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BGH entscheidet über urheberrechtlichen Schutz von Militärberichten

BGH: Urheberrechtlicher Schutz für Militärberichte?

Der Bundesgerichtshof wird darüber entscheiden, ob militärische Lageberichte urheberrechtlichen Schutz genießen. Eine Entscheidung (Az. I ZR 139/15) steht noch aus - nun muss erst der EuGH entscheiden.

Geklat hatte die Bundesrepublik Deutschland – und zwar gegen die Veröffentlichtung der Lageberichte durch das Medienunternehmen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Die Zeitung hatte im September 2012 die Einsichtnahme in sogenannte UdP-Berichte („Unterrichtung des Parlaments“) beantragt. Dabei handelt e sich um wöchentlich erstellte militärische Lageberichte über Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Die Berichte werden unter anderem an ausgewählte Bundestagsabgeordnete, Referate im Verteidigungsministerium sowie an andere Ministerien versendet. Die UdP werden als Verschlusssache „VS - nur für den Dienstgebrauch“, die niedrigste der gesetzlich vorgesehenen vier Geheimhaltungsstufen, eingestuft.

Der Antrag der WAZ auf Einsichtnahme wurde unter Hinweis auf die Sicherheitsrelevanz des Materials abgelehnt. In der Folgezeit gelangte das Medienhaus auf unbekanntem Weg an die Berichte und veröffentlichte sie in ihrem Onlineportal.

Nun versucht die Bundesrepublik – quasi durch die Hintertür – die Veröffentlichung verbieten zu lassen, und zwar über das Urheberrecht. Sie hat das Medienhaus auf Unterlassung in Anspruch genommen. In den ersten Instanzen bekam die Bundesregierung Recht – zuletzt entschied das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 12. Juni 2015, Az. 6 U 5/15), dass es sich bei den Lageberichten um ein urheberrechtsschutzfähiges Sprachwerk handelt. Eine identische Übernahme sei nicht rechtmäßig.

Da die UdP nicht in eine eigene Berichterstattung des Medienhauses eingebettet seien, sei ihre Veröffentlichung weder unter dem Gesichtspunkt der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) noch durch das gesetzliche Zitatrecht (§ 51 UrhG) gerechtfertigt, so der Kölner Senat. Auch eine Abwägung der Interessen bringe kein anderes Ergenbnis: Soweit ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bestehe, müsse dieses hinter den Geheimhaltungsinteressen des Bundesregiertung zurücktreten.

UPDATE: BGH legt Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen vorgelegt. Er teilt dazu folgendes mit:

Nach Ansicht des BGH stellt sich die Frage, ob eine widerrechtliche Verletzung eines Urheberrechts an den UdP ausscheidet, weil das Recht der Klägerin zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Wiedergabe der Berichte oder die von der Beklagten geltend gemachten Schrankenregelungen der Berichterstattung über Tagesereignisse und des Zitatrechts im Lichte der im Streitfall betroffenen Grundrechte und Interessen auszulegen und anzuwenden sind, und die von der Beklagten geltend gemachte Behinderung der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit durch das Urheberrecht an den UdP schwerer wiegt als der Schutz von Verwertungsinteressen und Geheimhaltungsinteressen der Klägerin. 

Der BGH hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die hier in Rede stehenden Vorschriften des Unionsrechts Umsetzungsspielräume im nationalen Recht lassen. Diese Frage ist entscheidungserheblich, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein am Unionsrecht und damit auch den durch dieses gewährleisteten Grundrechten zu messen sind, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum überlässt, sondern zwingende Vorgaben macht.

Der BGH hat dem EuGH ferner die Frage vorgelegt, ob die Grundrechte der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit Einschränkungen des ausschließlichen Rechts der Urheber zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke außerhalb der in der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Schranken dieser Rechte rechtfertigen.

Diese Frage stellt sich, weil die Voraussetzungen der - hier allein in Betracht kommenden - Schranken der Berichterstattung über Tagesereignisse und des Zitatrechts nach dem Wortlaut der betreffenden Regelungen der Richtlinie nicht erfüllt sind. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (OLG Köln) hat die Beklagte sich darauf beschränkt, die militärischen Lageberichte in systematisierter Form im Internet einzustellen und zum Abruf bereitzuhalten. Danach stand die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe der UdP nicht in Verbindung mit einer Berichterstattung und erfolgte auch nicht zu Zitatzwecken.

Darüber hinaus waren die UdP zum Zeitpunkt ihrer Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe durch die Beklagte der Öffentlichkeit nicht bereits - wie es das Zitatrecht voraussetzt - rechtmäßig zugänglich gemacht worden. Der BGH hat in seinem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH deutlich gemacht, dass nach seiner Ansicht eine außerhalb der urheberrechtlichen Verwertungsbefugnisse und Schrankenbestimmungen angesiedelte allgemeine Interessenabwägung durch die Gerichte nicht in Betracht kommt, weil sie in das vom Richtliniengeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bereits allgemein geregelte Verhältnis von Urheberrecht und Schrankenregelung übergreifen würde. Danach könnte sich die Beklagte zur Rechtfertigung eines Eingriffs in das Urheberrecht an den militärischen Lageberichten nicht mit Erfolg auf ein gesteigertes öffentliches Interesse an deren Veröffentlichung berufen.  

(Mit Material der Pressemitteilung des BGH vom 1. Juni 2017)