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Verhandlung des BVerfG am 8. November 2005 zum Thema Sportwetten in Deutschland - Bericht von RA Terhaag - Glücksrecht XI

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Augenzeugenbericht zur mündlichen Verhandlung des BVerfG zum Thema Sportwetten - Das Monopol wankt

 - Beitrag 11 zum Thema Glückspiel- und Sportwettenrecht -

von Rechtsanwalt Michael Terhaag
 

"Endlich sagt mal das Bundesverfassungsgericht  was Sache ist!" Das werden die meisten der zahlreichen Beteiligten und im Verhältnis dazu wenigen Zuschauer der Verhandlung am 8. November 2005 in Karlsruhe gedacht haben.
Um es vorweg zu nehmen: Viel gesagt oder gar "Butter bei die Fische gegeben" hat das Gericht erwartungsgemäß (noch) nicht...

Bereits vor Monaten hatte man sich um einen der Presse-Plätze im Verhandlungssaal schriftlich bewerben müssen, um bei dieser vielerwarteten ausführlichen Verhandlung von vielleicht sogar rechtshistorischer Bedeutung dabei sein zu dürfen.
Natürlich haben wir uns das nicht entgehen lassen... ;) 

Bei der Auseinandersetzung geht es um eine als Buchmacherin für Pferdewetten zugelassene Unternehmerin, die bereits 1997 bei der Stadt München die Genehmigung zur Veranstaltung von Sportwetten, hilfsweise zu deren Vermittlung an Veranstalter im EU-Ausland beantragte. Nachdem die Stadt ihr weder das eine noch das andere erlaubte, klagte sich die Buchmacherin bis zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) durch, im Ergebnis erfolglos. Das BverwG stellte 2001 fest, dass weder nach Bundes- noch nach Landesrecht eine Zulassung privater Sportwettveranstalter möglich sei. Der Ausschluss privater Wettveranstalter sei insbesondere durch die Kanalisierung des Spieltriebs, durch die Verhinderung krankhafter Spielsucht, durch die Vermeidung so genannter Begleitkriminalität und zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielablaufs gerechtfertigt.

Die Unternehmerin hält sich seither an das Verbot, ist -wie Sie betonte- "wohl die einzige Buchmacherin, die bisher noch keine Sportwette angenommen hat". Sie legte gegen die Entscheidung des BVerwG Verfassungsbeschwerde ein und stützt sich hierbei auf ihre bereits vieldiskutierten Rechte aus der in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geregelten Berufsfreiheit, dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus europäischen Gemeinschaftsrecht.

Das Bundesverfassungsgericht hat die dringende Notwendigkeit einer hinreichenden Auseinandersetzung mit diesem Thema erkannt und zum einen eine mündliche Verhandlung angesetzt zum anderen nicht nur die Beschwerdeführerin und die beteiligte Landeshauptstadt München, sondern auch den Bund, den Freistaat Bayern, die anderen Bundesländer und die betroffenen Interessenverbände zur Anhörung geladen. Von der Möglichkeit einer solchen Anhörung machten die Beteiligten auch tüchtig Gebrauch, wobei neue Argumente und Erwägungen erwartungsgemäß in der krassen Minderheit blieben

Diskutiert wurde umfangreich der Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 GG vor dem Hintergrund der Sportwettanbieter. Naturgemäß nahm dann einen großen Teil der Verhandlung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und in Anspruch, d.h. ob das vorliegende Staatsmonopol die geignete, erforderliche und auch angemessene Maßnahme zur Bekämpfung zum Beispiel der das Maß aller Dinge! wirklich.Spielleidenschaft und Sucht darstellt.

Zum Europarecht betonte der Senat zwar, dass für das Gericht zwar natürlich lediglich (deutsches) Verfassungsrecht Prüfungsmaßstab sei, da sich aber die Berufsfreiheit durchaus länderübergreifend auswirke, seien die die europarechtlichen Erwägungen bei der zu fällenden Entscheidung mit zu berücksichtigen. Eine andere Beurteilung würde über den "Umweg" des Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz) gegen das sogenannte Willkürgebot verstoßen.

Gegenstand war auch hier, ob das Monopol die (einzige) Lösung darstellt, das vermeintliche Problem zu lösen.

Zur unbestrittenen Suchtgefahr passte der Vergleich mit den staatlichen Maßnahmen gegen andere Süchte. Hier gibt es keinerlei Maßnahme wie beim Alkohol und das vollständige Verbot wie bei harten Drogen. Man wird wohl eingestehen müssen, dass die Spielsucht die einzige Zwanghaftigkeit ist, auf die der Staat mit einem Ausgabemonopol reagiert und selber tüchtig Kasse macht.

Bei dem ausführlichen Termin von insgesamt über acht Stunden ließen sich die höchsten deutschen Richter allerdings im Ergebnis erwartungsgemäß kaum in die Karten gucken. Auch wenn die Hochachtung vor dem erkennenden Gericht, ein Abwarten auf die entgültige Endscheidung gebietet, lassen wir uns natürlich zu einer Mutmaßung hinreißen:
Nachdem wir uns die ganze Verhandlung selbst angeschaut haben, sind wir der Auffassung, dass anhand seiner dann doch zahlreichen Nachfragen das Gericht durchaus durchblicken ließ, dass besonders die derzeitigen gesetzlichen Regelungen, aber dadurch auch die ablehnende Praxis vieler Verwaltungsbehörden und Gerichte einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle im Ergenis nicht standhalten könnte.

Kontovers diskutiert insbesondere der Zusammenhang zwischen einer fehlenden landesrechtlichen Verbotsnorm und dem (Allmachts-Ermächtigungs-)Bundesgesetz des § 284 StGB. Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen dem unerwünschten Verhaltens des Wetten und dessen heftige Bewerbung durch die staatlichen Betreiber,  u.a. durch so Kampagnen wie "wer jetzt nicht spielt, hat schon verloren" oder "Sicher zum Gewinn!" von Oddset.

Wir rechnen mit einer Aufhebung der Entscheidung des BVerw und hoffen, dass der Senat von seiner Möglichkeit Gebrauch macht, in diesem Zusammenhang klare Ausführungen und Vorgaben zu einer Neureglung und Liberalisierung des deutschen Sportwettenrecht macht.
Mit einer Entscheidung ist wohl erst in zwischen zwei und fünf Monaten zu rechnen. Schön wäre natürlich, wenn das Gericht diese Gewohnheit hier nicht voll ausschöpft; wir halten Sie hier natürlich informiert.

Aber bereits durch diese Verhandlung, natürlich noch mehr durch ein eventuell positives Urteil, wird ein ordentlicher Ruck durch die Sportwettlanschaft gehen. Erfreulich, dass die Problematik endlich einmal von berufener, nämlich höchster Stelle thematisiert und endschieden wird. Fest steht, dass eine ganze Branche in den Startlöchern steht und bei posiver Entscheidung für eine Liberalisierung zugunsten privater Wettanbieter -vielleicht auch schon bis zu einer solchen- den deutschen Markt, insbesondere im Internet noch mehr betreten und umwerben wird.

Die Wett-Quoten im Ausland auf den Ausgang dieses Verfahrens stehen übrigens 2:1  für eine mögliche Liberalisierung. ;))

 

- vergl. zu Thema auch die Übersicht in Teil 1 und 2, die Ausgaben zum Fall Wettskandal in Teil 8  und 9 sowie unsere letzte Ausgabe in Teil 10  (Übersicht über alle Beiträge der Serie) -