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Haftung des Verlegers für Anzeigen - OLG Hamm, Urteil vom 12. Oktober 2004, AZ.: 4 U 98/04

Leitsätzliches

Verleger haben Anzeigen vor ihrer Veröffentlichung auf den Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften zu prüfen. Eine Haftung besteht nur, wenn die Veröffentlichung grob und unschwer erkennbar wettbewerbswidrig ist. Aufgrund der Pressefreiheit darf die Prüfpflicht nicht überspannt werden.

 

 

Aktenzeichen: 4 U 98/04

Entscheidung vom 12. Oktober 2004


In dem Rechtsstreit

...
gegen
... 

Auf die Berufung des Klägers wird das am 5. Mai 2004 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr das Inserat zu veröffentlich

 

"Fett weg in Rekordzeit

Bestätigt: 12 Kilo in 3 Wochen"

gemäß "T3 vom 24. April 2003 (Seite 14)"

oder in inhaltlich identischer Weise.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu Vollziehen an den Geschäftsführern, angedroht.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beklagte veröffentlichte am 27. April 2003 in dem von ihr verlegten Anzeigenblatt T3 auf einer 1/4 Seite eine als solche gekennzeichnete Anzeige für das Schlankheitsmittel "T4" unter den Überschriften:

 

"Fett weg in Rekordzeit

Bestätigt: 12 Kilo in 3 Wochen".

In der Anzeige wurde das Mittel als die von US-Medizinern entwickelte Schlanksensation des neuen Jahrhunderts bezeichnet. Es soll Fett abbauen und lösen und auch auf Zucker wirken. Ein Abnehmen soll allein durch die Einnahme des Mittels ohne jede Diät und Anstrengung möglich sein. Weil es auf Dauer verhindere, dass sich Fett im Körper ablagern könne, soll es 10 mal besser sein als jedes Schlankmittel, das bisher auf dem Markt gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie der Anzeige (Bl.14 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat die Beklagte wegen der Veröffentlichung der nach seiner Auffassung wettbewerbswidrigen Anzeigenwerbung mit Faxschreiben vom 16. Mai 2003 abgemahnt. Am gleichen Tage hat die Beklagte einen Freistellungsvertrag vom 17. April 2003 übersandt (Bl.28 d.A.), den die N GmbH aus L1 mit dem "E1" Verlag in M geschlossen hat und der auch Inserate der beanstandeten Art im T3 betreffen soll. Sie hat den Kläger gebeten, sich direkt an die freistellende Werbeagentur zu halten (Bl.27 d.A.).

Der Kläger hat die Beklagte mit der Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung des Inserats in der konkreten Verletzungsform oder in inhaltlich identischer Weise in Anspruch genommen und unter Vorlage von Entscheidungen anderer Gerichte geltend gemacht, die Voraussetzungen der Pressehaftung lägen hier vor, weil im vorliegenden Fall eine grob täuschende Werbung vorliege, deren Wettbewerbswidrigkeit auch für einen Redakteur einer Zeitung wie der Beklagten unschwer zu erkennen sei.

Der Kläger hat die aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Anträge gestellt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass ihr die Anzeige vom Verlag "E1" übermittelt worden sei, der diese geprüft und schon vorher veröffentlicht habe. Sie hat gemeint, dass die Anzeige jedenfalls nicht grob irreführend sei und dass ihr zuständiger Mitarbeiter eine etwaige Wettbewerbswidrigkeit nicht habe erkennen können. In diesem Zusammenhang hat sie behauptet, dass die Prüfung solcher Anzeigen, die auch in diesem Falle noch einmal durch sie erfolgt sei, nicht von einem Redakteur vorgenommen werde, sondern von einem Anzeigensachbearbeiter. Dieser habe keine Möglichkeit, selbst ohne weitere Nachforschungen einzuschätzen, dass die in der Anzeige behaupteten neuen Entwicklungen in Amerika in keinem Fall zutreffen könnten.

Nachdem im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung ein Auflagenbeschluss ergangen war, hat der Vorsitzende Richter der damals zuständigen V. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 3. Februar 2004 anberaumt. Der Termin ist auf Antrag des Beklagtenvertreters auf den 16. März 2004 verlegt worden. Schon zuvor hatte der Klägervertreter beantragt, ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, weil es bei dem hier unstreitigem Sachverhalt lediglich um eine Rechtsfrage gehe und dadurch Reisekosten eingespart werden könnten. Er hat den Antrag im Hinblick auf die Terminsverlegung wiederholt. Schon in der Klageschrift hatte sich der Kläger mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden allein einverstanden erklärt. Mit Schreiben vom 6. Februar 2004 hat sich die Beklagte sowohl mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren als auch durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 11. Februar 2004 hat der Vorsitzende Richter der V. Kammer für Handelssachen den Termin aufgehoben und antragsgemäß das schriftliche Verfahren angeordnet. Er hat darauf hingewiesen, dass der Termin zur Verkündung der Entscheidung wegen eines Dezernatswechsels in einem gesonderten Beschluss bestimmt werde. Nachdem zwischenzeitlich die VI. Kammer für Handelssachen für das Verfahren zuständig geworden war, hat deren Vorsitzender am 3. März 2004 Termin zur Verkündung einer Entscheidung am 5. Mai 2004 angeordnet. Von Seiten des Klägers ist innerhalb der gesetzten Frist bis zum 22. März 2004 kein Schriftsatz mehr eingegangen.

In dem Verkündungstermin hat der Vorsitzende der VI. Kammer für Handelssachen ein Urteil verkündet, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zustehe, weil diese ihre Prüfungspflicht nicht verletzt habe. Diese dürfe angesichts der Pressefreiheit nicht überspannt werden und erstrecke sich auch dann, wenn es um Gesundheitswerbung gehe, nur auf grobe, vom zuständigen Mitarbeiter unschwer zu erkennende Verstöße. Soweit Verstöße gegen die Nährwertkennzeichnungsverordnung, die Diätverordnung und das Lebensmittelgesetz gerügt worden seien, fehle es bei den betreffenden Mitarbeitern der Beklagten schon an der Kenntnis der Einzelheiten. Soweit es um eine bekanntermaßen verbotene irreführende Werbung gehe, sei jedenfalls kein grober Verstoß gegen das Irreführungsverbot erkennbar. Selbst wenn die behauptete Wirkung des beworbenen Mittels unwahrscheinlich sei, könne ein medizinischer Laie nicht mit Sicherheit beurteilen, ob die dortigen Werbeaussagen über neue Forschungsergebnisse tatsächlich unwahr seien. Es könne den Beschäftigten der Beklagten auch nicht zugemutet werden, sich vom Inserenten Nachweise über die Richtigkeit der Werbeaussagen geben zu lassen. Schließlich lägen auch keine sonstigen Umstände vor, die die Mitarbeiter besonders argwöhnisch machen konnten. Die Größe der Anzeige sei ebenso unauffällig wie die Tatsache, dass ein österreichischer Kunde inseriert habe. Auch der Umstand, dass die bloße Angabe der Telefonnummer und eines Postfachs eine etwaige Rechtsverfolgung erschweren könnte, sei nicht verdächtig. Die Tatsache, dass die Beklagte über eine Freistellungserklärung verfüge, lasse nicht den Schluss zu, dass sie selbst von einem groben Verstoß ausgegangen sei.

Der Kläger greift das Urteil mit der Berufung an. Er macht zunächst geltend, dass das Urteil gegen § 309 ZPO verstoße, weil der im schriftlichen Verfahren entscheidende Richter nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen habe, sondern erst infolge des späteren Dezernatswechsels zuständig geworden sei. Die Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren sei zu einem Zeitpunkt gegeben worden, als noch nicht absehbar gewesen sei, dass der an der mündlichen Verhandlung beteiligte Richter nicht mehr zur Entscheidung berufen sein werde. Außerdem habe sich die Zustimmung auch nicht auf eine Entscheidung durch den Vorsitzenden allein bezogen.

Der Kläger meint, das Gericht habe auch zu Unrecht einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 3 UWG a.F. verneint, weil sich einem durchschnittlichen informierten Redakteur die Wahrheitswidrigkeit der streitgegenständlichen Werbeaussagen sofort aufdrängen müsse.

Dazu trägt er erneut vor, es sei allgemeiner und bekannter Stand der Wissenschaft, dass das Körpergewicht nur dadurch reduziert werden könne, dass die Zufuhr von Kalorien vermindert und dadurch Körperfett abgebaut werde. Allein aus den herausgestellten Überschriften könne deshalb ein durchschnittlicher Anzeigenredakteur sofort entnehmen, dass es hier um eine besonders grobe Täuschung des Publikums im Sinne der §§ 3, 5 UWG n.F. gegangen sei.

Der Kläger macht ferner geltend, das Landgericht habe auch die besonderen Umstände des Falles nicht richtig gewürdigt. Sowohl die Größe des Inserates als auch die besondere Gestaltung der Anzeige mit ihrer reißerischen Sprache hätten hier die Prüfungspflicht der Beklagten erhöht und diese veranlassen müssen, den gesamten Fließtext zu lesen oder jedenfalls den Titel und die Zwischenüberschriften genauer zu betrachten. Allein diese versprächen dann schon ein wahres Wunder, das der Traum jeder großen Pharmafirma wäre und nicht von einem völlig unbekannten Unternehmen unter Tarnanschrift auf eine solche Weise beworben werden müsste. Dafür, dass sich die Beklagte tatsächlich darüber im klaren gewesen sei, dass der Abdruck des Inserats zu Bedenken Anlass gegeben habe, spreche auch die Tatsache, dass sie für den Abdruck eine Freistellungserklärung zusammen mit einer Kostendeckungszusage verlangt und auch erhalten habe.

Der Kläger weist abschließend darauf hin, dass verschiedene Obergerichte im Hinblick auf identische und jedenfalls vergleichbare Werbeaussagen übereinstimmend eine Haftung der die Werbeanzeigen abdruckenden Presseorgane angenommen hätten. Er verweist insoweit insbesondere auf Entscheidungen des Thüringer OLG MD 2003, 819, des OLG Celle MD 2003, 142, des OLG Düsseldorf MD 2004, 756, des OLG Stuttgart und des OLG Hamburg MD 2003, 52.

Der Kläger beantragt,

der Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr das Inserat zu veröffentlichen:

"Fett weg in Rekordzeit

Bestätigt: 12 Kilo in 3 Wochen"

(gem. "T3" vom 27.04.2003, Seite 14)

oder in inhaltlich identischer Weise.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zunächst darauf, dass der Kläger schon in der Klageschrift einer Entscheidung durch den Vorsitzenden allein zugestimmt habe und dass die Vorschrift des § 309 ZPO nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens nicht mehr greife. Sie macht in der Sache weiterhin geltend, sie habe mit der Veröffentlichung des Inserats nicht gegen § 3 UWG a.F. verstoßen. Sie macht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH zur Pressehaftung Ausführungen dazu, warum hier, selbst wenn die im Inserat beschriebenen Schlank-Kapseln die neuartige und sensationelle Wirkung nicht haben sollten, kein grober Wettbewerbsverstoß vorliege, den ein Anzeigensachbearbeiter unschwer erkennen könne. Ihren Mitarbeitern hätten sich weder aus dem Format noch aus der Gestaltung der Anzeige noch aus der Tatsache, dass der Kunde seinen Geschäftssitz in Österreich gehabt habe, Zweifel aufdrängen müssen, aus denen sich eine erhöhte Prüfungspflicht ergeben konnte. Die Freistellungserklärung der den Inserenten vertretenden Werbeagentur sei gegenüber dem Verlag "E1" abgegeben worden und ihr erst nach der Abmahnung bekannt geworden und übermittelt worden (Beweis: Zeugnis I).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Inserats in identischer und kerngleicher Weise aus §§ 3, 5 UWG zusteht.

1) Das angefochtene Urteil ist allerdings nicht schon deshalb aufzuheben, weil es unter Verstoß gegen § 309 ZPO ergangen ist. Das Urteil ist nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, sondern im schriftlichen Verfahren. § 309 ZPO findet bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren auch dann keine Anwendung, wenn eine mündliche Verhandlung voraufgegangen ist (BGH NJW-RR 1992, 1065 -Pajero). Die Anordnung des schriftlichen Verfahrens nach § 128 Abs. 2 ZPO ist auch formell ordnungsgemäß erfolgt. Der Kläger hat den Antrag, nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung in das schriftliche Verfahren überzugehen, wiederholt gestellt. Die Beklagte hat ausdrücklich zugestimmt. Damit war das Gericht ermächtigt, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Der Kläger hat auch nichts dafür dargetan, dass und warum die Entscheidung im schriftlichen Verfahren hier ermessensfehlerhaft gewesen sein sollte. Gerade den Anwälten des Klägers ging es darum, bei dieser Entscheidung von Rechtsfragen bei unstreitigem Sachverhalt die weitere Reise nach E2 ersparen zu können. Gericht und Gegner sind auf diesen Wunsch eingegangen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dem neuen Dezernenten durch die fehlende Teilnahme an der mündlichen Verhandlung eine wesentliche Entscheidungsgrundlage gefehlt haben sollte.

Beide Parteien haben auch ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Vorsitzenden anstelle der Kammer im Sinne des § 349 Abs. 3 ZPO erklärt. Dem Einverständnis des Klägers schon in der Klageschrift steht nicht entgegen, dass zwischenzeitlich ein Termin vor der Kammer stattgefunden hat. Er musste damit rechnen, dass gerade im schriftlichen Verfahren der Vorsitzende allein entscheiden würde. Dass eine solche Entscheidung auch beabsichtigt war, konnte der Kläger der entsprechenden Anfrage an die Beklagte und der Einverständniserklärung der Beklagten entnehmen. Das Einverständnis bezog sich auch nicht auf den damals zuständigen Vorsitzenden persönlich, sondern auf eine Entscheidung des jeweiligen Vorsitzenden der zuständigen Kammer. Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass hier nicht der gesetzliche Richter entschieden habe. Gesetzlicher Richter war im schriftlichen Verfahren der Vorsitzende der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Kammer. Es ist unstreitig, dass wegen einer Änderung der Geschäftsverteilung die VI. Kammer für Handelssachen zuständig geworden ist, deren Vorsitzender auch entschieden hat. Auf den Dezernatswechsel war auch hingewiesen worden.

2) Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs.2 S.2 ZPO. Er nimmt zunächst auf die im T3 erschienene Anzeige im Ganzen als konkrete Verletzungshandlung Bezug. Soweit auch Veröffentlichungen solcher Inserate "in inhaltlich identischer" Weise erfasst werden sollen, soll damit nur zum Ausdruck gebracht werden, dass sich das Verbot darüber hinaus auch auf im Kern gleiche Verstöße, bei denen etwa nur einzelne Worte oder Passagen ausgetauscht werden, ohne dass sich an der inhaltlichen Aussage etwas ändert, beziehen soll.

3) Der Kläger kann nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3 ; 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG von der Beklagten Unterlassung solcher Veröffentlichungen verlangen. Denn in der veröffentlichten Anzeige sind relevante irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse im Sinne des § 5 UWG enthalten gewesen.

Die Veröffentlichung stellt damit zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung der Beklagten im Sinne des § 3 UWG dar.

a) Der Kläger ist zur Geltendmachung des Anspruchs nach § 8 Abs. 3 Nr.2 UWG befugt, da ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die auf dem hier entscheidenden Markt der Nahrungsergänzungsmittel Waren gleicher oder verwandter Art vertreiben. Das reicht auch in Fällen wie dem vorliegenden aus (vgl. BGH WRP 2001. 531, 533 -Herz-Kreislauf-Studie).

b) Die Beklagte hat mit der Veröffentlichung der Anzeige eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgenommen. Sie hat dabei mit dem Ziel gehandelt, sowohl ihre eigenen Anzeigengeschäfte als auch zugleich den Absatz des in ihrem Anzeigenblatt werbenden Unternehmens zu fördern.

c) Die Anzeige stellt auch eine irreführende Werbung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG dar. Die in ihr enthaltenen Angaben über die Merkmale, insbesondere die Zwecktauglichkeit und Verwendungsmöglichkeit des angebotenen Schlankheitsmittels, sind unter Berücksichtigung des gesamten Erscheinungsbildes der Werbung im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG als irreführend anzusehen. Es wird bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher der Eindruck erweckt, allein durch die Einnahme des Mittels sei es innerhalb kürzester Zeit möglich, in erheblichem Umfang und dauerhaft abzunehmen, ohne die Ernährungsgewohnheiten und die Art und den Umfang der körperlichen Betätigung zu ändern. Dieser Eindruck ist unrichtig; einer solchen Möglichkeit der Gewichtsabnahme stehen alle bisherigen gesicherten Erkenntnisse der Wissenschaft entgegen (vgl. insbesondere OLG Stuttgart, Urteil vom 10. April 2003 - 2 U 180 / 02; OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Oktober 2002 -6 U 74 / 02). Die dadurch erweckte Fehlvorstellung veranlasst gerade übergewichtige Verbraucher, die an die Richtigkeit glauben wollen, bekanntermaßen dazu, das Schlankheitsmittel zu bestellen und einzunehmen. Die Irreführung ist deshalb auch wettbewerbsrechtlich relevant und beeinträchtigt den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher und Mitbewerber auch nicht nur unerheblich im Sinne des § 3 UWG.

d) Für diesen Wettbewerbsverstoß ist auch die Beklagte als Anzeigenverlag verantwortlich, weil sie die Anzeige veröffentlicht hat, obwohl sie deren Wettbewerbswidrigkeit bei der erforderlichen genaueren Überprüfung ihres Inhalts erkennen konnte.

aa) Der Verleger ist bei der Entgegennahme von Anzeigenaufträgen grundsätzlich zur Prüfung verpflichtet, ob die Veröffentlichung der Anzeige gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Wegen des gebotenen Schutzes der Pressefreiheit und der Besonderheiten des Anzeigengeschäftes darf diese Prüfungspflicht aber nicht überspannt werden. Daher haftet der Verleger selbst nur dann für die Veröffentlichung wettbewerbswidriger Anzeigen in seinem Publikationsorganen, wenn diese grob und unschwer erkennbar wettbewerbswidrig sind (BGH WRP 2002, 434, 441 -H.I.V. Positive II; BGH -Herz-Kreislauf-Studie, a.a.O.).

bb) Im vorliegenden Fall ist zunächst von Bedeutung, dass es hier um eine Anzeige in einem Anzeigenblatt geht, bei dem nach unwidersprochenem Beklagtenvorbringen Anzeigenkaufleute für die Überprüfung der Anzeigen zuständig sind. Bei diesen können spezielle Kenntnisse über lebensmittelrechtliche und heilmittelrechtliche Detailregelungen nicht vorausgesetzt werden (BGH GRUR 1995, 751, 752 -WSV-Werbung für Möbel). Eine Prüfung brauchte sich deshalb von vorneherein nicht auf etwaige Verstöße gegen solche Vorschriften wie § 17 Abs. 5 LMBG zu erstrecken. Generell beachten musste die Beklagte allerdings grobe Verstöße gegen Grundnormen des Wettbewerbsrechts wie das allgemeine Irreführungsverbot, weil deren Kenntnis im geschäftlichen Verkehr allgemein und auch von ihr erwartet werden kann.

cc) Ob es sich in einem Fall wie diesem bereits um einen so groben und offenkundigen Verstoß handelt, dass er auf erste Sicht und ohne nähere Prüfung zu erkennen ist, wie es die vom Kläger vorgelegten Urteile der OLG Düsseldorf, Karlsruhe und Stuttgart bei den betreffenden Schlankheitswerbungen annehmen, kann hier dahin stehen. Denn es liegen zusätzliche Umstände vor, die für die Beklagte eine umfassendere Prüfungspflicht mit sich gebracht haben, die dann bei genauerem Hinsehen zum Erkennen der Wettbewerbswidrigkeit hätte führen müssen. Ein solcher Umstand ist zwar nicht allein darin zu sehen, dass es hier um den sensiblen Bereich der Gesundheitswerbung geht. Auch wenn das Interesse der Allgemeinheit groß sein mag, gerade in einem Bereich, der im weiteren Sinne die Volksgesundheit betrifft, täuschende Anzeigenwerbung zu unterbinden, kann das für die Prüfungspflicht der Presse, die auch dann schnell entscheiden muss, ob sie die Anzeigen annimmt oder nicht, nicht entscheidend ins Gewicht fallen (BGH GRUR 1994, 454, 456 -Schlankheitswerbung). Auch die Tatsachen, dass ein ausländischer Inserent die Anzeige aufgeben wollte und dass nur eine 01805-Telefonnummer und ein deutscher Bestellservice angegeben waren, waren für sich allein noch nicht verdächtig. Entscheidend ist insoweit aber, dass sich die Beklagte jedenfalls durch die Freistellungserklärung des Inserenten zu besonderer Vorsicht und Prüfung veranlasst sehen musste.

(1) Eine Freistellungserklärung der hier vorgelegten Art ist im Anzeigengeschäft nicht geboten und üblich, sondern lässt nach ihrem Sinn und Zweck eine gewisse Gefahr der Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige vermuten, weil sich aus ihr auch ergibt, dass die Rechtslage schon vom Inserenten selbst als zumindest zweifelhaft angesehen worden ist. Das gilt in besonderem Maße, wenn sie sich wie hier sogar auf staatliche Ordnungsgelder bezieht, die erst nach einer Zuwiderhandlung gegen ein schon ausgesprochenes Verbot fällig werden. Eine so weit gehende Freistellung muss für jeden Verlag ein "Alarmzeichen" sein, das zu einer weitergehenden Prüfung als sonst üblich veranlassen muss.

(2) Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, dass sie von der vorliegenden Freistellungserklärung bei Veröffentlichung der Anzeige nichts gewusst und diese erst nach der Abmahnung von dem Verlag des "E1" erhalten habe, entspricht ihr Vortrag nicht den Tatsachen. Bedenken gegen die Richtigkeit ihre Vortrages ergeben sich schon daraus, dass nach dem Inhalt des Schreibens vom 16. Mai 2003 (Bl.27 d.A.) die Freistellungserklärung "uns", also der Beklagten selber vom Kunden vor der Veröffentlichung übersandt sein soll. Entscheidend ist aber, dass die Freistellungserklärung, in der auch ausdrücklich auf Ansprüche gegen die Beklagte Bezug genommen worden ist, der Beklagten nach dem eindeutigen Inhalt der von ihr vorgelegten Faxkopie (Bl.28 d.A.) am 22. April 2003 um 8.50 Uhr vom "E1" zugefaxt worden ist, und damit vor dem Erscheinen der Anzeige am 27. April 2003. Angesichts dessen ist auch der Zeuge I, der das Gegenteil bekunden soll, dazu nicht zu vernehmen.

(3) Bei gesteigerter Prüfungspflicht und sorgfältigerem Studium der Anzeige musste dann auffallen, dass eine so abrupte, zwanglose und dauerhafte Gewichtsreduzierung nicht möglich sein und auch der mitgeteilte wissenschaftliche Hintergrund angesichts des Gesamttenors und des aufreißerischen Charakters der Anzeige nichts daran ändern konnte. Die somit erkennbare Irreführung der Verbraucher durfte die Beklagte nicht dadurch fördern, dass sie die Anzeige veröffentlichte.

Die in § 543 Abs.2 ZPO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind in dem hier vorliegenden besonders gelagerten Einzelfall nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

(Unterschrift)

OBERLANDESGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES

 

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