentin des Vorstandes auch bekannt gewesen, dass sein Zeugnis am Fälligkeitstag bei der Beschwerdegegnerin vorliege. Der Inhalt sei zuvor zwischen den Parteien kommuniziert worden. Der Rechtsirrtum des Beschwerdeführers sei kein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, der unter dem Aspekt von Treu und Glauben eine von der gesetzlichen Regel abweichende Verfahrensweise rechtfertige.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, da aufgrund des Streitwertes von 5.667,-- EUR die Gerichtskosten bei 2 Gebühren (Ziffer 8210 der Anlage 1 zum GKG) nach Anlage 2 zu § 34 GKG 272,-- EUR betragen und damit der notwendige Beschwerdewert von 200,-- EUR überschritten ist.

1.

Der Beschwerdeführer hat wie jeder Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Für diesen in § 109 GewO geregelten Anspruch hat der Gesetzgeber allerdings keinen Erfüllungsort, also einen Ort, an dem die Leistung zu erbringen ist, bestimmt. Auch der Arbeitsvertrag der Parteien enthält dazu keine Regelung. Deshalb greift die allgemeine gesetzliche Regel des § 269 Abs. 1 BGB, dass immer dann, wenn für eine Leistung ein Ort nicht ausdrücklich bestimmt ist oder sich aus den Umständen ergibt, der Wohnsitz des Schuldners maßgeblich ist. Bei Leistungen im Zusammenhang mit Gewerbebetrieben ist Leistungsort der Sitz der Niederlassung des Betriebes (§ 269 Abs. 2 BGB).

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat ein Arbeitnehmer aufgrund der bereits zuvor dargestellten Rechtslage grundsätzlich seine Arbeitspapiere, zu denen auch das Arbeitszeugnis gehört, mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses bei dem Arbeitgeber abzuholen (BAG, Urteil vom 8. März 1995 - 5 AZR 848/93). Lediglich in besonderen Ausnahmefällen kann nach dieser Rechtsprechung aufgrund von Treu und Glauben etwas anderes geboten sein. Zwar mag die Assistentin des Vorstandes der Beschwerdegegnerin mit der E-Mail vom 16. Juli 2012 zunächst den Eindruck erweckt haben, dass die Holschuld sich in eine Schickschuld umwandle, aber jedenfalls mit der E-Mail vom 26. Juli 2012 war eine Abweichung vom gesetzlichen Leistungsort nicht mehr anzunehmen.

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. Juli 2012 endete, war zwar die prozessuale Geltendmachung des Zeugnisanspruchs im Prinzip ohne weiteres zulässig und setzt auch keine Rechtsverletzung des Schuldners voraus, doch wird stets Fälligkeit vorausgesetzt. Bei so genannten verhaltenen Ansprüchen, die insbesondere bei Holschulden bestehen, ist die sofortige Klageerhebung nicht gerechtfertigt (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Juli 2006 - 8 Ta 122/06). Die gerichtliche Geltendmachung setzt beim Zeugnisanspruch einen erfolglosen Abholversuch des Arbeitnehmers oder die Darlegung konkreter Tatsachen voraus, aus denen sich deutlich ergibt, dass ein Abholversuch erfolglos geblieben wäre.

Da solche Gründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin hinsichtlich der Kosten für den erledigten Teil des Rechtsstreites nicht zu beanstanden.

2.

Selbst wenn man der Argumentation des Beschwerdeführers folgen wollte, dass dem Beschwerdeführer zunächst mitgeteilt werden müsse, dass das Zeugnis zur Abholung bereit liege, hat die Assistentin des Vorstandes der Beschwerdegegnerin dieses mit der E-Mail vom 26. Juli 2012 getan. Und selbst wenn man dann dieses aufgrund der vorhergehenden E-Mail vom 16. Juli 2012 und die zunächst unterlassene Reaktion der Beschwerdegegnerin auf die Fristsetzung zum 10. August 2012 als Fortbestehen einer Schickschuld oder als Grund für die Unzumutbarkeit der Abholung des Zeugnisses ansehen würde, hatte der Beschwerdeführer spätestens mit Erhalt der E-Mail der Assistentin des Vorstandes vom 17. August 2012 erfahren, dass er das unterschriebene Zeugnis im Betrieb abholen solle. Das hätte er in Erwartung einer Aufforderung jedenfalls als solche verstehen müssen. Danach hätte der Beschwerdeführer noch vor Zustellung der Klage an die Beschwerdegegnerin seine Klage zurücknehmen können. Selbst im Gütetermin nach Übergabe des Zeugnisses an den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers hätte dieser die Klage hinsichtlich der Zeugniserteilung zurücknehmen können.

In beiden Fällen wäre die Gerichtsgebühr entfallen (Ziffer 8210, Abs. 2 der Anlage 1 zum GKG). Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat das Gericht im Falle einer übereinstimmenden Erledigungserklärung die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs (Arbeitsgericht) kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung von Anwaltskosten besteht, wären mit der (teilweisen) Klagerücknahme sämtliche Kosten entfallen. Da der Beschwerdeführer auch diese nahe liegende Möglichkeit nicht wahrgenommen hat, waren ihm auch unter Zugrundelegung seiner eigenen Rechtsauffassung billigerweise die Kosten hinsichtlich der Zeugnisklage aufzuerlegen.

III.

Ein Grund, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG rechtfertigen könnte, besteht nicht.