×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Internetrecht
/
Zum Gefahrübergang bei ebay-Kauf - LG Berlin, Urteil vom 1. Oktober 2003, AZ: 18 O 117/03 -

Leitsätzliches

1. Versendungskauf bei Ebay
Bei Verkäufen über Internet-Plattformen (hier ebay) wird regelmäßig ein Versendungskauf nach § 447 BGB vereinbart. Die Gefahr geht hier erst dann über, wenn der Kaufgegenstand an eine "zur Versendung bestimmte Person" übergeben worden ist. Wird dies nicht behauptet bzw. unter Beweis gestellt, trägt der Verkäufer die Gefahr hinsichtlich der Möglichkeiten, dass das zum Versand gegebene Paket die Ware gar nicht enthielt oder die Kaufsache auf dem Transportweg verlorenging. 2. Keine Stellvertretung bei Ebay
Wenn beim Verkauf hochpreisiger Uhren über die Internetplattform "ebay" behauptet wird, der Verkauf sei im Namen eines Lieferanten erfolgt, kommt, sofern die Vertretung nicht offengelegt war, mangels Erkennbarkeit der Vertretung (§ 164 Abs. 2 BGB) ein Geschäft mit dem anbietenden Verkäufer zustande. Ein Geschäft für den, den es angeht, kommt bei Internetkäufen nicht in Betracht, da es sich insoweit nicht um Kaufverträge des täglichen Lebens handelt, bei denen eine sofortige Abwicklung möglich ist.

LANDGERICHT BERLIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Geschäftsnummer: 18 O 117/03

Entscheidung vom 1. Oktober 2003

 

In dem Rechtsstreit

...

hat die Zivilkammerl8 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg, im schriftlichen Verfahren am 30. August 2003 durch die Richter...

 

für Recht erkannt:

 

1. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 9.765,67€ nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 7. November 2002 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits und die der Nebenintervention hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Streithelfer durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abzuwenden, wenn nicht der Streithelfer zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ersteigerte unter dem Pseudonym „...“ vom Beklagten unter dem Pseudonym „...“ am 12. November 2001 bei der Firma „ebay“, einem Unternehmen, welches private Auktionen über das Internet durchführt, unter der Artikelnummer 1658227212 eine Armbanduhr „Rolex Daytona Stahl“ zum einem Gebotspreis von 18.600 DM.

Der Kläger überwies sodann am 13. November 2001 einen Betrag in Höhe von 19.100,- DM (den Gebotspreis zuzüglich Versicherungs- und Versandkosten) auf ein Konto des Beklagten bei der Postbank AG Berlin.

Ausweislich eines Einlieferungsscheines der Deutschen Post, welcher als Absender den Beklagten und als Empfänger den Kläger ausweist, war an diesen am 17. November 2001 ein Wertpaket abgesandt worden, und zwar mit einer Wertangabe über 25.000,- DM und einem Gewicht von 1,1 kg.

Der Kläger erhielt auch ein Paket er behauptet indes, dass dieses lediglich eine leere Holzbox beinhaltet habe, nicht aber die ersteigerte Uhr.

Am 07.01.2002 stellte der Kläger sowohl bei der österreichischen als auch bei der Deutschen Post Euro Express entsprechende Nachforschungsaufträge. Mit Schreiben vom 25. Juni 2002 lehnte die österreichische Post jede Haftung mit dem Hinweis auf fehlende Aufbruchsspuren und die Unversehrtheit des Paketverschlusses ab.

Der Kläger behauptet, die Nachforschungsstelle habe am 29. November 2002 erstmals ein Ergebnis per e-Mail mitgeteilt. Demnach sei das Paket unversiegelt über Nürnberg an die österreichische Grenze gekommen und dort nachplombiert worden. Der Kläger behauptet, das Gewicht der Sendung sei bei Absendung und Ankunft überprüft worden und jeweils gleich gewesen.

Der Kläger verlangt die Rückzahlung des überwiesenen Betrages von 19.100,- DM, was dem. Betrag von 9.765,67 € entspricht, und macht diesen durch am 6. November2002 zugestellten Mahnbescheid gegen den Beklagten geltend

Der Beklagte hat dem Streithelfer mit Schriftsatz vom 7. April 2003 den Streit verkündet, der dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 16. Juni, 2003 auf Seiten des Klägers beigetreten ist.

Der Streithelfer behauptet, er habe dem Beklagten im Oktober/ November 2001 mehrere Uhren verkauft, die dieser dann im eigenen Namen über „ebay“  versteigert habe. Hinsichtlich der streitbefangenen Uhr behauptet der Streithelfer, dass er lediglich den Einlieferungsschein für den Beklagten ausgefüllt und das bereits fertig verpackte Paket zur Post gebracht und aufgegeben habe, was aus Gefälligkeit geschehen sei.

Der Kläger und der Streithelfer beantragen,

 

den Beklagten zu verurteilen, an dem Kläger 9.765,67 € nebst ‘5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.11.2002 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe die Uhr für den Streithelfer des Klägers versteigert, da dieser selbst keinen Zugang zu der Firma „ebay“ gehabt habe. Auf diese Weise, so der Beklagte, habe er im Oktober und November 2001 mehrere Uhren für den Streithelfer angeboten, wobei es, was er‘ aber erst später erfahren habe, zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Wegen solcher Unregelmäßigkeiten habe er, der Beklagte, gegen den Streithelfer auch Zivilprozesse geführt, u.a. das Verfahren 5 O 112/02 vor dem Landgericht Berlin.

Der Beklagte behauptet, den Versand habe der Streithelfer, anders als in anderen Fällen, in diesem Fall selbst übernommen. Der Streithelfer habe auch den Einlieferungsschein für den Postversand nach Österreich ausgefüllt.

Den seitens des Klägers überwiesenen Betrag, habe er, der Beklagte, an den Streithelfer weitergeleitet.

Der Beklagte behauptet, dass er, als der Kläger das Fehlen der Uhr bei ihm beanstandet habe, sich unverzüglich an den Streithelfer gewandt und diesen um Klärung gebeten habe, wobei dieser das Absenden der Uhr ihm, dem Beklagten gegenüber, versichert und geäußert habe sich um die Sache kümmern zu wollen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz des Kaufpreises und die Versandkosten im Wege des Schadensersatzes aus § 440 Abs.1, 325 Abs.1 BGB a.F.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist durch das Anbieten der Uhr seitens des Beklagten, und das Abgeben des höchsten Gebotes innerhalb der festgelegten Zeitspanne ein Kaufvertrag zustande gekommen. Im Rahmen von §156 Abs.1 BGB ist das Gebot als Angebot und der Zuschlag als Annahme zu werten. „ebay“ selbst schließt mit den Verkäufern, die eine Gebühr für den Verkauf entrichten müssen, Nutzungsverträge; Abweichend von §156 BGB ist dabei festgelegt, dass der „Zuschlag“ zugunsten des höchsten Gebots auch ohne Abgabe einer besonderen Erklärung allein durch Ablauf einer bestimmten Zeitspanne ausgelöst wird.

Soweit der Beklagte einwendet, den Verkauf nur im Auftrage des Streithelfers durchgeführt zu haben, hindert dies seine lnanspruchnahme nicht.

Der Beklagte handelte bei „ebay“ nicht in fremdem Namen, sondern unter seinem Pseudonym, weshalb schon mangels Erkennbarkeit einer Vertretung der Beklagte selbst als Verkäufer anzusehen ist (§ 164 Abs. 2 BGB). Ein Geschäft für den, den es angeht, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Internetkäufe sind nicht Kaufverträge des täglichen Lebens, eine sofortige Abwicklung der Geschäfte ist nicht möglich. Zudem ist es für den Käufer nicht unerheblich, wer Vertragspartner werden soll. Er orientiert sich gerade bei „ebay“ regelmäßig an den positiven Bewertungen des Verkäufers und vertraut darauf, mit diesem den Vertrag zu schließen.

Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass er die ihm im Rahmen von § 433 BGB obliegenden Verpflichtungen, Übergabe und Übereignung der Uhr an den Kläger, erfüllt habe, weshalb er dem Kläger, da ihm nach seinen eigenen Angaben eine Übereignung und Übergabe der Uhr unmöglich ist, zum Schadensersatzverpflichtet ist (§ 440, 325 Abs.1 BGB a.F.), wobei das Unvermögen der Unmöglichkeit gleichsteht.

Was einen tatsächlichen Erhalt der Uhr durch den Kläger betrifft, so besteht zwar die theoretische Möglichkeit, dass der Kläger trotz eines Erhaltes wahrheitswidrig behauptet, die Uhr tatsächlich nicht erhalten zu haben. Dafür hat der Beklagte hinreichende Tatsachen aber nicht vorgetragen, insbesondere keinerlei Beweis dafür angetreten.

Aus dem vorliegenden Prozeßstoff ergeben sich insoweit auch keine hinreichenden Anhaltspunkte zu Lasten des Klägers. Vielmehr räumt der Beklagte selbst ein, dass es mit Waren des Streithelfers, insoweit geht das Gericht auch aufgrund der Feststellungen und Würdigungen im .Rahmen des zwischen dem Beklagten und dem Streithelfer geführten Rechtsstreits (Landgericht Berlin 5 O 112/02), welchen der Beklagte in Bezug nimmt, davon aus, dass der Streithelfer tatsächlich als Veräußerer „hinter dem Beklagten stand“ (vgl. Urteil dort, S. 6 ff), Unregelmäßigkeiten gegeben habe.

Hinsichtlich der verbleibenden Möglichkeiten, Absenden des Paketes ohne Uhr oder Verlust auf dem Transportweg, trägt der Beklagte die Gefahr. Im Rahmen der besonderen Umstände des Kaufs über die Internet-Plattform „ebay“ haben die Parteien nämlich einen Versendungskauf vereinbart (§ 447 BGB), im Rahmen dessen die Gefahr erst auf den Käufer, hier den Kläger, übergehen konnte, wenn der Beklagte die Uhr der „zur Versendung bestimmen Person“ übergeben hätte.

Dies behauptet der Beklagte aber selbst nicht. Er trägt vielmehr vor, die Uhr lediglich beim Fotografieren für die Internet-Präsentation überhaupt gesehen zu haben, während der Streithelfer „nach Erhalt des Kaufpreises die sich ohnehin bei ihm (‘dem Streithelfer) befindliche Uhr ohne jedes Zutun des Beklagten allein versandt“ habe (Schriftsatz vom 7. Juli 2003, S. 1).

Damit räumt der Beklagte aber selbst ein, die ihm im Rahmen des Versendungskaufs obliegenden Pflichten nicht erfüllt zu haben, weshalb auch das Verlustrisiko bei ihm verblieben war (§ 447 Abs.1 BGB).

Dem steht auch das Vorbringen des Streithelfers nicht entgegen.

Dieser behauptet zwar gegenteilig, dass er das seitens des Beklagten bereits fertig verpackte Paket zur Post gebracht und dort aufgegeben habe, damit behauptet aber auch der Streithelfer, wie der Beklagte, lediglich, dass er keine Angaben dazu machen könne, ob sich beim Absenden des Paketes die geschuldete Uhr darin befunden habe.

So führte auch die Berücksichtigung dieses Vorbringens nicht dazu, hinreichenden Anhalt für eine durch den Beklagten (über den Streithelfer als Erfüllungsgehilfen) durchgeführte ordnungsgemäße Aufgabe der ‚Uhr selbst bei der Post zu geben.

Letztlich wären die Prozesserklärungen des Streithelfers des Klägers, soweit sie zu dessen Lasten gingen, auch unwirksam (vgl. Baumbach/Hartmann, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 60. Auflage, § 67 Rdn. 8).

Soweit der Beklagte schließlich Beweis durch Vernehmung des‘ Streithelfers dafür anbietet, dass dieser die. Uhr ordnungsgemäß abgesandt habe, reicht dies ebenfalls nicht zur Darlegung des Erfüllens seiner Verkäuferpflichten aus. Der Beklagte behauptet nämlich nicht, dass der Streithelfer dabei als (ausgewählter) Erfüllungsgehilfe für ihn gehandelt habe, womit der Beklagte, da das tatsächliche Absenden der Uhr allein dem Streithelfer überlassen und nicht seitens des Beklagten veranlasst war, jedenfalls das Verlustrisiko nicht abwälzen konnte. Im übrigen hielte das Gericht dafür, dass im Rahmen der hier vorliegenden ungewöhnlichen Konstellation die Vernehmung des Streithelfers des Klägers als Zeugen ausnahmsweise ungeeignet wäre, da die von dem Beklagten behauptete. Tatsache sämtlichen prozessualen Äußerungen des Streithelfers diametral gegenüber stünde und somit ‚jede innere Wahrscheinlichkeit“ dafür fehlte, dass der Streithelfer die Angaben des Beklagten tatsächlich bestätigen könnte (vgl. dazu Baumbach/Hartmann, ‘Kommentar zur Zivilprozessordnung, 60. Auflage, § 286 Rdn.35).

Der Zinsanspruch ergibt sich in gesetzlicher Höhe aus §§ 284 Abs.1, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit stützt sich ‚auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

(Unterschriften)