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LG Mannheim: Falscher Verweis in einer Suchmaschine

Leitsätzliches

Wettbewerbswidrig handelt, wer die Tatsache ausnutzt, dass in einer Suchmaschine bei der Suche nach einer bestimmten Firma im Suchergebnis auch die eigene Website im Suchergebnis ausgewiesen wird, obwohl diese nicht mit dem gesuchten Unternehmen identisch war. Das gilt auch dann, wenn der Betroffene seine Seite nicht selbst bei der Suchmaschine unter diesem Stichwort hat registrieren lassen.

LANDGERICHT MANNHEIM

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 7 O 291/97

Entscheidung vom 1. August 1997

 

 

 

In dem Rechtsstreit (...)

 

wegen Markenrechtsverletzung u. unlauteren Wettbewerbs,

 

hier: einstweilige Verfügung, hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim (...) für Recht erkannt:

 

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Mannheim vom 01.07.1997 (7-O-291/97) wird bestätigt.

 

2. Der Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfügungsverfahrens.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Unternehmensberatung. Sie beschäftigen sich insbesondere mit der Beratung im Bereich der Arbeitswirtschaft und bieten entsprechende Software an.

 

Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) firmiert als "ARWIS Consult GmbH". Sie ist Inhaberin der Wortmarke "ARWIS". Diese Marke ist eingetragen für "Auf maschinenlesbaren Datenträgern aufgezeichnete betriebswirtschaftliche EDV-Programme; Unternehmensberatung".

 

Der Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) betreibt eine sogenannte Homepage, die über das Internet abrufbar ist.

 

Die Klägerin führte am 3.6.1997 eine Suche nach dem Wort "ARWIS" im Internet durch. Sie bediente sich dabei der Suchmaschine "Alta Vista". Bei einer Suchmaschine handelt es sich um einen großen, leistungsfähigen Rechner, der die Internet-Seiten auf Stichworte hin durchsucht und entsprechende Register anlegt, in denen unter dem Stichwort auf die entsprechenden Homepages hingewiesen wird. Einen solchen Hinweis auf eine bestimmte Homepage unter einem bestimmten Suchwort bezeichnet man als "Link".

 

Die Suche der Klägerin führte zur Nennung von l0 Dokumenten. Die Klägerin legt dazu als Anlage Ast 4 den entsprechenden Ausdruck vor. An dritter Stelle ist dort die Adresse der Homepage des Beklagten aufgeführt. Wie diese Homepage damals aussah, ist zwischen den Parteien strittig. Sie enthielt jedenfalls den Begriff "ARWIS" nicht und zwar weder in der Adresse noch im Text.

 

Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 19.6.1997 ab (Anlage Ast 5). Mit Schreiben seiner jetzigen Prozeßbevollmächtigten vom 25.6.1997 (Anlage Ast 6) lehnte der Beklagte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab und erklärte, er habe den Suchhinweis weder veranlaßt noch dulde er ihn. Auch sei er nicht imstande, Abhilfe zu schaffen. Er verwies zugleich darauf, daß auch bei einer Suche nach "ARWIS" über die Suchmaschine YAHOO auf seine Homepage verwiesen werde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage Ast 6 Bezug genommen.

 

Auf Antrag der Klägerin vom 30.6.1997 hat die Kammer mit Beschluß vom 1.7.1997 dem Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt,

 

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet unter dem Suchwort "ARWIS" einen Hinweis auf die (...) oder deren Adresse zu hinterlegen oder hinterlegen zu lassen oder sonstige Verknüpfungen zwischen "ARWIS" und der (...) herzustellen oder herstellen zu lassen.

 

Die einstweilige Verfügung wurde dem Beklagten am 2.7.1997 zugestellt.

 

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10.7.1997 Widerspruch eingelegt.

 

Die Klägerin behauptet, sie habe erst am 26.5.1997 davon Kenntnis bekommen, daß der Beklagte im Internet unter dem Stichwort "ARWIS" auf seine Homepage hinweisen lasse. Der Aufruf der domain-Adresse des Beklagten am 3.6.1997 habe zu der Homepage geführt, wie sie als Ausdruck in Anlage Ast 3 vorgelegt wurde.

 

Am 6.7. und am 8.7. habe eine Suche nach "ARWIS" über die Suchmaschine "infoseek" noch einen Hinweis auf die Homepage des Beklagten ergeben. Dagegen habe eine Suche über "YAHOO" und "Alta Vista" am 8.7.1997 ergeben, daß die domain-Adresse der Homepage des Beklagten nicht mehr angezeigt wurde. Das verdeutliche, daß der Beklagte die Möglichkeit habe, den Link zu verhindern.

 

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei zu der begehrten Unterlassung sowohl nach §§ 4, 14, 5, 15 MarkenG als auch nach 1, 3, 13 UWG verpflichtet. Die Lebenserfahrung spreche dafür, daß der Beklagte den Link veranlaßt habe. Unabhängig davon sei er aber zur Unterlassung verpflichtet, weil er jedenfalls jetzt davon Kenntnis habe, daraus Nutzen ziehe und trotz entsprechender Handlungsmöglichkeiten darauf verzichte, den Hinweis zu unterbinden.

 

Die Klägerin beantragt:

 

Die einstweilige Verfügung vom 1.7.1997 wird bestätigt.

 

Der Beklagte beantragt:

 

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Mannheim vom 1.7.1997, Az: 7 O 291/97, wird aufgehoben und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.

 

Er behauptet, er habe im April 1997 seine Homepage geändert. Seitdem sei sie nur noch in der aktualisierten Form abrufbar. Der Beklagte legt dazu den Ausdruck gemäß Anlage AG l sowie eine eidesstattliche Versicherung als Anlage AG 2 vor. Wenn die Klägerin bei Aufruf seiner domain-Adresse die Homepage gemäß Anlage Ast 3 erhalten habe, müsse der Aufruf dementsprechend spätestens im April stattgefunden haben. Damit fehle es aber an der Dringlichkeit.

 

Im übrigen macht der Beklagte geltend, er sei für den Link nicht verantwortlich. Er habe zu keiner Zeit und in keiner Suchmaschine einen Link "ARWIS" gesetzt oder von Dritten setzen lassen. Ihm sei bis zum Zugang des Abmahnschreibens nicht bekannt gewesen, daß ein solcher Link existiere.

 

Der Beklagte behauptet, er habe nicht die Möglichkeit, einen solchen Link nachhaltig zu verhindern. Es existierten Programme, die eine Homepage ohne Zutun des Betreibers in Suchmaschinen eintrügen. Das habe zur Folge, daß ein solcher, einmal gesetzter Link sich in zahlreichen anderen Suchmaschinen fortsetze. Das sei nicht kontrollierbar. Zudem könne ein Link auch anonym gesetzt werden. Auch helfe es nicht, den Betreiber einer Suchmaschine aufzufordern, einen Link zu löschen. Selbst wenn dem Wunsch entsprochen werde, führe die automatische Suche der Suchmaschine umgehend dazu, daß der Link automatisch wieder neu erstellt werde. Ferner sei es möglich, in einer Internet-Seite einen Verweis auf eine andere, fremde Internet-Seite aufzunehmen. Das könne dazu führen, daß die fremde Seite unter einem Stichwort auftauche, das in der verweisenden Seite enthalten sei. Dabei sei es nicht möglich festzustellen, wann über welchen Weg ein Verweis in die Suchmaschine aufgenommen worden sei. Manche Suchmaschinen, etwa Alta Vista, könne man gar nicht kontaktieren. Der Beklagte beruft sich ergänzend auf eine eidesstattliche Versicherung des Dipl.-Ing. (...), die er als Anlage AG 3 vorlegt. Er legt ferner als Anlagen AG 7 und 8 Ausdrucke betreffend die Suchmaschine Alta Vista vor. Hierauf wird Bezug genommen.

 

Der Beklagte meint, der Link bewirke keine Irreführung. Wie der Suchmaschinen-Ausdruck zeige, führe das Suchwort "ARWIS" zu Homepages, die erkennbar in keiner Weise mit der Klägerin verbunden seien, etwa solchen aus Polen.

 

Der Beklagte ist der Auffassung, bei Suchmaschinen handele es sich um Nachschlagewerke, auf die § 16 MarkenG anwendbar sei.

 

Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus §§ 4, 14, 5, 15 MarkenG und aus § 3 UWG (I.). Die Dringlichkeitsvermutung ist nicht widerlegt (II.).

 

I.

 

1l. Die Klägerin ist Inhaberin der Marke "ARWIS". Mithin ist es nach § 14 Abs. 2 Nr. l MarkenG Dritten untersagt, ohne Zustimmung der Klägerin ein mit dieser Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt.

 

Der Beklagte ist - wie unten näher auszuführen - verantwortlich dafür, daß im Internet unter dem Suchwort "ARWIS" auf seine Homepage hingewiesen wird. Mit dieser Homepage wirbt der Beklagte für seinen Geschäftsbetrieb und die von ihm angebotenen Leistungen und Waren. Diese Art der Verwendung des Kennzeichens "ARWIS" stellt eine Benutzung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. l MarkenG dar.

 

2. Für die Klägerin ist ferner nach § 5 MarkenG ihre Firma als Unternehmenskennzeichen geschützt. Diese Firma wird durch den kennzeichnungskräftigen Bestandteil "ARWIS" geprägt. Daher ist es nach § 15 Abs. 2 MarkenG Dritten untersagt, eine geschäftliche Bezeichnung unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. Der Beklagte weist mit dem Suchwort "ARWIS" im Internet auf seine Homepage und damit auf seinen Geschäftsbetrieb hin. Er benutzt diese Bezeichnung daher als geschäftliche Bezeichnung i.S.d. § 15 MarkenG (vgl. zu der entsprechenden Problematik bei Telefonbüchern BGH WRP 1994, 739 - "Suchwort"). Die Parteien sind in der gleichen Branche tätig. Die Verwendung der geschäftlichen Bezeichnung "ARWIS" durch den Beklagten begründet somit Verwechslungsgefahr. Zugleich liegt darin eine Irreführung i.S.d. § 3 UWG, da die angesprochenen Verkehrskreise zu der unzutreffenden Annahme verleitet werden, der Beklagte stehe mit der Klägerin in einer wirtschaftlichen und/oder gesellschaftsrechtlichen Verbindung (BGH a.a.O.)

 

3. § 16 MarkenG ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Anhaltspunkte dafür, daß die Wiedergabe der Kennzeichnung "ARWIS" in einem Index einer Suchmaschine den Eindruck erwecke, daß es sich um eine Gattungsbezeichnung handele, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

 

4. Der Beklagte ist rechtlich dafür verantwortlich, daß im Internet unter dem Suchwort "ARWIS" auf die domain-Adresse seiner Homepage hingewiesen wird. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, daß er selbst diesen Hinweis nicht veranlaßt hat, obwohl weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, welchen Anlaß ein Dritter haben sollte, eine solche Verbindung herzustellen, von der allein der Beklagte profitieren kann. Störer ist jedoch nicht nur derjenige, der eine Markenverletzung oder einen Wettbewerbsverstoß selbst veranlaßt, sondern auch derjenige, der ein markenrechtswidriges oder wettbewerbswidriges Verhalten eines Dritten für sich ausnutzt, sofern er die Möglichkeit besitzt, dieses Verhalten zu verhindern.

 

Der Beklagte hat jedenfalls seit Zugang der Abmahnung Kenntnis davon, daß unter dem Suchwort "ARWIS" im Internet in Suchmaschinen auf seine Homepage hingewiesen wird.

 

Nach dem unstreitigen Sachverhalt wurde unter dem Suchwort "ARWIS" am 3.6.1997 bei einer Suche über "Alta Vista" auf die Homepage des Beklagten verwiesen. Nach der vom Beklagten selbst vorgelegten Erklärung des Dipl.-Ing. (...) fand sich auch noch am 7.7.1997 bei einer Suche über "Alta Vista" unter "ARWIS" ein Link auf die Homepage des Beklagten. Nach dem von der Klägerin durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung gemäß Ast 7 glaubhaft gemachten und im übrigen unstreitigen Vorbringen der Klägerin war dagegen dieser Link am 8.7.1997 nicht mehr vorhanden. Schon das verdeutlicht, daß es dem Beklagten augenscheinlich doch möglich ist, einen Hinweis auf seine domain-Adresse unter dem Suchwort "ARWIS" zu verhindern. Die Annahme der Störerstellung setzt nicht voraus, daß eine dauerhafte Verhinderung solcher Links möglich ist.

 

Zufolge der von dem Beklagten als Anlage AG 7 vorgelegten Erklärung von "Alta Vista" (dort Ziffer 3) wird auf Wunsch des Betreibers einer bestimmten Web-Site ein Link entfernt. In der Erläuterung wird allerdings darauf hingewiesen, daß die automatische Ausrüstung von "Alta Vista" in der Regel zu einer baldigen Neuregistrierung führen werde. Das kann den Beklagten jedoch aus zwei Gründen nicht entlasten. Zum einen ist diese Erläuterung mit dem ergänzenden Hinweis versehen "falls der Operator der Site dies nicht verhindert". Das spricht dafür, daß es die Möglichkeit gibt, die Wiederherstellung eines Links dauerhaft zu verhindern. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß er sich darum bemüht hätte. Zum anderen verhält es sich nach den Angaben von Dipl.-Ing. (...), auf die sich der Beklagte beruft, so, daß die Suchmaschinen ihren Index durch die automatisierte Suche nach entsprechenden Stichwörtern in den Internet-Seiten herstellen. Zu der von "Alta Vista" angesprochenen baldigen Neuregistrierung kommt es also nur dann, wenn das entsprechende Stichwort entweder als domain-Adresse verwendet wird oder in der Homepage benutzt wird. Beides ist nach dem unstreitigen Sachverhalt bei der Homepage des Beklagten nicht gegeben. Mithin führte eine Beseitigung des Links durch "Alta Vista" dazu, daß dieser Link dauerhaft entfiele.

 

Schließlich kann sich der Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ein Dritter einen Verweis auf seine - des Beklagten - Homepage aufnehme und dadurch den Link bewirke. Abgesehen davon, daß wiederum nicht dargetan oder ersichtlich ist, warum ein Dritter dies tun sollte, führt Dipl.-Ing. (...) aus, daß mit speziellen Funktionen bedingt festgestellt werden könne, welche anderen WWW-Seiten auf die Homepage des Beklagten verweisen. Der Beklagte hat nicht dargetan, daß er sich um eine solche Aufklärung bemüht habe.

 

Nach alledem kann offenbleiben, ob es dem Beklagten anzusinnen ist, nötigenfalls seine Homepage komplett zu löschen und neu anzumelden, um existierende Links zu beseitigen.

 

5. Die Wiederholungsgefahr ergibt sich aus der vom Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit eingenommenen Haltung.

 

II.

 

Die Dringlichkeit wird nach § 25 UWG, der auch auf markenrechtliche Ansprüche Anwendung findet, vermutet. Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Der Behauptung des Beklagten, die als Anlage Ast 3 vorgelegte Homepage sei bereits seit April 1997 nicht mehr verfügbar gewesen, steht entgegen, daß die von den Parteien vorgelegten Ausdrucke der Suche über "Alta Vista" vom 3.6.1997 (Anlage Ast 3) und vom 7.7.1997 (Anlage AG 8) als Datum der letzten Änderung der Homepage des Beklagten den 22. Februar 1997 nennen.

 

III.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlaßt.